Was für die Unternehmen zur Bedrohung wird, bietet Distressed-Assets-Investoren neue Gelegenheiten: Das Coronavirus treibt die Zahl der Restrukturierungs- und Sanierungsfälle massiv in die Höhe. Schuldtitel von Unternehmen, die bis vor kurzem noch grundsolide waren, werden auf einmal mit massiven Abschlägen gehandelt.
Wie man damit umgehen sollte, diskutierten die Teilnehmer der 14. Distressed-Assets-Konferenz am 25. März. Und das – aufgrund von Corona – völlig virtuell. Auch wenn die Meinung über den richtigen Einstiegszeitpunkt und die richtige Assetklasse auseinandergingen, zeigten sich die Teilnehmer bei einer TED-Umfrage jedenfalls einig: 77 Prozent gehen davon aus, dass es künftig mehr Aktivität am Distressed-Assets-Markt geben wird.
Chancen für Distressed-Investoren
Wo sich Chancen ergeben, hängt allerdings stark von der Branche ab, wie die Diskussionsrunde um Marc Böttger (Hidden Peak Capital), Florian Kawohl (Bayside Capital), Oskar von Kretschmann (HSBC) und Jörg Tybussek (Alteri Investors) zeigte. Vieles hängt nach Einschätzung der Experten auch davon ab, wie lange die Krise anhält: Kommt es zu einer V-förmigen Erholung nach kurzer Zeit? Oder wird es doch eher eine U-Kurve? Ist die Krise erst ausgestanden, werden manche Branchen auf schnelle Erholungseffekte hoffen dürfen, etwa Luftfahrt oder der Reisebereich. Auf die Automobilbranche werden jedoch harte Zeiten zukommen, erwarten die Experten, was aber mit den ohnehin schon laufenden strukturellen Veränderungen zusammenhängt.
Auch bleiben die Investoren trotz massiven Preisverfall an den Finanzmärkten preissensibel. „Wenn ein Kredit heute zu 75 Prozent des Nennwerts zu haben ist, hofft man dennoch auf einen niedrigeren Preis.“ Sprich: Auch jetzt werden die Verhandlungen schwierig, wobei aus dem einstigen Verkäufermarkt quasi über Nacht ein Käufermarkt geworden ist.
Distressed Assets: Wer restrukturiert noch?
Fragten sich die Teilnehmer in den vergangenen Jahren noch: „Wo bleiben die Deals?“ bieten sich nun so viele Investment-Möglichkeiten wie lange nicht mehr – die Teilnehmer zogen Vergleiche zur Zeit nach der Lehman-Pleite 2008. Allerdings stuften sie die aktuelle Krise als noch heftiger ein, weil sie nicht von den Banken, sondern von der Realwirtschaft ausgeht – damals sprang die Bankenkrise erst mit etwas Zeitverzug auf die Realwirtschaft über.
Doch während die Distressed-Fälle gestiegen sind, ist die Zahl der Restrukturierer gleich geblieben – in einigen Banken wurden in den zurückliegenden Jahren des Aufschwungs die Workout-Units sogar deutlich ausgedünnt und zentralisiert, wie etwa das Restrukturierungsbarometer von FINANCE zeigt.
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Der Schrumpfkurs könnte sich jetzt rächen, wie die zweite Diskussionsrunde um Thomas Dohrmann (NordLB), Lars Hengsberger (ComPart Consulting), Peter Mauritz (Prolimity Capital Partners) und Steffen Reusch (BDO Restructuring) zeigte. Diese Gemengelage kann sich für betroffene Unternehmen zum Nachteil entwickeln: 46 Prozent der virtuellen Teilnehmer gehen laut TED-Umfrage davon aus, dass die Restrukturierungschancen für betroffene Unternehmen durch den Mangel an Experten sinken.
Chancen und Risiken von Cash Pooling
Gerade in Krisenzeiten rückt bei Unternehmen die Innenfinanzierung in den Blick. Für Schlagzeilen sorgte vor kurzem die Insolvenz von Thomas Cook, bei der die deutsche Tochter Condor – nach eigenen Angaben – unverschuldet in den Abwärtssog der Mutter gerissen wurde. Der Fall warf ein Schlaglicht auf die Risiken, die mit Innenfinanzierungen wie Cashpools verbunden sind und die Alexandra Schluck-Amend von der Kanzlei CMS Hasche Sigle in ihrem Vortrag aufzeigte: Wer haftet beispielsweise, wenn die Gesellschaft das in den Cash Pool eingezahlte Geld nicht zurückbekommt? Über Stolperfallen und Haftungsrisiken klärte die Juristin die Teilnehmer auf.
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Mit Spannung erwartet wird die Umsetzung der präventiven Sanierung, die den Werkzeugkasten der Restrukturierer von 2021 an erweitern soll. Eine besondere Rolle kommt dabei den Restrukturierungsbeauftragten zu, wie Maximilian Pluta, Geschäftsführer der Kanzlei Pluta, in seinem Vortrag erklärte. Er führte aus, wie der Restrukturierungsplan nach deutschen Recht aussehen könnte.
Schaltbau hat bereits restrukturiert
Über den konkreten Umgang mit einer Krise berichtete Schaltbau-CFO Thomas Dippold. Rund zwei Jahre steckte der Verkehrstechnikkonzern in einer Restrukturierung und hat schließlich mit einer Neuaufstellung der Finanzierung und dem Verkauf von Unternehmensteilen die Wende geschafft, wie der Finanzchef berichtete. Seit Juli 2019 hat Schaltbau die Restrukturierung abgeschlossen. Die in der Restrukturierungsphase geschaffenen Strukturen seien nun eine wichtige Voraussetzung, um den Herausforderungen durch die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie begegnen zu können, betonte der Finanzchef.
Eine nicht ganz alltägliche Lösung fand im Zuge der Restrukturierung der Zeltbauer Losberger de Boer: Dort kam eine Lender-led Solution zum Tragen, bei der die Gläubigerbanken den PE-Eigentümer Gilde herausdrängten. Was die Krisenursachen waren und wie die Diskussionen mit Investor und Gläubigern liefen, berichtete Nicolas Reinhart im Gespräch. Reinhart begleitete die Entwicklungen von Mitte 2018 bis Februar 2020 als CFO und ist derzeit noch als Berater des Unternehmens tätig. Die Lender-led Solution sei zwar ungewöhnlich, aber in der Situation des Unternehmens die wirtschaftlich sinnvollste Lösung gewesen, berichtete er im Interview mit FINANCE-Chefredakteur Markus Dentz. Die befragten Teilnehmer konnten sich in einer TED-Umfrage durchaus vorstellen, dass Lender-led Solutions infolge der Coronakrise jetzt häufiger zum Einsatz kommen.
Dass kluge Restrukturierungskonzepte in den kommenden Monaten gefragt sein werden, liegt für die Teilnehmer auf der Hand: 70 Prozent erwarten, dass die negativen wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie eine schwerere Krise auslösen könnten, als es die Finanzkrise 2008/2009 war. Wie heftig die Entwicklungen genau ausfallen, wird sicher Teil der Diskussionen der Distressed-Assets-Konferenz im Frühjahr 2021 sein.
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