Herr Dr. Köhler, als Sie bei Phoenix Solar angetreten sind, brannte das Haus lichterloh. Das Ergebnis war tiefrot, die Banken ziemlich verunsichert. Wie fanden Sie sich da ein?
Als ich Ende November 2011 zu Phoenix Solar kam, hatte das Unternehmen seine Covenants gebrochen, die Banken sollten Stilhaltevereinbarungen unterzeichnen. Innerhalb von vier Wochen musste ein Restrukturierungskonzept mit einer positiven Fortführungsprognose stehen, damit die Geldgeber überhaupt an Bord bleiben konnten. Gemeinsam mit meinen Vorstandskollegen und mit unserem Berater Struktur Management Partner musste ich sehr schnell auf Touren kommen und die nötigen Schritte einleiten. An ruhige Weihnachten war also nicht zu denken.
Nach Jahren des Wachstums kämpfte Phoenix Solar wegen der Überkapazitäten im Solarmarkt mit den sinkenden Preisen und Margen. Was war zu tun, um eine Insolvenz wie bei Solon, Q-Cells oder Centrotherm zu vermeiden?
Wir mussten natürlich schnell die Kosten senken. Da stehen die üblichen Themen im Fokus, besonders das Personal. Wie nie zuvor in meiner Karriere mussten wir Stellen abbauen, um das Überleben zu sichern – insgesamt fast 60 Prozent innerhalb von neun Monaten. Und dieses Vorhaben kurz vor Weihnachten anzukündigen war höchst unangenehm, aber leider unumgänglich. Ein weiterer Punkt war ebenfalls erfolgskritisch: Phoenix Solar hatte langfristige Verträge insbesondere mit einem Solarmodullieferanten, die hinsichtlich Preis und Menge überhaupt nicht mehr zu unserer neuen Lage passten. Zum Glück konnten wir uns nach langen Verhandlungen darauf einigen, die Verträge zu flexibilisieren und Lieferungen über mehrere Jahre zu strecken.
Im Frühjahr kündigte Berlin drastische Kürzungen im Bereich der erneuerbaren Energien an. Was bedeutete das für Phoenix Solar und die Kreditverhandlungen?
Wir waren im Prinzip Ende Februar schon auf der Zielgeraden, als die Bundesregierung ihre Pläne auf den Tisch legte. Für uns war besonders kritisch, dass Solarkraftwerke mit einer Nennleistung von mehr als 10 MWp überhaupt nicht mehr gefördert werden sollten. Das verunsicherte unsere Banken sehr, so dass wir das Restrukturierungs- und Finanzierungspaket noch einmal aufschnüren mussten und mehr Zeit brauchten. In dem neuen Plan mussten wir daraufhin die Kosten noch weiter senken. Hinzu kamen Verschiebungen im Konsortium, für die wir Lösungen finden mussten. Langjährige persönliche Kontakte zu den involvierten Bankern, die ich zum Teil aus vorhergehenden Stationen kannte, waren in dieser Situation sehr hilfreich.
Anfang Mai dann die Erfolgsmeldung: Mit einem neuen Konsortialkredit ist Phoenix Solar bis 2014 durchfinanziert. Wie erleichtert waren Sie?
Sehr, wie Sie sich denken können. Es war ein toller Moment, als wir nach Monaten höchster Restrukturierungsaktivität und langer Verhandlungen den Kreditvertrag unterschrieben und spürten, dass sich die Mühen und Anstrengungen letztlich gelohnt hatten. Das Restrukturierungsgeschäft kann in solchen Momenten schon sehr befriedigend sein.
An der Börse wurde die Rettung im Mai honoriert. Inzwischen ist der Kurs der Phoenix-Solar-Aktie aber auf rund 1 Euro abgesackt. Woran liegt das?
Kursentwicklungen sind immer schwer erklärbar. Ein Punkt ist sicher dem Marktumfeld geschuldet: Nachdem Solaraktien lange Zeit des Anlegers Liebling waren, werden alle Unternehmen der Branche nach den jüngsten Insolvenzen in Sippenhaft genommen. Ein anderer Punkt könnte sein, dass wir bei einem Projekt in Bulgarien die alten Tarife nicht sichern konnten. Deshalb war der Verkaufserlös geringer als erwartet. Nachdem die Finanzierung in trockenen Tüchern ist, wollen wir unsere Vertriebsanstrengungen jetzt deutlich stärken. Dann sollte es bald auch wieder positive Botschaften für den Markt geben.
Das erste halbe Jahr bei Phoenix Solar war eine aufreibende Zeit. Warum haben Sie sich den Feuerwehreinsatz angetan, der durchaus hätte schiefgehen können?
Als mich ein Aufsichtsratsmitglied angesprochen hat, habe ich mir natürlich Gedanken über die Risiken gemacht. Letztlich hat mich aber die neue Herausforderung gereizt, da ich inzwischen seit über 15 Jahren Restrukturierungen manage, zuletzt bei TA Triumph-Adler oder davor bei der Vogt Electronic. Als TA nach der Übernahme durch die japanische Kyocera stabilisiert war, blieben für mich als CFO fast nur noch die Ressorts Rechnungswesen und Controlling übrig – das war mir eindeutig zu wenig. Deshalb fand ich das Angebot durchaus spannend, auch weil damit Erfahrungen in einer für mich neuen Branche verbunden sind. Nachdem ich bereits Ende Februar 2011 bei TA ausgeschieden war, konnte ich zwischen den beiden Positionen etwas abschalten und mich mit meiner Familie und anderen Dingen beschäftigen, die normalerweise zu kurz kommen.
Info
Der CFO: Bernd Köhler
Bernd Köhler (Jahrgang 1960) ist seit Dezember 2011 Finanzvorstand der Phoenix Solar AG in Sulzemoos. Seine Aufgaben umfassen neben den klassischen Finanzthemen, Personal und IT auch Bereiche, die, wie Einkauf und Logistik, nicht im engeren Sinne zur Finanzabteilung zählen. Zuvor stand er fünf Jahre in Diensten von TA Triumph-Adler in Nürnberg und etablierte dort nach erfolgreicher Restrukturierung unter anderem eine neue Konzernfinanzierung. Restrukturierung stand auch bei der Vorgängerstelle bei Vogt Electronic im Vordergrund. Die längste Zeit seiner Karriere verbrachte Köhler im Siemens-Konzern in verschiedenen Positionen. Er studierte Volkwirtschaftslehre in Heidelberg und promovierte dort in Betriebswirtschaftslehre.
Markus Dentz ist Chefredakteur von FINANCE und der Fachzeitschrift DerTreasurer. Seine journalistischen Schwerpunktthemen sind Unternehmensfinanzierung, Restrukturierung und Treasury. Nach dem Studium und dem Volontariat beim F.A.Z.-Institut stieß Dentz zur FRANKFURT BUSINESS MEDIA GmbH, einer Tochter der F.A.Z.-Verlagsgruppe und Herausgeberin von DerTreasurer und FINANCE. Mehrfach wurden seine Artikel aus den Bereichen Private Equity und M&A mit Journalistenpreisen ausgezeichnet.