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FCK-Finanzchef: „In der Dritten Liga wird es schwer“

Ist der FCK noch zu retten? Das große FINANCE-Interview mit dem scheidenden Finanzchef Michael Klatt
Andreas Erb

Dass der 1. FC Kaiserslautern den Sommer überstand, ohne Insolvenz anmelden zu müssen, grenzte an ein kleines Wunder. Der Abstieg aus der Zweiten Bundesliga 2018 hatte die ohnehin prekäre Finanzsituation des Traditionsklubs noch einmal entschieden zugespitzt. Die Einnahmen brachen ein, gleichzeitig musste im August dieses Jahres eine Fananleihe von über 6 Millionen Euro zurückgezahlt werden. Mit verschiedenen Finanzierungsinstrumenten – einer Verlängerung der Anleihe, einer neuen Anleihe und einem Crowdlending – schaffte es Finanzchef Michael Klatt jedoch, den FCK über Wasser zu halten.

Nun steht mit Flavio Becca ein möglicher Investor bereit. Der Luxemburger Unternehmer plant, über fünf Jahre rund 25 Millionen Euro in den Verein zu investieren und hofft, den FCK damit wieder in die Bundesliga zu führen. Doch weil den Verein immer neue Querelen erschüttern, zögert Becca  – und zum Jahresende steigt jetzt auch noch Finanzchef Klatt aus. Mit FINANCE sprach der scheidende CFO über die hohen Hürden bei der Finanzierung von Fußballklubs im Allgemeinen und die Finanzlage der Roten Teufel im Speziellen.

Michael Klatt bemängelt Unruhe beim FCK

Herr Klatt, vor einem Jahr hat der FCK seine Profiabteilung in eine eigene Kapitalgesellschaft ausgegliedert, die 1. FC Kaiserslautern GmbH & Co. KGaA. 92 Prozent der Mitglieder votierten damals dafür. Trotzdem formieren sich nun Stimmen gegen den möglichen Investor Flavio Becca. Warum?
Aus meiner Sicht liegt das an der Veränderung der Organisationsform. Das Ziel, Geld zu generieren, damit der Verein wirtschaftlich besser dasteht und sportlich wieder erfolgreicher sein kann, teilen viele. Dies erklärt die hohe Zustimmung für ein mehr oder weniger abstraktes Ziel. Offenbar gibt es aber unterschiedliche Vorstellungen darüber, wie genau man dieses Ziel erreicht.

Wie kommt das?
Nach meinem Erleben haben sich viele nicht mit den Konsequenzen beschäftigt, die eine Ausgliederung strukturell mit sich bringt. Und ich glaube auch, dass – nachdem uns Flavio Becca für die Lizenz sehr schnell geholfen hat – es nun manchen irritiert, dass es vergleichsweise lange dauert, bis sein Engagement für den Verein zu neuem Eigenkapital führt. Dass der Prozess sich zieht, hängt wohl auch damit zusammen, dass wir von Burgfrieden zu Burgfrieden eiern.

„Wir eiern von Burgfrieden zu Burgfrieden.“

Der FCK steckt in einer Führungskrise: Seit dem Frühjahr sind sechs Aufsichtsratsmitglieder und zwei Vorstände des Vereins zurückgetreten. Mit Ihnen als kaufmännischem und Martin Bader als Sportchef verliert die operativ steuernde 1. FC Kaiserslautern Management GmbH zum 31. Dezember auch noch ihre zwei Geschäftsführer.

Es ist logisch, dass der, der sein Geld investiert, Stabilität und Ruhe sucht. Das können wir im Augenblick nicht bieten. Insofern habe ich Verständnis dafür, dass sich der Investor auch hinsichtlich der Mitgliederversammlung, die am 1. Dezember stattfinden wird, abwartend positioniert.

Warum es beim FCK so chaotisch ist

Was raten Sie Investoren, die in einen Traditionsverein wie den FCK investieren möchten?
Wer in einen Fußballverein investiert, braucht einen langen Atem. Er muss viel aushalten können und mit Krisen klarkommen. Das sportliche Ergebnis ist nur bedingt plan- und vorhersehbar. Zur Langfristigkeit gehört auch, eine Vision zu haben und fußballbegeistert zu sein. Ein Fußballverein ist ja kein Private-Equity-Unternehmen, es geht in hohem Maße um Emotion. Zudem sollten die Zuständigkeiten klar sein. Das gilt für den Investor genauso wie für die Akteure des Vereins. Natürlich ist es legitim, wenn ein Investor mitwirkt. Die operative Verantwortung tragen in der Regel aber andere.

Im Augenblick geben beim FCK die Funktionäre ein Bild ab, als wüssten sie nicht, wer wofür zuständig ist…
Das Thema Governance war schon in der Vergangenheit ein großes Problem beim FCK. Doch mit der Ausgliederung haben sich die Strukturen mehr als verdoppelt, und mit jeder neuen Gesellschaft hat die Komplexität noch weiter zugenommen. In Unternehmen führen Organisationsveränderungen immer zu besonderen Herausforderungen, das ist nichts Untypisches. Nur: Dort ist in der Regel das Management damit befasst, die neue Situation auszutarieren und zu kommunizieren. In einem Verein wie dem FCK agieren 18.000 Mitglieder in verschiedenen Abteilungen sowie diversen Gremien. Sich dort zurecht zu finden, braucht Zeit.

Seit 2016 sind Sie beim FCK, erst als CFO, dann als Vorstandvorsitzender, nun als kaufmännischer Geschäftsführer. Warum verlassen Sie den Klub?
Mir war 2016 klar, dass es unter den gegebenen Finanzbedingungen beim FCK ein Husarenritt werden würde. Ich hatte Lust, diese Herausforderung anzunehmen. Bei allen finanziellen Belastungen, die den FCK bedrücken, habe ich immer wieder erleben dürfen, welch unerschöpfliche Ressourcen er hat. Der FCK hat Potentiale wie nur wenige andere Klubs, etwa was die Fantreue mit rund 20.000 Zuschauern pro Drittligapartie betrifft.

Allerdings steht sich der Verein bisweilen selbst im Weg. Das Hangeln von Burgfrieden zu Burgfrieden lähmt. Nach gut vier Jahren kann ich für mich leider nicht erkennen, dass diese massive Unruhe eingedämmt werden kann. Mein Rückzug kommt zu einem Zeitpunkt, zu dem die Lizenz für die laufende Saison gesichert ist und meine Nachfolger darauf aufbauen können.

„Der FCK hat Potentiale wie nur wenige andere Klubs, allen voran die Fantreue.“

Der Unternehmenswert des FCK schwankt

Sie selbst standen für das „Vier-Säulen-Modell“, das neben einem Ankerinvestor, regionalen Investoren und stillen Gesellschaftern auch den Fans und Mitgliedern eine gewichtige Rolle als Anteilseigner an dem ausgegliederten Profibetrieb einräumt. Ihnen wird jedoch angekreidet, dass die Säule für Fans und Mitglieder immer noch nicht „offen“ ist.
Dafür ursächlich ist die Frage der Unternehmensbewertung. Es dauerte eben länger als vorgesehen, diese mit dem Hauptinvestor final zu klären. Zweitens konnten wir die zweite Anleihe und das Crowdlending deutlich sicherer für die Kapitalgeber auflegen. Eine Eigenkapitaleinzahlung birgt das größte Risiko eines Ausfalls. Hier war es am FCK-Management, die Frage zu beantworten, welches Risiko es Kleinstaktionären zumuten will.

Das Risiko ist ohne Frage hoch: Anfangs wurde der Unternehmenswert des FCK auf 120 Millionen Euro geschätzt, am Ende festgelegt wurden aber lediglich 45 Millionen. Bei der Mitgliederversammlung zur Ausgliederung sprachen Sie davon, durch den Verkauf von Anteilen 50 Millionen Euro generieren zu wollen. Das geht bei einem Vereinswert von 45 Millionen Euro nun nicht mehr. Wie passt das alles zusammen?
Der Vereinswert von 45 Millionen Euro gilt nur für die Dritte Liga. In unserem bisherigen Businessplan, der auf fünf Jahre ausgelegt ist, ist bei Aufstiegen in höhere Klassen auch eine Erhöhung des Aktienwertes vorgesehen. Die Aussage, mindestens 50 Millionen Euro einnehmen zu wollen, bezog sich auf die erste Liga. So passt das zusammen. 

Diese Finanzierungen empfiehlt Michael Klatt

Das zeigt, wie vieldimensional die Thematik Fußballfinanzierung ist. Welche Finanzierungsinstrumente sind denn aus Ihrer Sicht für einen Fußballklub am passendsten?
Beim FCK hat man die Erfahrung gemacht, dass Fremdkapitalfinanzierung für einen Fußballklub – vor allem, wenn sie mit sportlichen Zielen verknüpft ist – ein hohes Risiko darstellt. Aus diesem Grund setzen wir mit der Ausgliederung ja gerade darauf, Eigenkapital und Investoren zu gewinnen. Nichtsdestotrotz haben wir festgestellt, dass ein Fußballverein bei der Fremdkapitalgewinnung sehr zielführend neue Technologien anwenden kann.

Mit einem Crowdlending über eine Internetplattform ist es uns gelungen, unsere Fanbasis anzusprechen. Die Handhabung war niedrigschwellig, eine kleine Stückelung mit überschaubarem Risiko war möglich. Die frühere Anleihe war da viel aufwendiger, sie erforderte ein Bafin-Prospekt und ein Wertpapierdepot. Mit dem Crowdlending haben wir 2.200 Anleger erreicht und in fünf Wochen rund 1 Million Euro eingenommen. Diese Form der Fremdkapitalaufnahme wird für Fußballklubs aus meiner Sicht in der Zukunft immer wichtiger werden. Sie ermöglicht es ihnen, das Potential ihrer „Follower“ zu aktivieren. Das unterscheidet Fußballvereine von unbekannteren Startups oder Mittelständlern.

Wenn man das Crowdlending, die zweite Anleihe, die Verlängerung der ersten und weitere Kredite zusammenzählt, ist diese Spielzeit beim FCK mit rund 12 Millionen Euro „auf Pump“ finanziert. Wie nachhaltig ist das?
Die Nachhaltigkeit ist abhängig vom sportlichen Erfolg. In der Dritten Liga sind die Finanzen für den FCK bei bestehenden Verträgen nicht zu stabilisieren.

Wieviel Geld braucht der 1.FC Kaiserlautern für die nächste Saison?
Abgesehen davon, dass wir die Betze-Anleihe, die in Zeiten aufgelegt wurde, als man in der Zweiten Liga spielte und eine realistische Perspektive auf die Bundesliga hatte, nun bedienen mussten, haben wir mithilfe von Flavio Becca unsere Finanzausstattung um rund 3 Millionen Euro verbessert. Dies ist ein Betrag, der sicher für die neue Saison auch hilfreich wäre. Der genaue Finanzbedarf ist allerdings nur schwer vorherzusagen. Er hängt von vielen Faktoren ab. Dazu zählen auch sportliche wie die Ergebnisse in den Pokalspielen oder die Kadersituation.

Ist der 1. FC Kaiserslautern noch zu retten?

Der FCK hat im Ligavergleich kein niedriges Spielerbudget. Dennoch steckt er im Abstiegskampf. Wie kommt’s?
Das ist die Gretchenfrage. In den vergangenen Jahren waren die Budgets immer sehr gut ausgestattet. Es muss also an anderen Dingen mangeln. Als CFO sind wir „enabler“ und setzen die finanziellen Rahmenbedingungen. Doch jenseits vom Geld sind offenbar auch weiche Faktoren bestimmend, wie der Umgang miteinander im Verein – auch bei Niederlagen.

In einer Phase des Wachstums ist es immer einfacher, eine positive Motivation zu entfachen. In einer Phase der Restrukturierung, die der FCK seit Jahren schmerzlich durchläuft, fällt dies ungleich schwerer. Eine chronische Unzufriedenheit beflügelt nicht zum Erfolg. Wer sich Ziele zu hoch steckt und sein Handeln danach ausrichtet, diese Vorgaben im Kerngeschäft aber regelmäßig verfehlt, der hat früher oder später zwangsläufig ein Finanzproblem. Da geht es dem FCK wie jeder anderen Firma.

„Eine chronische Unzufriedenheit beflügelt nicht zum Erfolg. Da geht es dem FCK wie jeder anderen Firma.“

Wäre es überhaupt zu schaffen, 2020/21 ein drittes Jahr in der Dritten Liga?
Es ist zu schaffen, doch jedes Jahr in der Dritten Liga bedeutet eine immense Herausforderung. Damit steht der FCK aber nicht alleine. Vielen Vereinen in der Liga geht es ähnlich.

andreas.erb[at]frankfurt-bm.com