Herr Kassel, die Zahlen in der Bilanz von VBH sehen heikel aus. Zudem wurde der entscheidende Konsortialkredit nur um ein Jahr bis Ende 2017 verlängert. Verlieren die Banken das Vertrauen in VBH?
Überhaupt nicht, das Gegenteil ist der Fall. Unsere Hauptaktionäre haben uns im vergangenen Jahr 26 Millionen Euro Eigenkapital zugeführt und gezeigt, dass sie voll hinter ihrem Investment stehen. Dass wir den Konsortialkredit im Sommer 2015 trotz unserer schwierigen Lage verlängern konnten, war für uns ein Riesenerfolg. Der Schritt hat zudem unser internes Rating bei den Banken verbessert. Unsere finanzierenden Banken haben großes Vertrauen zu uns.
Der gewährte Aufschub wirkt aber sehr kurz.
Der bisherige Kredit wäre im Sommer 2016 ausgelaufen, und wir wollten das Thema Refinanzierung nicht mitten in der Sanierung angehen. Unsere Banken haben uns mit der Verlängerung Zeit gegeben, um zu restrukturieren. Sie werden uns sicherlich auch in der Zeit danach weiterhelfen. Zudem haben wir von unseren Kreditpartnern eine Zinssenkung erhalten und unser Zinsergebnis 2015 um 4 Millionen Euro verbessern können.
VBH-Chef Jürgen Kassel: „Wir wollen den Breakeven erreichen“
Ganz so rosig liest sich der Geschäftsbericht nicht: Im neuen syndizierten Kredit sind Financial Covenants für den Gewinn vor Steuern, Zinsen und Abschreibungen (Ebitda) sowie für die Eigenkapitalquote enthalten. Im Risikobericht steht, VBH könne die Finanzkennzahlen unter Umständen nicht einhalten. Wie viel Spielraum hat VBH noch?
Die Covenants sind nicht neu, haben auch im bisherigen Kreditvertrag bestanden und sind zudem Standard in allen syndizierten Krediten. Zum angesprochenen Spielraum kann ich Ihnen versichern, dass wir genügend Headroom haben. Wir haben momentan zwischen 50 und 60 Prozent aus dem Kreditrahmen gezogen, insofern haben wir dort auch noch Spielraum. Unsere Eigenkapitalquote liegt aufgrund der Kapitalerhöhung bei 31,5 Prozent. Für einen Handelskonzern ist das gut bis sehr gut. Ich sehe derzeit überhaupt keinen Covenant-Bruch, sofern sich die derzeitigen politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen nicht wesentlich verschlechtern.
Wenn Sie einen Bruch der Kreditvereinbarungen für so unwahrscheinlich erklären, warum weist VBH dann so ausdrücklich auf dieses Risiko hin?
Im vorgeschriebenen Risikobericht, den Sie zitieren, ist grundsätzlich auf alle Eventualitäten im Geschäftsmodell einzugehen, auch in Bezug auf die Finanzierung. Es besteht nun einmal eine Möglichkeit, und auf die müssen wir hinweisen. Wenn wir unsere im Sanierungsplan gesteckten Einzelziele nicht erreichen, könnten wir unsere Covenants reißen. Im Falle eines Bruchs der Kreditvereinbarung würden wir uns mit unseren Kreditpartnern zusammensetzen und nach Lösungen suchen. Das käme aber in keinem Fall einer Insolvenz gleich. Die Covenants sind als Frühindikatoren gedacht, um bei Fehlentwicklungen rechtzeitig gegensteuern zu können.
Auf VBH lasten Nettoschulden von 6x Ebitda. Fühlen Sie sich damit wirklich wohl?
Unsere Nettoverschuldung von 53 Millionen Euro ist jetzt auf einem Niveau, mit dem wir leben können. Das Ebitda von zuletzt 9 Millionen Euro wollen wir durch eine verbesserte Profitabilität nach oben bringen, sodass sich das Verhältnis wieder verbessern sollte. Wir streben bei der Nettofinanzverschuldung einen Faktor von 3 bis 3,5x Ebitda an.
Für ein Handelsunternehmen wäre selbst das noch ungewöhnlich viel.
Wir haben dies mit unseren Beratern und Banken diskutiert und kamen zu dem Ergebnis, dass wir uns mit diesem Faktor durchaus im Bereich vergleichbarer internationaler Handelsunternehmen befinden.
Insbesondere die GUS-Staaten bereiten VBH Probleme. Der Umsatz ist allein in dieser Region im Jahr 2015 um ein Drittel auf 76 Millionen Euro zurückgegangen. Steht ein Rückzug aus dieser Region zur Debatte?
Nein, wir bleiben definitiv in Russland. Durch eine geschickte Währungskursdisposition haben wir uns unabhängiger von der Rubelentwicklung gemacht. In der Ukraine schreiben wir mittlerweile einen kleinen Gewinn. Einige Wettbewerber haben sich aktuell aus Teilen der GUS-Staaten zurückgezogen. Wenn wir durchhalten und sich die Wirtschaft dort erholt, werden wir mit unseren Tochterunternehmen die ersten sein, die dort Materialien zum Einbau von Fenster und Türen liefern.
VBH-Chef Kassel verspricht Cashflow-Verbesserung
Also liegt der Erfolg der Restrukturierung nicht komplett in Ihrer Hand, sondern ist in erheblichem Maße auch von externen Faktoren abhängig, etwa der weiteren Entwicklung in Russland.
Ja, aber unsere eingeleiteten Sanierungsmaßnahmen greifen gruppenweit sehr gut. Obwohl uns im vergangenen Jahr 50 Millionen Euro Umsatz weggebrochen sind, haben wir unser Vorsteuerergebnis um 2,1 Millionen Euro steigern können. Wir haben unsere Kosten gesenkt, den Rohertrag stabil gehalten und das Finanzergebnis verbessert. Unser operativer Cashflow ist weiterhin positiv, was mir sehr wichtig ist.
Der operative Cashflow ist aber von 17 auf 5 Millionen Euro eingebrochen. Und das Vorsteuerergebnis ist mit 1,5 Millionen Euro trotz der beschriebenen Einsparungen negativ ausgefallen.
Das stimmt. Beim Cashflow erwarte ich aber, dass wir im laufenden Geschäftsjahr eine Verbesserung sehen werden. Mit dem Vorsteuerergebnis wollen wir 2016 die Nulllinie durchkreuzen und den Breakeven erreichen.
Ihr Umsatz ist 2015 auf 608 Millionen Euro gesunken. Wird er 2016 weiter fallen?
Nein. Wir haben eine Management-Guidance und wollen den Umsatz zunächst einmal auf dem aktuellen Niveau halten. Momentan liegen wir leicht über unseren Planungen. Wir haben in den vergangenen Jahren ein neues Enterprise-Resource-Planning-System, kurz ERP-System, in Deutschland eingeführt. Der Start verlief holprig, dadurch sind uns 15 Prozent unserer kleinen Kunden verloren gegangen. Jetzt läuft das System aber einwandfrei, und wir wollen diese Kunden auf jeden Fall zurückgewinnen.
Info
Weitere spannende Interviews mit Finanzchefs finden Sie auf unserer Themenseite CFO-Interviews.
Jakob Eich ist Redakteur der Fachzeitungen FINANCE und DerTreasurer des Fachverlags F.A.Z Business Media, bei dem er auch sein Volontariat absolviert hat. Eich ist spezialisiert auf die Themen Digitalisierung im Finanzbereich und Treasury. Durch seine Zwischenstation bei der Schwesterpublikation „Der Neue Kämmerer“ ist der 1988 geborene Journalist auch versiert beim Thema Kommunalfinanzen. Erste journalistische Erfahrungen hat der gebürtige Schleswig-Holsteiner in den Wirtschaftsmedien von Gruner+Jahr sowie in der Sportredaktion der Hamburger Morgenpost gesammelt.