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Gerry Weber verschafft sich Luft für Restrukturierung

Gerry Weber schnürt seinen Insolvenzplan noch einmal auf. Für die Gläubiger bedeutet dies eine Teilstundung ihrer Forderungen.
Gerry Weber

Gerry Weber hat die letzten Zweifler auf seine Seite gezogen: Wie das westfälische Modehaus am heutigen Dienstag mitteilte, haben die Gläubiger in großer Mehrheit zugestimmt, Teile ihrer Forderungen zu stunden, um dem Konzern mehr Luft für die Restrukturierung zu verschaffen.

Die Gläubiger werden 35 Prozent ihrer Forderungen bis zum 31. Dezember 2023 stunden, diese sollen ihnen dann nachgezahlt werden. Die Eigentümer der Gesellschaft hätten „verbindlich“ ihre Unterstützung zugesagt und würden „erhebliche Beiträge zur Sanierung des Unternehmens“ leisten, heißt es in einer Mitteilung von Gerry Weber. Genau beziffern will das Unternehmen diese Beiträge nicht. Es soll sich sowohl um Stundungen als auch in kleinerem Maße um frische Mittel handeln.

Die erneuten Verhandlungen waren für die Restrukturierer ein Kraftakt: „Wir mussten wiederum mit einer großen Masse an Altgläubigern sprechen und um jede Zustimmung kämpfen. Das war eine Situation wie vor der Eigenverwaltung, nur dass wir noch schneller sein mussten. Das ging nur mit dem eingespielten Team“, sagte CRO Florian Frank. Nach FINANCE-Informationen lag die finale Einigung erst am Abend des Pfingstmontag vor. 

Gerry Weber muss Insolvenzplan aufschnüren

Die Nachjustierung ist auch für die Investmenthäuser Robus und Whitebox ein großer Schritt. Sie sind 2019 bei Gerry Weber eingestiegen und hatten damals bis zu 49,2 Millionen Euro für die Kapitalausstattung sowie für Working Capital zugesagt. Im Dezember kam im Zuge einer Kapitalerhöhung auch noch JP Morgan an Bord.

„Die Herausforderung bestand darin, dass wir den Insolvenzplan außerinsolvenzlich noch einmal aufschnüren mussten, ein absolutes Novum“, sagte Frank gegenüber FINANCE. 35 Prozent der Altforderungen aus dem Insolvenzplan würden nun bis zum Jahresende 2023 gestundet.

Gemäß Geschäftsbericht wies Gerry Weber zum Jahresende kurzfristige Verbindlichkeiten gegenüber Insolvenzgläubigern von rund 74 Millionen Euro sowie langfristige Verbindlichkeiten von 39 Millionen Euro aus. Ein Darlehen der Insolvenzplansponsoren Robus, Whitebox und JP Morgan stand mit rund 34 Millionen Euro in den Büchern.

Gerry Weber muss Stellen abbauen

Das neue, verschärfte Sanierungskonzept soll Gerry Weber in die Lage versetzen, die Folgen der Coronakrise zu überstehen. Neben der Teilstundung der Gläubiger sieht es auch den Abbau von 200 Arbeitsplätzen vor. Um die Liquidität zu sichern, hat Gerry Weber auch Verträge mit Geschäftspartnern und Lieferanten nachverhandelt. Weitere Schließungen von Läden seien derzeit nicht Teil des Konzepts, so die Westfalen – allerdings dürfte dies nur durchzuhalten sein, wenn auch die Vermieter der Modekette weiter entgegenkommen. Stellten diese sich quer, seien Filialschließungen nicht zu vermeiden, heißt es bei Gerry Weber.

Zuletzt hatten die Mitarbeiter gemeinsam mit der Gewerkschaft IG Metall auch mit einer öffentlichen Kampagne Druck aufgebaut, um den Rettungsplan zum Erfolg zu bringen. Der Gewerkschaft zufolge sollen sich zuletzt 20 Sparkassen gegen das Restrukturierungskonzept gewehrt haben. Sie wurden Gegenstand einer öffentlichen Kampagne in sozialen Netzwerken, mit der die Angestellten den Widerstand dieser Geldgeber brechen wollten. 

Teilstundung trifft alle Gläubigergruppen

Gerry Weber hatte im vergangenen Jahr eine Insolvenz in Eigenverwaltung angestoßen und insgesamt Insolvenzforderungen von rund 261 Millionen Euro angesammelt, die sich auf verschiedene Gläubigergruppen verteilten. Ihnen bot der Insolvenzplan verschiedene Optionen: Während Kleingläubiger und Arbeitnehmer eine erhöhte Basis-Planquote ausgezahlt bekamen, konnten andere Gläubiger wählen, ob sie eine Bar-Option nutzen oder ihre Forderungen zum Teil in Kapitalmarktinstrumente wandeln wollten. Die Kapitalmarktinstrumente erforderten einen längeren Atem, versprachen dafür aber auch die Aussicht auf eine höhere Recovery. Betroffen von der jetzt vereinbarten Teilstundung sind alle Gläubigergruppen.

Im Detail hatten Gläubiger mit Forderungen von mehr als 2.500 Euro im Zuge des Insolvenzplans die Option, auf 60 Prozent ihrer Forderungen zu verzichten und den Restbetrag dann in Anleihen zu tauschen, die bis Jahresende 2023 laufen und anfangs mit 4 Prozent, im letzten Jahr der Laufzeit mit 5 Prozent verzinst werden sollten. 

Die Option für Großgläubiger mit mehr als 333.333 Euro an Forderungen sah einen Haircut auf 70 Prozent vor, die Restforderung konnten die Gläubiger dann in eine Wandelschuldverschreibung tauschen, die mit 3 Prozent verzinst und nach Ablauf Ende 2023 in Aktien gewandelt werden sollte. 

Coronavirus trifft Gerry Weber hart

Das Coronavirus hat Gerry Webers ursprünglichen Erholungsplan stark zurückgeworfen. Nach eigener Aussage hat das Unternehmen durch die behördlich angewiesenen Schließungen der Läden im Frühjahr einen unwiederbringlichen Umsatzausfall von mehr als 100 Millionen Euro erlitten.

Auf die finanziellen Perspektiven der Gläubiger soll die erneute Aufschnürung des Pakets keine Auswirkungen haben: „Wir gehen davon aus, dass wir die im Insolvenzplan in Aussicht gestellte Befriedigung voll erreichen können – allerdings mit zeitlicher Verzögerung“, macht Frank ihnen Hoffnung. 2024 sollen die gestundeten Gelder ausgezahlt werden. Zuvor aber muss es Gerry Weber noch gelingen, seine Finanzierung ein weiteres Mal neu aufzustellen. Dies steht spätestens im Jahresverlauf 2023 auf dem Programm.

Info

Wie sich der westfälische Modekonzern neu aufstellen will, lesen Sie auf unserer Themenseite zu Gerry Weber. Mehr über die Karriere des CRO lesen Sie im FINANCE-Köpfe-Profil von Florian Frank