Auf den künftigen Bahn-CFO Alexander Doll dürften im kommenden Jahr schwierige Aufgaben zukommen: Übereinstimmenden Medienberichten zufolge klafft im Budgetplan des Staatskonzerns eine akute Finanzierungslücke von mehr als 2 Milliarden Euro allein für das kommende Jahr. Insgesamt benötigt die Bahn bis 2023 sogar 4 Milliarden Euro.
Das schreiben das „Handelsblatt“ und die „FAZ“ unter Berufung auf interne Aufsichtsratsunterlagen des Konzerns. Demnach soll allein das Strukturprogramm „Agenda für eine bessere Bahn“, das CEO Richard Lutz im November 2018 ankündigte, in den kommenden Jahren 5 Milliarden Euro kosten. Es umfasst einen massiven Personalaufbau, Investitionen in die Infrastruktur sowie in die Digitalisierung. Wie das Programm finanziert werden soll, sei weitestgehend unklar. Erst eine Milliarde der Investitionssumme sei gedeckt. Die Bahn wollte die Berichte auf Anfrage von FINANCE nicht kommentieren.
Verkauf von Arriva und Schenker wäre möglich
Zwar habe der Aufsichtsrat die Budgetpläne von Bahn-Chef Frank Lutz, der derzeit auch noch das Finanzressort inne hat, genehmigt, heißt es in den Berichten. Allerdings stehe diese Genehmigung unter einem Vorbehalt: Lutz muss bis zur nächsten Aufsichtsratssitzung im März Vorschläge präsentieren, wie die Finanzierungslücke gestopft werden soll.
Die Bahn soll allerdings nach dem Willen der Bundesvertreter im Aufsichtsrat keine neuen Schulden aufnehmen. Zum Halbjahr 2018 lag die Nettofinanzverschuldung des Konzerns bereits bei 19,7 Milliarden Euro. In Relation zum Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) entsprach das einem Verschuldungsgrad von hohen 4,3.
Entsprechend rücken nun altbekannte Pläne wieder in den Fokus, um frisches Geld zu beschaffen: Der Verkauf der britischen Tochter Arriva und des Logistikkonzerns Schenker. Beides sei zwar bei der gestrigen Aufsichtsratssitzung nicht besprochen wurden, dürfte nun aber auf die Tagesordnung kommen, schreibt das „Handelsblatt“ unter Berufung auf Bahnkreise.
Ein Verkauf von Arriva war vor zwei Jahren am Widerstand des Bundestags gescheitert. Die Auslandstochter könnte laut „Handelsblatt“ 4 Milliarden Euro in die Kasse von Neu-CFO Doll spielen. Auch die Verkaufspläne für Schenker, die die Bahn in der Vergangenheit immer wieder hegte, scheitertet zuletzt 2016 als die Schuldenlast des Mutterkonzerns aus den Fugen zu geraten drohte. Damals hatte der Bund den Konzern mit einer Milliarden-Kapitalspritze versorgt und die Dividenden gesenkt, um einen Börsengang von Schenker abzuwenden.
Arbeit von Schenker-CFO Oliver Seidl zahlt sich aus
Ein neuer Anlauf für einen Börsengang wäre durchaus denkbar, zumal sich die Logistiktochter, die seit 2002 zur Bahn gehört, zuletzt besser entwickelte: 2017 erzielte der Konzern mit 16,4 Milliarden Euro einen Rekordumsatz, das Ergebnis legte sogar um 16 Prozent auf 477 Millionen Euro zu. Im ersten Halbjahr setzte sich die positive Entwicklung fort.
Die Arbeit des Managementteams um CFO Oliver Seidl, der 2016 noch in der Hoffnung auf einen IPO bei Schenker angeheuerte hatte, macht sich offenbar bezahlt. „Schenker hat sich in den vergangenen zehn Jahren eher seitwärts entwickelt“ räumte Seidl im Sommer 2018 im Interview mit FINANCE ein. Um das zu ändern wurde ein umfangreiches Transformationsprojekt aufgelegt, das unter anderem eine stärkere Zentralisierung der Organisation vorsieht, wie Seidl verriet.
Entschieden ist allerdings noch nichts: Derweil herrscht offenbar Uneinigkeit unter dem Bahn-Vorstand und den Verkehrspolitkern darüber, welcher Spartenverkauf mehr Sinn ergeben würde. CEO Lutz und seine Kollegen tendieren scheinbar zur Trennung von Arriva, die Politik hingegen zum Verkauf von Schenker.