Newsletter

Abonnements

Gnadenfrist für Bahn-CFO Alexander Doll

Bahn-Finanzvorstand Alexander Doll bleibt nach der Aufsichtsratssitzung am gestrigen Donnerstag vorerst CFO. Nächster Stichtag ist die Sondersitzung in zwei Wochen.
Deutsche Bahn

Die Machtspiele in Vorstand und Aufsichtsrat der Deutschen Bahn gehen in die nächste Runde: In der gestrigen außerordentlichen Sitzung des obersten Gremiums des Konzerns scheiterten die Top-Manager Richard Lutz und Ronald Pofalla sowie der Bund mit ihrem Ansinnen, Finanzchef Alexander Doll zu stürzen. Verschiedenen Presseberichten zufolge lehnt dieser einen freiwilligen Rücktritt ab. Für eine Entlassung fanden seine Kritiker kurzfristig nicht genügend Unterstützer.

Doll bekommt unerwartete Hilfe

Dass Doll sich halten konnte, obwohl nicht nur die beiden mächtigsten Vorstände Lutz und Pofalla, sondern auch Aufsichtsratschef Michael Odenwald und Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer ihn loswerden wollen, hat einen kuriosen Grund: Der frühere Investmentbanker und ehemalige Deutschlandchef von Barclays wird ausgerechnet von den Arbeitnehmervertretern gestützt, die die Hälfte der Aufsichtsräte stellen.

Diese fordern Dolls Verbleib. In den Augen der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) macht Doll „einen wirklich guten Job“. Die schwierige Lage kreiden die Gewerkschafter eher Bahnchef Richard Lutz an, Dolls Vorgänger an der Spitze des Finanzressorts. Erst vor wenigen Tagen äußerte EVG-Chef Alexander Kirchner in der „Wirtschaftswoche“ schwere Kritik an Lutz‘ Führungsstil: Der Bahnchef sei zu „zaghaft“ und führe zu wenig.

Doch vermutlich bekommt Doll lediglich eine Gnadenfrist. Die nächste Sondersitzung des Aufsichtsrats in vierzehn Tagen dürfte er wohl nicht mehr überstehen. In Bahnkreisen ist zu hören, dass es letztendlich um die Modalitäten des Auflösungsvertrags gehe, den Doll und die Bahn noch miteinander schließen müssten.

Schwere Vorwürfe gegen Alexander Doll

Dem 49-Jährigen, der erst im Januar CFO geworden ist, wird vor allem das wahrscheinliche Scheitern des Verkaufs der Bahn-Auslandstochter Arriva zur Last gelegt. Offenbar blieben die gebotenen Kaufpreise weit hinter den Erwartungen der Bahn zurück, die den Wert von Arriva im Bereich von 4 Milliarden Euro sieht. 2010 hatte der Konzern Arriva für 2,7 Milliarden Euro übernommen. Auch die Alternative Börsengang dürfte nicht funktionieren. Eine wichtige Säule des Arriva-Geschäfts liegt in Großbritannien, wo nach wie vor große Unklarheit über Zeitpunkt und Art des Brexits herrscht.

Dolls Problem: Manche Aufsichtsräte sowie der Bund fühlen sich von ihm schlecht über die Probleme informiert, die bei dem M&A-Prozess aufgetaucht sind. Die F.A.Z. zitiert ungenannte Quellen aus dem Umfeld des Aufsichtsrats, die Doll sogar vorwerfen, bewusst Informationen zurückgehalten zu haben. Sollte der erfahrene Dealmaker Doll ausgerechnet über einen gescheiterten M&A-Deal stolpern, enthielte dies eine gewisse Portion Ironie.

FINANCE-Köpfe

Alexander Doll, Deutsche Bahn AG

Alexander Doll entwickelt sich auf einem untypischen Weg in den Finanzbereich: Nach dem Abitur studiert er Philosophie und Biologie. Darauf folgen eine Ausbildung zum Bankkaufmann und ein betriebswirtschaftliches Studium, das er mit einem MBA in Atlanta abschließt. Nebenbei arbeitete er als Kofferboy und Komparse an der Oper.

Nach dem Berufsstart bei Lehman Brothers in New York arbeitet Alexander Doll von 2001 an acht Jahre lang als Managing Director bei der Schweizer UBS. 2009 wechselt er zur Investmentbank Lazard, für die er die nächsten Jahre weltweit die Bereiche Transport und Logistik leitet. 2013 wird Doll Chef des Deutschlandgeschäfts der britischen Großbank Barclays. Nach fünf Jahren in dieser Position folgt im April 2018 der Wechsel zur Deutschen Bahn, wo er für die Bereiche Güterverkehr und Logistik verantwortlich zeichnet. Im Januar 2019 übernimmt er zusätzlich die Position des CFOs. Im November 2019 wird öffentlich, dass Doll die Deutsche Bahn zum Ende des Jahres verlassen wird.

Im Frühjahr 2020 wird Doll Aufsichtsratschef der Corporate-Finance-Beratung Lincoln International.

zum Profil

Für die Bahn steht jedoch viel auf dem Spiel: Der Konzern ist auf die erhofften Verkaufserlöse angewiesen, um Finanzlöcher zu schließen und seinen Anteil an den geplanten Investitionen bezahlen zu können. Die Mitte Oktober von Doll emittierte Hybridanleihe über 2 Milliarden Euro – die erste in der Geschichte der Bahn – reicht nicht aus, um die Finanzierungslücke zu schließen. Trotzdem gilt die Hybridemission als Dolls größter Erfolg bei der Bahn. Sollte der Arriva-Verkauf auch offiziell abgeblasen werden, könnte wieder eine Trennung von der profitablen Logistiktochter Schenker in das Blickfeld rücken. Schenker dürfte mehr wert sein als Arriva.

Miserable Performance im Güterverkehr

Die zweite Entwicklung, die Doll zur Last gelegt wird, ist die desaströse Finanzlage der Bahnsparte Güterverkehr, als deren Vorstand er im November 2017 ursprünglich berufen  wurde: Im vergangenen Jahr verbuchte der Geschäftsbereich – seit vielen Jahren das größte Sorgenkind der Bahn – einen Verlust von 190 Millionen Euro. Für das laufende Jahr rechnen Konzernkreise laut F.A.Z. mit einem Minus von 300 Millionen Euro. Da die Bahn aber Einsparungen bei den Trassenpreisen in Höhe von 70 bis 80 Millionen Euro verbuchen konnte, werfen die Kritiker dem Bahn-CFO vor, unter seiner Führung habe die Güterbahn ihre Verluste de facto verdoppelt.

Dem Sanierungsfall wird sich nun eine neue Managerin annehmen. Die Chefin der Berliner Verkehrsbetriebe Sigrid Nikutta wird im neuen Jahr die Verantwortung für DB Cargo übernehmen. Doll, der Nikuttas Anstellung befürwortet, hatte gehofft, sich mit Hilfe dieser Personalie fortan auf den Finanzbereich konzentrieren zu können. Dieses Kalkül wird wahrscheinlich nicht aufgehen.

dominik.ploner[at]finance-magazin.de

Info

Mehr über den abwechslungsreichen Lebenslauf des Bahn-Finanzvorstandes und Investmentbankers Alexander Doll erfahren Sie auf seinem FINANCE-Köpfe-Profil.