Newsletter

Abonnements

Mehr Rechtssicherheit für Gläubiger insolvenzreifer Unternehmen

Ein neuer Gesetzentwurf soll Gläubiger von insolvenzbedrohten Unternehmen künftig besser da stehen lassen und ihnen mehr Rechtssicherheit geben.
Creatas / Thinkstock / GettyImages

Die Bundesregierung hat einen Gesetzentwurf beschlossen, der die Anfechtung von vor der Insolvenz an Gläubiger geleisteten Zahlungen erschweren soll. Laut Bundesjustizminister Heiko Maas werde der Entwurf die Vorsatzanfechtung für den Geschäftsverkehr „kalkulierbarer“ und „planbarer“ machen.

Das aktuelle Problem, das viele Geschäfts- und Finanzierungspartner insolvenzgefährdeter Unternehmen quält: Die Gläubiger wissen häufig nicht, ob sie Zahlungen von ihren Schuldnern dauerhaft behalten können oder ob diese später wieder an den Insolvenzverwalter herausgegeben müssen. Damit soll jetzt Schluss sein, denn mit dem neuen Gesetz sollen Gläubiger die Geschäftsbeziehung zu insolvenzreifen Unternehmen vorzeitig kappen können.

„Der Gesetzgeber möchte generell, dass ein insolvenzgefährdetes Unternehmen mit guten Sanierungschancen eher in den neuen Prozess (Schutzschirm, Insolvenzplan) abgegeben wird, statt im Vorfeld weiter mit dem Risiko der Insolvenzverschleppung zu agieren“, sagt der Sanierer Robert Simon und ergänzt: „Das neue Insolvenzgesetz berührt mich bei meiner Arbeit aber kaum, da ich als Sanierer im Stadium vor der Insolvenz arbeite und diese folglich abwenden möchte.“ 

Kürze Anfechtungsfrist lässt Insolvenzverwalter kalt

Die Sanierung scheint durch das neue Insolvenzgesetz wenig bis gar nicht beeinflusst zu werden. Anders sieht das beim Insolvenzverwalter aus. Dieser wird durch den neuen Gesetzentwurf auf den ersten Blick massiv eingeschränkt: Die Anfechtungsfrist – die Zeit, innerhalb derer der Verwalter vom Unternehmen an die Gläubiger geflossene Zahlungen zurückholen kann – reduziert sich von zehn auf vier Jahre.

Insolvenzverwalter Bernd Depping von Bdo Restructuring zeigt sich davon unbeeindruckt: „Für mich ändert sich durch das neue Gesetz nicht viel. Die kürzere Anfechtungsfrist wirkt auf den ersten Blick natürlich einschränkend, aber in der Praxis habe ich bisher ohnehin selten Zahlungen zurückgefordert, die länger als vier Jahre zurückliegen.“ Folglich werde sich auch künftig die Insolvenzmasse nicht wesentlich reduzieren.

An kurzfristige Zahlungen kommt Insolvenzverwalter schwer ran

Leichter wird seine Arbeit durch das Gesetz aber sicherlich nicht. Denn die Einschnitte für den Insolvenzverwalter betreffen auch Zahlungen, die unmittelbar vor der Insolvenz – maximal drei Monate – erfolgen. Betroffen sind dabei Lohnzahlungen und errungene Zwangsvollstreckungen.

Auch Zahlungserleichterungen, die Gläubiger angeschlagenen Unternehmen gewähren, um diesen auf die Beine zu helfen, sollen „für sich genommen“ nicht mehr anfechtbar sein. Bei diesen Gläubigern vermutet der Gesetzgeber, dass sie bei später erhaltenen Zahlungen nicht wussten, dass der Schuldner zahlungsunfähig war. Die Beweisschuld liegt hier dann fortan beim Insolvenzverwalter, der das Gegenteil beweisen muss.

Generell soll ein Gläubiger erhaltene Zahlungen künftig nur dann zurückgeben müssen, wenn er zum Zeitpunkt der Zahlung von der tatsächlichen Zahlungsunfähigkeit des Unternehmens wusste – die bloße Kenntnis über eine drohende Zahlungsunfähigkeit soll nicht mehr ausreichen.

Gesetzgeber lässt Insolvenzverwalter Handlungsspielraum

Gleichwohl: Der Gesetzgeber verwendet in seinem Entwurf viele vorsichtige und öffnende Klauseln („prinzipiell“, „grundsätzlich“, „für sich genommen“), die dem Insolvenzverwalter Verhandlungsspielraum geben. Das könnte das Prozedere späterer Rechtsstreitigkeiten wieder in die Länge ziehen, was wiederum dem ursprünglichen Gedanken des Entwurfes zuwider läuft, mehr Rechtssicherheit für Gläubiger zu schaffen. Depping pflichtet dem bei: „Weil Gesetze immer häufiger unpräzise formuliert sind, entsteht so Interpretationsspielraum.“

Depping und Simon sind sich einig, dass das neue Gesetz die bisher gelebte Praxis nicht wesentlich verändern wird. Die höhere Rechtsicherheit haben die Gläubiger folglich lediglich auf dem Papier. Klarer ist die Sachlage bei grenzüberschreitenden Insolvenzfällen geworden: Der größeren Rechtssicherheit hat sich zuvor auch die Europäische Union (EU) verschrieben und deshalb vor rund drei Monaten eine neue Insolvenzordnung scharfgestellt, die die unterschiedlichen Rechtsregime in Europa vereinheitlichen soll. Gläubigern soll dadurch die Frage beantwortet werden, welches nationale Insolvenzrecht anzuwenden ist.

philipp.habdank[at]finance-magazin.de