Diese Nachricht kommt überraschend: Wilfried Verstraete, CEO von Euler Hermes, kündigt seinen Abschied zum Jahresende an. Die Entscheidung sei ihm nach zwölf Jahren bei Euler Hermes schwergefallen, schreibt er in einem Brief an Geschäftspartner, der FINANCE vorliegt. Mit 61 habe Verstraete ein Alter erreicht, in dem im Allianz-Konzern üblicherweise die Managerkarrieren enden, heißt es aus dem Unternehmen.
Seine Nachfolge soll ab Anfang Januar 2021 Clarisse Kopff übernehmen. Die Managerin kennt den Kreditversicherer gut, weil sie bereits 16 Jahre für Euler Hermes gearbeitet hatte, bevor sie 2018 zu Allianz France wechselte. Die französische Tochter des deutschen Versicherungskonzerns ist die Muttergesellschaft von Euler Hermes. Verstraete soll auf Wunsch des Eigentümers die neue Chefin Kopff aber noch eine Weile beraten.
„Fehlendes Kundenverständnis“ bei Euler Hermes?
Auch wenn Euler Hermes bei dem Wechsel auf Kontinuität setzt, fällt er in eine schwierige Phase. Die Coronakrise setzt dem Warenkreditversicherer zu. Verstraete selbst vergleicht die jetzige Phase in seinem Brief mit der Zeit seines Antritts im Jahr 2009, als die Weltfinanzkrise tobte. In seinem Brief erinnert er auch an seinen damaligen Aufruf, trotz der Umstände „kundenzentriert“ zu arbeiten. Fehlendes Kundenverständnis wird Euler Hermes aber ausgerechnet jetzt vorgehalten.
Wie die FINANCE-Schwesterpublikation „DerTreasurer“ Ende August herausfand, wollte der Warenkreditversicherer einer erheblichen Anzahl seiner Kunden den Versicherungsschutz kappen. Aus einem Brief an Makler ging damals hervor, dass der Versicherer „in Kürze“ den Versicherungsschutz für Unternehmen, „deren Bonität uns schwach erscheint, in ein befristetes Limit mit Ablauf zum 31. Dezember 2020“ zurücknehmen wird. Euler Hermes sicherte sich damit gegen das Auslaufen des Schutzschirms für Warenkreditversicherer ab, den der Bund wegen der Coronakrise Mitte April aufgespannt hatte.
Euler Hermes lässt Ankündigung Taten folgen
Euler Hermes
Nach neueren Informationen von „DerTreasurer“ hat Euler Hermes seiner Ankündigung inzwischen Taten folgen lassen. Der Warenkreditversicherer hat in vergangenen Wochen tatsächlich den Versicherungsschutz für zahlreiche Unternehmen „mit schwachen Bonitäten“ bis zum Jahresende befristet.
Dabei hat sich gezeigt, was genau Euler Hermes unter „schwachen Bonitäten“ versteht. Vor allem bei Kunden der Risikoklassifizierung „6 und schlechter“ würden Limite befristet, beschrieb Fabian Sarafin, Geschäftsstellenleiter des Kreditversicherungsmaklers GFL, gegenüber dem FINANCE-Schwestermagazin die Entwicklung. Die Risikoklassifizierung von Euler Hermes reicht von 1 (sehr gut) bis 10 (sehr schlecht).
Nun muss die 47-jährige Clarisse Kopff den Konzern durch das schwierige Fahrwasser steuern, das neben der Coronakrise auch durch den entstandenen Reputationsschaden aufgewühlt wird. Die diplomierte Kauffrau und verfügt über einen Abschluss der École Supérieure de Commerce de Paris (ESCP) und der Universität Paris Dauphine. Kopff begann ihre berufliche Laufbahn in der Kreditprüfung bei Lehman Brothers in London und arbeitete dann als Wirtschaftsprüferin bei PricewaterhouseCoopers in Paris, bevor sie 2001 als Controllerin in die französische Niederlassung von Euler Hermes in Paris kam. Dort durchlief sie zahlreiche Positionen im Finanzbereich.
Markus Dentz ist Chefredakteur von FINANCE und der Fachzeitschrift DerTreasurer. Seine journalistischen Schwerpunktthemen sind Unternehmensfinanzierung, Restrukturierung und Treasury. Nach dem Studium und dem Volontariat beim F.A.Z.-Institut stieß Dentz zur FRANKFURT BUSINESS MEDIA GmbH, einer Tochter der F.A.Z.-Verlagsgruppe und Herausgeberin von DerTreasurer und FINANCE. Mehrfach wurden seine Artikel aus den Bereichen Private Equity und M&A mit Journalistenpreisen ausgezeichnet.