Während Wirecard mit einem Bilanzskandal zu kämpfen hat, gibt es erste Profiteure in der Branche. So auch die Berliner Fintech-Schmiede Finleap, die einen neuen Geschäftsbereich aufbaut, der Unternehmen bei der digitalen Transformation unterstützen soll. Dafür rekrutiert Finleap sechs ehemalige Mitarbeiter des von dem Bilanzskandal gebeutelten Zahlungsdienstleisters, darunter auch Jörn Leongrande. Das bestätigte Finleap gegenüber FINANCE. Zuerst hatte die Nachrichtenagentur „Reuters“ darüber berichtet.
Der Manager leitete bei Wirecard seit Januar 2018 den Bereich Wirecard Innovation Labs und soll für Finleap nun die neue Einheit „Finleap Forward“ leiten. Auch die weiteren fünf Mitarbeiter waren zuvor mit Leongrande bei dem Innovationszentrum des insolventen Zahlungsdienstleisters tätig.
Finleap unterstützt Firmen bei digitaler Transformation
Die neue Einheit „Finleap Forward“ soll insbesondere Banken, Versicherungen und mittelständische Unternehmen bei der digitalen Transformation begleiten. Starten soll die Einheit in den nächsten Wochen, sagte ein Unternehmenssprecher gegenüber FINANCE. Unterstützen wolle Finleap die Unternehmen dann zum Beispiel mit Workshops zum Thema digitale Transformation.
„Die neue Business Unit ‚Finleap Forward‘ wird mit einem dedizierten Serviceangebot Unternehmen bei den Herausforderungen unterstützen, die die digitale Transformation stellt. Dabei geht es um gemeinsames Entwickeln von Produkten und Services mittels Design Sprints, MVPs (Minimum Viable Product) und anderen Methoden“, konkretisiert Florian Resatsch, Managing Director und Chief Build Officer von Finleap die Aufgabenbereiche der neuen Einheit.
Zurückgreifen wolle man für das neue Projekt auf die Expertise und das Netzwerk der gesamten Finleap-Gruppe, so Resatsch weiter. FInleap ist im Kern darauf spezialisiert, Fintechs und Insurtechs zu gründen und großzuziehen. Unter dem Dach der Berliner arbeiten unter anderem die Solarisbank und das Versicherungsportal Clark.
Staatsanwaltschaft nimmt CFO von Knoop in Visier
Dass Wirecard-Mitarbeiter sich nach einem neuen Job umsehen, ist nicht überraschend. Die Aufarbeitung des Bilanzskandals, der dadurch ausgelöst wurde, dass 1,9 Milliarden Euro auf Treuhandkonten nicht mehr auffindbar waren, setzt dem Konzern stark zu. Ex-Vorstandschef Markus Braun sitzt in Untersuchungshaft, der frühere COO Jan Marsalek ist flüchtig. Vom früheren Wirecard-Vorstand tätig sind aktuell nur noch Produktvorständin Susanne Steidl und Finanzchef Alexander von Knoop – letzterer wohl auch, um dem Insolvenzverwalter Michael Jaffé bei der Aufarbeitung der Zahlen zu helfen. Brauns Nachfolger James Freis kennt das Unternehmen noch kaum.
Einem Bericht des „Handelsblatts“ zufolge hat sich der Druck auf Alexander von Knoop noch einmal weiter erhöht: Gegen ihn werde nun wegen des Verdachts auf Untreue ermittelt. Laut dem Bericht habe von Knoop etwa noch im Februar dieses Jahres einen Kredit über 10 Millionen Euro an asiatische Partner freigezeichnet. Wegen mehrerer derartiger Überweisungen prüfe die Staatsanwaltschaft den Verdacht der Untreue, heißt es. Die Staatsanwaltschaft München wollte den „Handelsblatt“-Bericht gegenüber FINANCE nicht kommentieren.
FINANCE-Köpfe
Im Juli waren von Knoop und Steidl bereits wegen Bilanzfälschung, Marktmanipulation und Betrug verdächtigt worden. Beide schweigen aber bislang darüber, was genau bei Wirecard vorgefallen ist und kommen laut „Handelsblatt“ weiter regulär zur Arbeit und in Meetings. Für eine Abberufung ist der Aufsichtsrat zuständig. Derweil werden offenbar immer dubiosere Informationen über den Finanzchef zutage gefördert. Wie das „Handelsblatt“ unter Berufung auf mit den Vorgängen vertraute Personen schreibt, sei von Knoops Buchhaltung „chaotisch“ gewesen. „In den meisten Terminen sitzt er nur teilnahmslos da“, beschreibt ein anderer den CFO.
Wirecard-Verwertung geht weiter
Parallel dazu gibt es aber auch gute Neuigkeiten für Wirecard: Wie der Insolvenzverwalter Michael Jaffé mitteilte, kommt er bei der Verwertung der einzelnen Geschäftsbereiche gut voran und hat die Brasilien-Tochter an den brasilianischen Wettbewerber Pagseguro veräußert. Zudem erwarte Jaffé beim Verkaufsprozess für das Nordamerika-Geschäft „in Kürze“ die finalen Erwerbsangebote.
Unterdessen gingen die Verhandlungen mit potentiellen Investoren zum Verkauf des Kerngeschäfts der Wirecard AG in die nächste Phase, es gebe „mehrere namhafte Interessenten, die indikative Angebote abgegeben haben“. Zum Verkauf der britischen Tochter Wirecard Card Solutions habe sich Jaffé mit dem britischen Wettbewerber Railsbank auf die Übernahme bestimmter Kundenbeziehungen und weiterer Vermögensgegenstände geeinigt.
Info
Mehr über den Bilanzskandal lesen Sie auf unserer Themenseite zu Wirecard, mehr zu dem CFO des Zahlungsdienstleisters erfahren Sie auf dem FINANCE-Köpfe-Profil von Alexander von Knoop. Wenn Sie sich für Fintechs und deren Strategien auf dem deutschen Markt interessieren, werfen Sie einen Blick auf unsere Themenseite zu Fintech-Strategien.
Olivia Harder ist Redakteurin bei FINANCE und verfolgt schwerpunktmäßig die aktuellen Entwicklungen im Private-Equity- und M&A-Geschäft. Sie hat Philosophie, Politikwissenschaften, Soziologie und Geographie an der Justus-Liebig-Universität in Gießen studiert, wo sie auch einen Lehrauftrag innehatte. Vor FINANCE arbeitete Olivia Harder in den Redaktionen mehrerer Wochen- und Tageszeitungen, unter anderem beim Gießener Anzeiger.