Es war nur eine kurze Hoffnung, die für Bayer aufflammte, als eine US-Richterin in der vergangenen Woche andeutete, das aufsehenerregende Urteil im Monsanto-Prozess überprüfen zu wollen. Jetzt hat sie zwar entschieden, dass die neue Bayer-Tochter Monsanto den krebskranken Dewayne Johnson statt mit 289 nur noch mit 78 Millionen Dollar entschädigen muss. Aber Bayers Wunsch, dass das Gericht in San Francisco den Prozess neu aufrollen wird, ist vorerst dahin. Seitdem Mitte August das erste Urteil fiel, hat über 20 Milliarden Euro an Börsenwert verloren.
Bayer-Aktie leidet unter Glyphosat-Urteil
Bayer-Aktie wieder nah an ihrem Jahrestief
Die Reaktion der Börse ist deftig: Die Bayer-Aktie bricht im frühen Handel um über 7 Prozent ein und liegt nur noch marginal über der 70-Euro-Marke. Dorthin war sie schon Mitte September abgestürzt. Die Hoffnung auf ein glimpfliches Ende des Glyphosat-Prozesses hatte in den vergangenen Wochen aber zu einer Kurserholung bis auf fast 80 Euro geführt.
Bayer hat gegen die gestrige Entscheidung des US-Gerichts umgehend Berufung eingelegt. Die Reduzierung der Strafzahlung sei lediglich „ein Schritt in die richtige Richtung“. In den Augen der Leverkusener steht das Urteil im Widerspruch zu den im Prozess vorgelegten Beweisen, die nach Ansicht von Bayer nicht belegen würden, dass Johnsons Krebserkrankung auf die Arbeit mit Glyphosat zurückzuführen sei.
Das neue Urteil im Johnson-Prozess ist jedoch nicht nur wegen Bayers angekündigter Berufung noch nicht rechtskräftig. Auch Johnson hat es noch nicht akzeptiert. Der Kläger muss bis zum 7. Dezember mitteilen, ob er mit der geringeren Entschädigungszahlung einverstanden ist. Aufgrund seiner weit fortgeschrittenen Krebserkrankung hatte Johnson in Kalifornien Anrecht auf einen schnellen Prozessbeginn erhalten.
Richtungsweisender Prozess für Bayer
Der Ausgang dieses ersten Verfahrens ist für Bayer richtungsweisend, denn es könnte als Präzedenzfall für tausende weitere Klagen in den USA dienen. Zuletzt bezifferte Bayer die Zahl der anhängigen Glyphosat-Klagen auf 8.700. Analysten gehen davon aus, dass es schon bald mehr als 10.000 sein werden.
Entsprechend beunruhigt zeigen sich Analysten in ihren ersten Einschätzungen. Das US-Analysehaus Bernstein etwa schreibt, dass die neue Schadensersatzsumme von 78 Millionen Dollar „am oberen Ende der Erwartungsspanne“ liege.
Insgeheim hätten viele Investoren nach den Signalen aus der Vorwoche darauf gesetzt, dass das US-Gericht die Strafe komplett einkassieren würde. Einige Analysten schätzen die möglichen Strafzahlungen, die auf Bayer aus den Glyphosat-Prozessen zukommen könnten, auf 3 bis 6 Milliarden Dollar.
Info
Eine ausführliche Analyse der Lage bei Bayer und der möglichen Folgen der Glyphosat-Prozesse für den hoch verschuldeten Dax-Konzern gibt es in der nächsten Ausgabe des FINANCE-Magazins, die am 8. November erscheint.