Hartes Urteil für Windreich-Gründer Willi Balz: Im Strafprozess um die Insolvenz des Windpark-Entwicklers Windreich wurde der 60-Jährige zu vier Jahren und sechs Monaten Haft verurteilt. Das Landgericht Stuttgart sah es bei seinem Urteilsspruch am Mittwoch als erwiesen an, dass Balz sich unter anderem der vorsätzlichen Insolvenzverschleppung, des Betrugs, der Untreue, der veruntreuenden Unterschlagung und des Insiderhandels schuldig gemacht hat. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
Das Strafmaß fiel dabei besonders hoch aus. Das Gericht blieb beim Strafmaß nur geringfügig unter der Forderung der Staatsanwaltschaft, die für Balz fünf Jahre und drei Monate Haft beantragt hatte. Die Verteidigung hingegen forderte einen Freispruch für den Angeklagten.
Windreich meldete 2013 Insolvenz an
Die kuriose Geschichte um die Windreich-Pleite begann im September 2013. Damals meldete der Windkraftprojektierer Insolvenz wegen Überschuldung an und beantragte eine Sanierung in Eigenverwaltung. Das Schuldenkonto war rund 400 Millionen Euro schwer. Dazu gehörten auch zwei Mittelstandsanleihen in Höhe von 125 Millionen Euro.
Eine Insolvenzanmeldung an sich ist nichts außergewöhnliches, doch der Zeitpunkt dafür warf Fragen auf: Den Insolvenzantrag reichte Balz am Freitag, den 6. September ein. Öffentlich machte Windreich die Pleite aber erst am darauffolgenden Montag nach Börsenschluss. Das heißt, trotz der Insolvenz wurden die beiden Mittelstandsanleihen am Montag noch normal gehandelt. Weil Windreich kurz vorher noch das Börsensegment wechselte, vom BondM in den Freiverkehr, unterlag Windreich weniger strengen Publizitätsvorschriften.
Noch dubioser wirkt die verspätete Insolvenzanmeldung, wenn man einen Bericht der F.A.Z. von 2013 liest: Damals schrieb die Zeitung, dass schon vor „mindestens zehn Tagen“ ein Geschäftspartner mit Millionenforderungen Insolvenzantrag gegen Windreich beantragt habe. Balz konnte das Gericht jedoch vom Gegenteil überzeugen und beantragte selbst die Insolvenz. Sein Ziel war eine Insolvenz in Eigenverwaltung. Trotzdem musste Balz auf Drängen einiger Geschäftspartner und potentieller Investoren seinen Chefposten abgeben. Kurz vor der Pleite versprach Balz in einem FINANCE-Interview noch baldige Cash-Zuflüsse aus großen Offshore-Projekten.
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2017: erste Anklage gegen Balz
Das juristische Nachspiel begann kurz nach der Insolvenzmeldung: Insolvenzverschleppung war nur einer der Vorwürfe. Die erste Anklage gab es aber erst drei Jahre später. Mehrfache Insolvenzverschleppung, Betrug in Höhe von mehreren Millionen Euro, Bilanzfälschung, die Begünstigung von Gläubigern und Insiderhandel wurde dem Windparkbetreiber zu Lasten gelegt. Auf der Liste der Staatsanwaltschaft Stuttgart standen neben Balz noch sieben weitere Mitarbeiter. Gegen diese wurde das im August 2019 begonnene Verfahren im Laufe der Zeit eingestellt.
Balz, der auch nach der Insolvenz verbissen um Windreich kämpfte und sich immer wieder in die Verwertung der Insolvenzmasse einmischte, wies damals – wie auch heute noch – alle Vorwürfe von sich. Gegenüber der Nachrichtenagentur Dpa sagte er 2017, dass er eine Verschwörung früherer Gläubiger witterte. Seine Firma sei nie zahlungsunfähig gewesen, behauptete er.
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Alle Hintergründe zum Aufstieg und Fall des Windkraftpioniers und die undurchsichtige Rolle von Willi Balz finden Sie auf unserer FINANCE-Themenseite zu Windreich. Weitere Insolvenzfälle finden Sie auf unserer Themenseite Insolvenz.
Sarah Backhaus ist Redakteurin bei FINANCE und DerTreasurer. Sie hat Journalismus an der Hochschule für Medien, Kommunikation und Wirtschaft in Köln studiert. Sarah Backhaus arbeitete während ihres Studiums unter anderem für Onlinemagazine von Gruner + Jahr und schrieb als freie Journalisten für die Handelszeitung, faz.net und Impulse.