Bilfinger-Aktionäre sind schlechte Nachrichten gewohnt. Mehrere Gewinnwarnungen hintereinander und Vorstandswechsel im Monatstakt scheinen die Aktionäre inzwischen abgehärtet zu haben: Als Bilfingers Chef Tom Blades bei der Präsentation der Quartalszahlen vor wenigen Wochen zugegeben hat, dass die neue Strategie immer noch nicht fertig ist, hatte das keine negativen Auswirkungen auf den Kurs.
Offenbar sind die Aktionäre bereit, dem neuen Mann an der Spitze Zeit zu geben. Doch allzu viel Zeit sollte er sich nicht lassen, sagt Uwe Gehrmann, Partner beim Interimsmanagement-Anbieter Atreus. Der Berater hat viele Unternehmen in der Krise begleitet und weiß, worauf es jetzt ankommt. „Wichtig ist, dass Tom Blades jetzt so schnell wie möglich die zweite Führungsebene in die Projektverantwortung nimmt“, sagt Gehrmann. Nur so besteht eine Chance, dass Bilfinger einen Strategiewechsel konsequent und erfolgreich umsetzt. „Sollte Blades erst die zweite Führungsebene komplett neu ausschreiben, um sie neu zu besetzen, könnte das extrem viel Zeit in Anspruch nehmen – Zeit, die erfolgskritisch ist“, glaubt er.
Bilfinger muss mit der Power-Sparte richtig umgehen
Ebenfalls entscheidend für den Erfolg ist der Umgang mit der Sparte Power, die Bilfinger monatelang zum Verkauf gestellt hatte und schließlich mangels Interesse doch behalten will. In einem Interview mit dem Manager Magazin kündigte Blades bereits an, dass er Bilfinger unbedingt zusammenhalten will. Für eine Zerschlagung sei er nicht der richtige Mann, sagt der Ingenieur. Stattdessen deutete er eine Zwei-Säulen-Strategie an. Das Know-how, das in der Sparte Power stecke, bezeichnete er als „wertvoll“. Teile des Geschäfts könne Bilfinger gut gebrauchen.
„Wenn ein Unternehmen ein ungeliebtes Kind doch behalten will, kann das an der Glaubwürdigkeit kratzen“, sagt Atreus-Partner Uwe Gehrmann. Doch es muss nicht immer schiefgehen. Ein prominentes Beispiel ist Siemens: Der Konzern wollte 2010 seine Hörgerätesparte verkaufen, sagte den Verkauf wegen unterschiedlicher Preisvorstellungen schlussendlich aber doch ab. Geschadet hat es Siemens nicht: Vier Jahre später konnte die Sparte für mehr als 2 Milliarden Euro an den Private-Equity-Investor EQT verkauft werden.
Im Idealfall könnte es auch bei Bilfinger so laufen. „Wichtig ist, dass Blades die Sparte besonnen führt und darauf achtet, dass die Produktivität nicht leidet. In einigen Jahren könnte ein Verkauf zustande kommen“, so Gehrmann.
Bilfinger-CFO Klaus Patzak muss die IT-Systeme vereinheitlichen
Es gibt noch eine andere Baustelle für das Bilfinger-Management: Der Wildwuchs der IT-Systeme, der durch die vielen Zukäufe der vergangenen Jahre entstanden ist. Im Interview mit dem Manager Magazin kündigte Blades bereits an, mehr als 50 Millionen Euro in die Hand nehmen zu wollen, um die Prozesse zu vereinheitlichen.
Diese Aufgabe wird wohl Neu-CFO Klaus Patzak, der von Osram kommt, zufallen, er verantwortet bei Bilfinger das IT-Ressort. Das Projekt dürfte Jahre in Anspruch nehmen.
Klaus Patzak und Tom Blades müssen als Duo stabil bleiben
Entscheidend dürfte sowohl bei diesem als auch bei anderen Großprojekten daher sein, wie lange das Duo Blades/Patzak gemeinsam an der Spitze bleiben wird. Dass die Aktionäre noch weitere kurzfristige Personalwechsel verzeihen, scheint unwahrscheinlich. Tom Blades hat bereits klargestellt, dass er definitiv fünf Jahre bei Bilfinger bleiben will.
Uwe Gehrmann von Atreus ist skeptisch: „Dass das Führungsteam über viele Jahre stabil bleibt, ist fraglich. Unserer Erfahrung nach findet bei Unternehmen, die sich in solchen Transformationsprozessen befinden, häufiger ein Wechsel statt.“ Er schätzt aber die Absicht von Blades, eine fünfjährige Kontinuität im Bilfinger-Vorstand anzustreben. „Orientierung und Berechenbarkeit sind entscheidende Faktoren in Transformationsprozessen.“
julia.schmitt[at]finance-magazin.de
Julia Schmitt ist Redaktionsleiterin von FINANCE-Online und Moderatorin bei FINANCE-TV. Nach ihrem Studium der Volkswirtschaftslehre und Publizistik an der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz stieg sie 2014 bei F.A.Z. BUSINESS MEDIA ein. Sie betreut die Themenschwerpunkte Wirtschaftsprüfung und Bilanzierung und ist Trägerin des Karl Theodor Vogel Preises der Deutschen Fachpresse.