Eine Ära geht zu Ende. Die Telekom kann mit ihrem Geschäftsmodell kein Geld mehr verdienen: Die Zahl der Festnetzanschlüsse, die die Telekom europaweit betreibt, ist seit 2007 stetig gesunken: von 44,7 Millionen auf 32,4 Millionen Ende 2012. Die Zahl der weltweiten Mobilfunkkunden pendelt seit 2008 um 130 Millionen. Auch der operative Gewinn (EBITDA) geht seit 2009 trotz diverser Zukäufe zurück. 2012 erwirtschaftete die Telekom aus einem Umsatz von 58,2 Milliarden aber immer noch ein EBITDA von 18 Milliarden Euro.
Doch der Dax-Konzern will nicht länger in der Stagnation verharren, er will wieder Dynamik entfalten und die Aktionäre mit einer neuen Equity Story überzeugen. Dafür rücken Noch-CEO René Obermann und CFO Tim Höttges die alte Stärke, das größte Asset der Telekom ins Zentrum ihrer Wachstumsüberlegungen: das in Deutschland nahezu flächendeckende Fest- und Mobilfunknetz. In den kommenden drei Jahren sollen 30 Milliarden Euro in den Ausbau und die Erneuerung der Netze fließen. LTE soll das veraltete Mobilfunknetz schneller machen.
Datenauswertung von Verkehr, Gesundheit und Energie sollen die Wende bringen
Die Telekom will an den Megatrends Urbanisierung, demographischer Wandel und Energiewende kräftig mitverdienen. Künftig sollen Daten von Fahrzeugen und Verkehr, Gesundheitsmessgeräten und Patienteninformationen sowie Stromzählern über die Leitungen der Telekom laufen und von ihr ausgewertet werden. Doch noch ist das Zukunftsmusik, bisher erzielt sie gerade einmal 100 Millionen Euro Umsatz in diesem neuen Geschäftsfeld. Doch die Ziele sind ambitioniert: Bereits für 2015 peilt das Unternehmen 1 Milliarde Euro an.
Doch wie viel Potential haben diese neuen Märkte überhaupt? Und noch entscheidender: Selbst wenn sie groß werden, kann die Telekom dort überhaupt Geld verdienen?
Vernetztes Auto: Der Kuchen ist zu klein für alle
Der Markt für das Onlineauto kommt zwar langsam ins Rollen. „Die Technologie ist nach der jahrelangen Entwicklungsarbeit nun einigermaßen ausgereift, und viele Premiumhersteller haben ein enormes Interesse daran, dass ihr Fahrzeug online geht“, sagt Thilo Koslowski, Analyst bei Gartner. Auch die Autohersteller kämpfen mit einem gesättigten Markt und müssen ebenfalls mit zusätzlichen Services locken. Doch genau hier liegt das Problem: „Es sind zu viele Player auf dem Markt unterwegs, die alle ihren Teil des Kuchens abhaben wollen“, sagt Andreas Hein von Capgemini. Autohersteller, Telekommunikationsunternehmen und Mietwagenanbieter: „Jeder will vor allem seine bisherigen Kunden an sich binden. Neugeschäft ist da kaum zu machen.“
Hinzu kommt auch der Wettbewerb innerhalb der Telekommunikationsindustrie: Nicht nur die Telekom, sondern auch die Dauerrivalen Vodafone und O2 rüsten ihre Mobilfunknetze in Deutschland mit Hilfe der LTE-Technologie auf und wollen so den Wettbewerbsvorteil des einstigen Staatskonzerns zunichtemachen. Mit einigem Erfolg: Die Telekom war 2010 eine Forschungskooperation mit BMW eingegangen. Gemeinsam entwickelten die beiden Dax-Konzerne eine M2M-SIM. Doch letztes Jahr baute BMW dann SIM-Karten von Vodafone in seine Autos ein. Zwar folgte der Gegenschlag prompt: Im Rahmen der diesjährigen Elektronikmesse Cebit kündigte die Telekom an, ab Sommer BMW-Fahrzeuge aus der Mietwagenflotte Sixt mit einem LTE-Hotspot für Mitreisende auszurüsten. Doch der Fall zeigt: Der Wettbewerb ist hart, und die Telekom hat im Mobilfunk – anders als im Festnetz – keine besonderen Vorteile gegenüber der Konkurrenz.
Unklare Finanzierung bremst Markt für Telemedizin
In der Telemedizin ist die Problematik ähnlich: Der Markt steht ebenfalls noch am Anfang. „Seit zehn Jahren bewegt er sich seitwärts“, sagt Karsten Hemmrich, Mediziner und Gesundheitsexperte bei McKinsey. Die Technik, um etwa Patientendaten in Krankenhäusern zu digitalisieren oder die Übertragung einer Blutdruckmessung per Mobiltelefon zu ermöglichen, steht zwar bereit, doch die rechtliche Situation ist unklar. Insbesondere Datenschutzbedenken spielen eine Rolle. Solange diese nicht ausgeräumt sind und die Finanzierung nicht geklärt ist, wird der Markt nicht ins Rollen kommen.
Doch noch scheint keine Partei bereit, sich vorzuwagen und die Finanzierung anzupacken. Denn wie beim vernetzten Auto sind auch in der Telemedizin viele Parteien involviert, mit denen der Kuchen am Ende geteilt werden muss: Ärzte, Kliniken, Krankenkassen, Kommunikationsunternehmen und Gerätehersteller. „Es wird sich erst noch zeigen müssen, wie groß die Geschäftschancen für Netzbetreiber und Telekomanbieter sind und ob sich diese dann langfristig gegen die Hersteller von Diagnostikgeräten und die App-Entwickler behaupten können“, meint Hemmrich.
Der Markt mit intelligenten Stromnetzen ist ebenfalls umkämpft – auch hier tummeln sich viele verschiedene Arten von Anbietern. Doch die Aussichten der Telekom, an der Energiewende mitzuverdienen, sind etwas rosiger als beim vernetzen Automobil und in der Telemedizin.
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