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Eigenverwaltung: CFOs haften wie Insolvenzverwalter

Der BGH in Karlsruhe nimmt Geschäftsführer in der Eigenverwaltung stärker in die Pflicht.
Joe Miletzki

Rickmers, Beate Uhse, Bavaria Yachtbau – die Zahl der Unternehmen, die sich in Eigenregie sanieren wollen, wächst. Die CFOs dieser Firmen sollten sich allerdings der Risiken dieses Insolvenzverfahrens bewusst sein. Denn der Bundesgerichtshof hat vor Kurzem entschieden, dass Geschäftsführer von Unternehmen in Eigenverwaltung letztlich wie Insolvenzverwalter zu handeln haben.

Konkret bedeutet das: CFOs und andere Manager mit Organhaftung haften künftig auch gegenüber den Gläubigern des Unternehmens für etwaige Pflichtverletzungen. Die Geschäftsführer gesunder Unternehmen können dagegen nur von den Gesellschaftern für mögliche Versäumnisse finanziell belangt werden. „Das persönliche Risiko für die betroffenen Geschäftsführer in Eigenverwaltungen steigt durch das Urteil also deutlich“, meint Alexander Reus, Rechtsanwalt und Sanierungsexperte bei anchor Rechtsanwälte. 

Ohne Insolvenzerfahrung wird es brenzlig

Bislang gab es unterschiedliche Deutungen, wie weit die Haftung der Geschäftsführer in der Eigenverwaltung geht, gesetzlich geregelt ist die Frage nicht. Mit dem BGH-Urteil haben die Betroffenen nun mehr Klarheit – allerdings zu ihrem Nachteil. Gerade CFOs, die zum ersten Mal ein Eigenverwaltungsverfahren mitmachen, gehen damit nun ein hohes Risiko ein. Denn ein insolventes Unternehmen muss anders gemanagt werden als ein zahlungsfähiges.

„Das persönliche Risiko für Geschäftsführer in Eigenverwaltungen steigt durch das Urteil deutlich.“

Alexander Reus, Rechtsanwalt und Sanierungsexperte bei anchor Rechtsanwälte

Beispiel unbezahlte Waren im Lager: Im Normalfall ist es kein Problem, diese Produkte für das operative Geschäft zu verwenden. „Ein insolventes Unternehmen darf unbezahlte Ware nicht einfach entnehmen, da die Entnahme eigentlich wie ein neuer Einkauf zu behandeln ist“, sagt der Sanierungsexperte. Die Geschäftsführer müssen sicherstellen, dass diese bezahlt werden kann und dies entsprechend in der Liquiditätsplanung berücksichtigen. „Wird das vergessen und kann die Ware später nicht bezahlt werden oder erhält das Unternehmen auf Basis dieser unvollständigen Liquiditätsplanung beispielsweise einen Massekredit bei der Bank, dann können daraus ebenfalls Schadensersatzansprüche entstehen“, erklärt Reus. 

Berater dürften von BGH-Urteil profitieren

Dass Reus das BGH-Urteil begrüßt, ist deshalb nicht frei von Eigeninteresse: Der Beratungsbedarf der Unternehmen und insbesondere der Geschäftsführer rund um die Vorschriften der Insolvenzordnung dürfte in Folge der Gerichtsentscheidung steigen.

Reus rät allen Unternehmen in Eigenverwaltung, einen Insolvenzexperten als Geschäftsführer an Bord zu holen: „Dadurch sinkt die Wahrscheinlichkeit, dass solche Fehler passieren.“ Sollte es doch Versäumnisse geben, wären die anderen Geschäftsführer zwar nicht raus aus der Haftung, wie der Rechtsanwalt einräumt: „Sie könnten den Sanierungsgeschäftsführer aber in Regress nehmen.“ Je nach Vertragsgestaltung könne das auch für einen externen Berater oder einen Generalbevollmächtigten gelten.

Keine Prävention, dafür aber Schutz im Nachhinein bieten zudem D&O-Versicherungen. Viele große Versicherer haben mit der Einführung der Insolvenz in Eigenverwaltung im Rahmen der ESUG-Reformen vor sechs Jahren ihre Policen angepasst. Trotzdem mahnt Anwalt Reus mit Hinblick auf die Deckungssumme zur Vorsicht: „Möglicherweise ist die D&O-Versicherung bereits durch unerkannte Verfehlungen im Vorfeld ausgeschöpft etwa bei zu später Insolvenzantragstellung.“ Daher empfiehlt Reus, für die Eigenverwaltungen eine eigene D&O-Versicherung abzuschließen. 

Weniger Verfahren in Eigenverwaltung?

Ist das BGH-Urteil nun förderlich oder hinderlich für die Sanierung des Unternehmens? Dazu gibt es unterschiedliche Meinungen. Einerseits wissen Kunden und Lieferanten von insolventen Unternehmen in der Eigenverwaltung, dass die Geschäftsführer für die Einhaltung ihrer Rechte künftig haften müssen. „Das erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass sie sich an der Restrukturierung beteiligen“, glaubt Reus.

Andererseits dürfte es künftig weniger Geschäftsführer geben, die bereit sind, dieses Haftungsrisiko auf sich zu nehmen. Womöglich wählen daher künftig weniger Unternehmen den Schritt in die Eigenverwaltung.

desiree.backhaus[at]finance-magazin.de

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