NEUZur Serie: Top-Dealmaker

Newsletter

Abonnements

Komplettes Desaster bei KTG Agrar

Die Karten zur Pleite von KTG Agrar liegen auf dem Tisch. Was Insolvenzverwalter Stefan Denkhaus und CRO Jan Ockelmann berichten, ist bemerkenswert.
KTG Agrar

Der erste Bericht der Insolvenzspezialisten über die Lage bei KTG Agrar bestätigt die düstersten Vermutungen: Ein dreistelliger Millionenbetrag ist verschwunden, die Gläubiger werden wohl leer ausgehen. Und auf den Feldern vergammelt die aktuelle Ernte – ein neuerlicher Nackenschlag für die ums Überleben kämpfende Biogastochter KTG Energie.

Diesen Zwischenstand präsentierten vor wenigen Minuten der bei KTG angetretene Sachwalter Stefan Denkhaus und der Sanierer Jan Ockelmann, der nach dem Rauswurf von Ex-KTG-Chef Siegfried Hofreiter als Chief Restructuring Officer (CRO) in die Geschäftsführung eingetreten ist. Ihren Recherchen zufolge ist KTG Agrar mit 394,1 Millionen Euro überschuldet. Die offenen Anleiheschulden in Höhe von 342,2 Millionen Euro dürften damit verloren sein. „Die zu erwartende Quote wird äußerst gering ausfallen“, warnte Denkhaus bei einer Pressekonferenz in Hamburg.

Der M&A-Prozess, den die Sanierer aufgesetzt haben, wird daran nicht viel ändern. Eine Zerschlagung der KTG-Gruppe streben sie nicht an, aber auch der Verkauf wesentlicher Konzernbestandteile als Ganzes wird nicht annähernd genug Geld einbringen, um die Ansprüche der Finanzgläubiger zu befriedigen. 

Sanierer gehen mit Ex-Chef Hofreiter hart ins Gericht

Mit der Aufarbeitung der Hintergründe der Pleite stehen Denkhaus und Ockelmann noch am Anfang. Ihre ersten Erkenntnisse zu den konzerninternen Geldströmen übersteigen sogar noch die düstersten Vorahnungen, die FINANCE schon drei Wochen vor dem Insolvenzantrag als das „214-Millionen-Euro-Geheimnis“ beschrieben hatte.

Die Forderungen und Millionenkredite, die KTG gegenüber Konzerntöchtern, assoziierten Unternehmen und dubiosen Dritten angehäuft  hat, sind nicht mehr einbringbar. Denkhaus und Ockelmann beziffern den Abschreibungsbedarf auf bis zu 400 Millionen Euro, und es ist nicht ausgeschlossen, dass es noch mehr wird. Als Luftnummer haben sich zum Beispiel Kaufpreisforderungen gegen den Käufer der inzwischen insolventen Lebensmitteltochter FZ Foods erwiesen. Verloren sind auch die Gelder, die das KTG-Management der hauseigenen Vertriebsgesellschaft KTK Getreidehandel zur Verfügung gestellt hat. Diese summieren sich auf 83,2 Millionen Euro.

Mit der Managementleistung des Landwirts Siegfried Hofreiter, der KTG in die Pleite gesteuert hat, gehen Denkhaus und Ockelmann hart ins Gericht. Eine „unangemessene Kostenstruktur, nicht geprüfte Investitionsprozesse und das Fehlen professioneller Unternehmensstrukturen“ nennen sie als Ursachen der Pleite. KTG wird als „ein weitestgehend undurchsichtiges Firmengeflecht ohne transparente Finanzen und Controlling-Systeme“ beschrieben. Die Informationsstruktur sei „bewusst hierarchisch“ gewesen, also voll und ganz auf Hofreiter zugeschnitten. 

Auf KTG-Feldern „steht das Unkraut so hoch wie der Mais“

Unmittelbar vor der Einbringung der Maisernte – das wichtigste Anbauprodukt von KTG Agrar – ist offenbar auch die Situation auf den Feldern dramatisch. Der Ernteertrag von KTG „wird noch unterhalb der ohnehin unterdurchschnittlichen bundesweiten Ernte liegen“, warnte Denkhaus. Mit verantwortlich dafür sei, dass „wegen fehlender Liquidität kein Geld für Dünger, Pflanzenschutzmittel“ und ähnlich wichtige Produkte da gewesen ist. Aus dem Anbaugebiet von KTG erreichen FINANCE Augenzeugenberichte: Auf den Feldern soll das Unkraut zum Teil so hoch stehen wie der Mais. „Das tatsächliche Bild ist erschütternd“, beschreibt ein Beobachter gegenüber FINANCE die Lage.

Die Ernteausfälle werden auch die Biogastochter KTG Energie treffen, die ebenfalls um ihr Überleben kämpft. Die KTG-Agrar-Betriebe sind die wichtigsten Substratlieferanten von KTG Energie. Das Unternehmen hat große Hoffnungen darin gesetzt, dass die Maisernte die weitgehend leeren Silos bald wieder füllt. KTG Energie drohen jetzt neue Probleme.

Anlagenauslastung bei KTG Energie auf 61 Prozent abgesackt

Dabei ist die Lage von KTG Energie schon jetzt dramatisch, wie gestern nach Börsenschluss Vorstand Christian Heck in einer Börsenpflichtmitteilung zugeben musste. Erstmals räumt Heck darin „Schwierigkeiten bei der Versorgung mit Inputstoffen“ ein. Die Auslastung der Biogasanlagen ist im August von 95 auf 61 Prozent eingebrochen.

Als FINANCE am 12. August die Versorgungsprobleme aufdeckte, hatte KTG Energie die Lage noch dementiert und von „gut gefüllten Silos“ gesprochen. Als diese Redaktion das Dementi mit Hilfe von Fotoaufnahmen von leeren Silos als Falschaussage entlarvte, beharrte KTG Energie immer noch darauf, „dass von leeren Silos nicht auf den Auslastungszustand der Anlagen geschlossen werden kann.“

Die Auslastungsprobleme sind jetzt offiziell, und ohne eine gute Versorgung mit Maissubstraten steht KTG Energie ein schwieriger Herbst bevor. Wegen der Pleite des Mutterkonzerns hat der Biogasproduzent die schon einmal versäumte Vorlage des Halbjahresberichts (Stichtag Ende März) erneut verschoben. Auch die bei der Hauptversammlung am 22. Juni von den Aktionären beschlossene Aktiendividende wird bis auf weiteres nicht bezahlt. Die Verwaltung hätte dafür bis zum 30. Juni den jüngsten Einzelabschluss zur Eintragung ins Handelsregister anmelden müssen. „Diese Frist wurde versäumt“, schreibt KTG Energie lapidar.      
     

Info

Alle Stories und Hintergründe zur Pleite von KTG Agrar und zum Überlebenskampf von KTG Energie gibt es gesammelt auf unserer FINANCE-Themenseite zu KTG Agrar.

Die dubiosen Hintergründe der KTG-Pleite sind auch das Thema der Titelstory des nächsten FINANCE-Magazins – ab Freitag nächster Woche im Abo und am Kiosk, ab Mittwoch schon als ePaper hier in unserem Webshop.