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Deag kämpft um Nürburgring-Millionen

Nach dem verlustreichen Festivalexperiment am Nürburgring kämpft die Deag vor Gericht um Millionen. Der Geschäftspartner CNG will nicht zahlen, doch die Versicherung Gothaer könnte für einen Teil der Verluste aufkommen.
Eloi_Omella/iStock/Thinkstock/Getty Images

Die Deutsche Entertainment AG (Deag) kämpft um die finanzielle Wiedergutmachung des Schadens, der Deutschlands größtem Konzertveranstalter im vergangenen Jahr mit einem geplatzten Rockfestival am Nürburgring entstanden ist. Insgesamt verlor die Deag mit ihren Rockfestivals 2015 mehr als 23 Millionen Euro, und das bei einem Konzernumsatz von lediglich 200 Millionen Euro.

Der Großteil der Festivalverluste geht auf das Konto des Rockfestivals „Grüne Hölle“, das eigentlich am Nürburgring stattfinden sollte, dann aber kurzfristig in die Veltins-Arena nach Gelsenkirchen verlegt wurde und dort floppte. Seitdem streitet die Deag vor Gericht um die verlorenen Gelder: Rund drei Viertel der entstandenen Verluste fordern die Berliner von ihren Geschäftspartnern auf dem Rechtsweg zurück. Wie sich jetzt abzeichnet, sind die Erfolgsaussichten der einzelnen Klagen sehr unterschiedlich.

Am Nürburgring begegnet die Deag einem russischen Oligarchen

Zum Stand der Verfahren gibt das Unternehmen offiziell keine Auskunft. Wie FINANCE aber erfahren hat, entwickeln sich die beiden Prozesse, die die Deag angestrengt hat, in unterschiedliche Richtungen. Schlecht sieht es Beobachtern zufolge wohl bei dem größeren der beiden Verfahren aus, in dem es um rund 10 Millionen Euro geht: Diese Klage richtet sich gegen die Firma Capricorn Nürburgring (CNG), eine frühere Tochter des kurzzeitigen Nürburgring-Eigentümers Capricorn. Die CNG hatte gemeinsam mit der Deag das „Grüne Hölle“-Festival aus der Taufe gehoben. Die Deag wirft dem Unternehmen vor, vertraglich zugesicherte Leistungen nicht erbracht zu haben.

Verkompliziert wird die Lage für die Deag durch den Wechsel im Gesellschafterkreis der Capricorn Nürburgring Besitzgesellschaft, der Muttergesellschaft der CNG. Dort stieg Ende 2014 der russische Unternehmer Wiktor Charitonin ein. Seit diesem April hält er mehr als 99 Prozent der Anteile und kontrolliert damit auch den Prozessgegner der Deag, die CNG.

Für die Deag verheißt das nichts Gutes, denn sie erhebt ihre Forderungen nun indirekt gegen den russischen Oligarchen. In den Augen von Unternehmensbeobachtern hat dies die Chancen der Berliner, ihre Schadensersatzansprüche von 10 Millionen Euro gegen die CNG tatsächlich durchzusetzen, deutlich gesenkt – selbst wenn das Gericht der Rechtsauffassung des börsennotierten Entertainment-Konzerns folgen sollte. Wird die CNG verurteilt, könnte Charitonin die zur Altlast gewordene Tochter CNG mit juristischen Kniffen womöglich in die Insolvenz schicken, und der Kläger Deag ginge leer aus – diese Sorge kursiert zumindest im Umfeld der Deag.

Klage gegen die Gothaer Versicherung könnte in Vergleich enden

Besser sieht es in einem zweiten Gerichtsverfahren aus. Darin macht die Deag gegenüber dem Versicherungskonzern Gothaer eine Summe von 7,5 Millionen Euro geltend. Bei der Gothaer hatte sich das Unternehmen gegen Schäden versichert, die durch Vertragsbruch entstehen. Am Nürburgring ist dies nach Ansicht der Deag geschehen, da die CNG sich der Deag zufolge nicht angemessen beim Ticketverkauf engagiert und anschließend geweigert haben soll, die Hälfte der Verluste zu übernehmen. Dies sei laut Deag vereinbart gewesen.

FINANCE-Informationen zufolge hat die Deag in diesem Verfahren eine gute Rechtsposition. Strittig ist offenbar vor allem, ob die Gothaer selbst haftet oder ein Versicherungsmakler, der den Deal abgeschlossen hat, angeblich im Auftrag der Gothaer. Siegt die Deag vor Gericht, bekäme sie ihr Geld entweder von der Gothaer oder von der Haftpflichtversicherung des eingeschalteten Maklers, so zumindest die Theorie. Da die Klärung der Haftungsfrage aber lange dauern kann, ist es gut denkbar, dass die Deag einen Vergleich anstrebt. Dann würde den Berlinern zwar ein Teil der geforderten 7,5 Millionen Euro entgehen, aber immerhin könnten sie die Akte Gothaer dann in diesem oder im kommenden Geschäftsjahr schließen und die Vergleichssumme als Sonderertrag verbuchen.

Deag-Chef Peter Schwenkow verspricht Millionengewinne

Obwohl es derzeit so aussieht, als ob die Deag auf einem erheblichen Teil ihrer Nürburgringverluste sitzen bleiben dürfte, verteidigt Firmenchef Peter Schwenkow den Eintritt in das Festivalgeschäft vehement: „Wir streben in unserem bisherigen Kerngeschäft eine Ebit-Marge von mindestens 6 bis 8 Prozent an. Das gilt auch für die Festivals“, sagte er im Gespräch mit FINANCE.

In der Tat hat sich die Lage nach dem bitteren Debütjahr gebessert. Häufte die Deag mit ihren Festivals im Geschäftsjahr 2015 noch einen Verlust von über 23 Millionen Euro an, sanken die Verluste des neuen Geschäftsbereichs in den ersten sechs Monaten 2016 offenbar deutlich. Die Deag liefert in ihrem Halbjahresbericht zwar nur Andeutungen, aber diese lassen darauf schließen, dass sich die Verluste auf eine Größenordnung von knapp 4,5 Millionen Euro reduziert haben könnten. „Zum 31.12.2015 wurde im Zusammenhang mit den Rockfestivals eine Risikovorsorge über 4 Millionen Euro gebildet“, schreibt die Deag in ihrem Halbjahresbericht, und ergänzt: „Nun mussten noch Nachlaufkosten in Höhe von 344.000 Euro zusätzlich verbucht werden.“ Alle Festivals, die für das laufende Geschäftsjahr relevant sind, haben bereits stattgefunden und sind abgerechnet.

Das Vorhaben, auch im Ruhrgebiet – dem Ausweichstandort des Nürburgring-Events – ein Festival zu etablieren, ist jedoch endgültig gescheitert. Eine Neuauflage im kommenden Jahr wird es nicht geben, sagte Schwenkow gegenüber FINANCE. 2017 will er nur drei Festivals ausrichten. Jedes von ihnen sei  mittelfristig aber für einen Gewinn vor Zinsen und Steuern (Ebit) von mindestens 2,5 Millionen Euro gut.

„Wenn man diesen möglichen Gewinn in Relation zu den Anlaufverlusten stellt, erkennt man, dass diese nicht ungewöhnlich hoch sind“, verteidigt sich Schwenkow – und relativiert die Anlaufverluste auch mit einem Vergleich zum M&A-Markt: „Wenn wir die Festivals in Wien, München und der Schweiz über eine M&A-Transaktion gekauft hätten – was nicht möglich ist –, hätten wir sicherlich eher 40 bis 50 als 23 Millionen Euro investieren müssen.“

Eigenkapitalquote der Deag stark gesunken

Bei allem zur Schau gestellten Optimismus ist jedoch problematisch, dass die hohen Verluste, die der Konzertveranstalter am Nürburgring eingefahren hat, schwer auf der Bilanz lasten: Die Eigenkapitalquote der Deag ist zum Halbjahr 2016 auf nur noch 16,5 Prozent gefallen. Ende 2014 – vor dem Aufbau des Festivalgeschäfts – hatte sie noch 30 Prozent erreicht. Für ein Unternehmen, das zur Erzielung seiner Erträge hohe Vorleistungen erbringen muss, ist eine starke Bilanz aber Pflicht.

Der erst im März neu angetretene CFO Ralph Quellmalz hat bereits damit begonnen, gegenzusteuern: Im Juni und Juli platzierte die Deag eine Wandelanleihe über insgesamt 5,1 Millionen Euro – nur ein Bruchteil der Erlöse aus dieser Finanzierung wurde bereits in der Halbjahresbilanz gebucht. Und die zu erwartenden Gewinne im zweiten Halbjahr sollten dazu führen, dass sich die Eigenkapitalquote der Deag bis zum Jahresende wieder auf über 20 Prozent erholt – auch ohne mögliche positive Sondereffekte aus den laufenden Nürburgringverfahren.

Für die Zeit danach stellt Schwenkow seinen Investoren eine Immobilientransaktion in Aussicht, die das Format hätte, die Deag finanzseitig wieder deutlich stärker aufzustellen. Die Deag hat gemeinsam mit einem Joint-Venture-Partner damit begonnen, die Grundstücke rund um die im Vorjahr verkaufte Frankfurter Jahrhunderthalle zu entwickeln. „Wenn wir damit fertig sind und dieses Projekt verkaufen, rechnen wir mit Verkaufserlösen und Ergebnisbeiträgen für die Deag im zweistelligen Millionen-Euro-Bereich“, erwartet Schwenkow. Ihm zufolge könnte die Transaktion schon im nächsten Jahr über die Bühne gehen.