Newsletter

Abonnements

Youmex-Chef Wegerich: „Wegweisendes Jahr für Mittelstandsanleihen“

Andreas Wegerich, Chef des Corporate-Finance-Hauses Youmex, sieht den Markt für Mittelstandsanleihen an einem wichtigen Wendepunkt. Die Spielregeln ändern sich, CFOs müssen reagieren.
Youmex

Herr Wegerich, bei den Mittelstandsanleihen kriselt es gewaltig. Was genau läuft da gerade schief?
Manche Emittenten sind einfach nicht kapitalmarkterfahren genug. Die Folgen kann man aktuell gut sehen: Bei den Emissionen, hinter denen kapitalmarkterfahrene Firmen oder CFOs stehen, ist die Ausfallrate deutlich niedriger als beim Rest. Das ist auch kein Wunder, denn die kapitalmarkterfahrenen Emittenten wissen, wie man mit den Investoren umgeht und auch, dass man rechtzeitig Eigenkapital reinholen muss, wenn das Geschäft nicht läuft. Wir kennen viele Investoren, die bereit wären, in Debt-Equity-Swaps zu investieren, auch bei Mittelstandsanleihen. Nur ist das leider noch nie versucht worden. Alle Emittenten, die ausgefallen sind, haben es lieber auf die Insolvenz ankommen lassen – und genau das ist ja dann auch passiert.

Sie halten also die Kapitalmarktreife für den springenden Punkt. Was gehört für Sie dazu?

CEO und CFO eines Emittenten müssen die Spielregeln des Kapitalmarkts kennen. Wenn sie noch nicht so weit sind, müssen sie die Regeln lernen, bevor sie in den Emissionsprozess gehen. Transparenz gehört dazu, verlässliche Planungen, regelmäßige Kommunikation; die kritische Einschätzung, ob ihr Unternehmen eher eine Bond oder eine Equity Story hat. Auch ein Track Record mit guten Cashflows und der nachgewiesenen Fähigkeit, über verschiedene Refinanzierungsquellen zu verfügen, ist eminent wichtig.

Richtig gute Emittenten brauchen doch nicht große Refinanzierungsquellen, die können den Bond im Bedarfsfall mit Hilfe einer Mini-Refinanzierung, die immer geht, doch auch so zurückzahlen.

Genau das ist eine Fehleinschätzung, die dem Markt für Mittelstandsanleihen jetzt auf die Füße fällt. Viele Emittenten haben gedacht, dass sie ihren Investoren genau das nachweisen müssen – dass sie den Bond in sechs Jahren aus dem Cashflow tilgen können. Sie alle haben ihren Businessplan so hingedreht, dass dieses Ergebnis herauskam. Und bei wie vielen dieser Firmen gilt der Businessplan heute noch? Bei keiner einzigen!

Die Fähigkeit zur Tilgung aus dem Cashflow von vornherein auszuschließen, ist doch auch kein Qualitätsnachweis.

Der Punkt ist doch ein anderer: Die professionellen Investoren verlangen diesen Nachweis gar nicht. Dass auslaufende Anleihen mit einem neuen Bond refinanziert werden, ist doch völlig normal. Der Emittent braucht einen ordentlichen Zinsdeckungsgrad und mehr als eine Finanzierungsquelle, damit der Erfolg einer Anschlussemission hinreichend wahrscheinlich ist. Damit wäre die Grundvoraussetzung der Investoren schon erfüllt. 

Und dann läuft die Emission? Nach wie vor?

Das war in der Hype-Phase des Marktes einmal so. Mittlerweile hat der Markt für Mittelstandsanleihen eine knifflige Aufgabenstellung im Reifeprozess: Die Investoren sind sich darin einig, dass keinem von ihnen gefällt, was am Markt gerade passiert. Aber welche Kriterien sie ansetzen, welche Sicherheiten, Covenants und Kennzahlen sie verlangen – da bekommen wir von zehn Investoren zehn verschiedene Antworten. Der Markt befindet sich nicht nur bei den Emittenten und Beratern in einem Reifeprozess, sondern auch bei den Investoren.

Wegerich: „Die Investoren wollen bessere Emissionen“

Gibt es wenigstens eine gewisse einheitliche Tendenz?

Ja, aber die ist wenig überraschend: Die Investoren wollen bessere Emissionen, schließen aber auch schwache Emittenten nicht aus, solange die Struktur okay und der Kupon hoch genug ist. Nur in einem Kritikpunkt sind sich die meisten Investoren weitgehend einig.

In welchem?

Die Vorgaben der Börsen an die Emittenten genügen ihnen nicht, insbesondere die Publizitätsvorschriften. Wenn ein Emittent einen großen Auftrag verliert oder eine Menge Stellen streicht, wollen sie diese Information nicht durch Zufall irgendwo in den Untiefen der Homepage des Emittenten finden, sondern davon durch eine ordentliche Börsenmeldung erfahren, die auch über die einschlägigen Newsticker läuft.

Wie blicken Sie auf die nächsten Monate?

Mit Spannung. 2014 wird ein ganz wichtiges Jahr für den Markt für Mittelstandsanleihen. Ich erwarte keine Emissionsflut, aber ein solides Neugeschäft. Wir werden auch mehr Aufstockungen von bestehenden Mittelstandsanleihen sehen als zuletzt, der Rohrleistungsspezialist Sanha hat das Mitte Januar schon vorgemacht. 
Was die Neuemissionstätigkeit bremsen wird: Fast alle Mittelständler, die glauben, dass ihre Bonität ausreichen könnte, um einen Schuldschein zu platzieren, gehen im Moment in diese Richtung. Aber der Abstand zwischen den Kennzahlen, die man für eine Mittelstandsanleihe vorweisen muss und denen, die die Schuldscheininvestoren erwarten, ist groß. Diesen Sprung werden nicht viele Unternehmen schaffen, das wird den Markt für Mittelstandsanleihen mit genügend Neuemissionen versorgen. Bei den neu begebenen Mittelstandsanleihen werden solide Industrieanleihen dominieren, echter Mittelstand. Projektfinanzierungen, Venture-Capital-nahe Stories, überholte Geschäftsmodelle – das alles werden wir nur noch vereinzelt sehen.

Was empfehlen Sie CFOs, die in dieser heiklen Phase an den Markt gehen wollen?

Lasst Euch auf die Spielregeln des Kapitalmarkts ein! Pflegt den Kontakt zu Investoren, vor der Emission, währenddessen und danach! Denn die alte Regel gilt noch immer: Erst nach vier, fünf Jahren gehen die Möglichkeiten des Kapitalmarkts richtig auf – vorher begegnet jedem Emittenten eine ordentliche Portion Skepsis.

Info

Alles Wissenswerte über die jüngsten Vorfälle am Markt für Mittelstandsanleihen finden Sie auf unserer Themenseite zu Mittelstandsanleihen. Die Titelgeschichte der aktuellen Ausgabe von FINANCE liefert darüber hinaus eine ausführliche kritische Analyse der aktuellen Situation bei Mittelstandsanleihen. Mehr dazu hier.