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Niedrigzinsen drohen Atom-Rückstellungen hochzujagen

Die Kernkraftsbetreiber ächzen unter hohen Atom-Rückstellungen. Die niedrigen Zinsen könnten die Lage noch einmal verschlimmern.
iStock/Thinkstock/Getty Images

Deutschlands Energiekonzerne könnten ihre Atom-Rückstellungen noch einmal kräftig aufstocken müssen. Wie das Handelsblatt berichtet, habe ein vom Bundeswirtschaftsministerium beauftragter Stresstest die Frage aufgeworfen, ob die Rückstellungen für den Rückbau der Kernkraftwerke angemessen abgezinst sind. In den Bilanzen der vier Kernkraftwerksbetreiber E.on, EnBW, RWE und Vattenfall stehen diese derzeit mit insgesamt 39 Milliarden Euro zu Buche.

Angesichts des derzeitigen Niedrigzinsumfeldes könnte das zu wenig sein: Laut dem Bericht rechnen die Konzerne derzeit mit Zinssätzen zwischen 4 und 4,7 Prozent. Diese Zahlen scheinen beim aktuellen Zinsniveau jedoch sehr hoch angesetzt. Die Folge: Unternehmen bilden für ihre künftigen Zahlungsverpflichtungen womöglich zu wenig Rückstellungen.

„Wenn wir den Zinssatz halbieren, müssen wir die Rückstellungen verdoppeln. Das wäre für uns ein Killer“, wird eine Aussage aus einem Unternehmen zitiert. Dem Vernehmen nach rechnen die Konzernzentralen derzeit durch, ob sie die Zinsen anpassen müssen.

E.on wird Atomgeschäft nicht los

Die Atomrückstellungen sind eine Bombe in den Bilanzen der Energiekonzerne: Schon auf dem aktuellen Niveau würde E.on laut einem Gutachten 76 Jahre brauchen, um aus dem derzeitigen Cashflow die Zahlungsverpflichtungen aus den Atom-Rückstellungen begleichen zu können. RWE würde immerhin 35 Jahre benötigen.

Erst am gestrigen Donnerstag war bekannt geworden, dass E.on das unliebsame Atomgeschäft nicht wie geplant auf das Spin-off Uniper übertragen wird. Die 19 Milliarden Euro schweren Atom-Rückstellungen bleiben stattdessen im Konzern. Das Atomgeschäft wird bei E.on im nichtstrategischen Geschäftsfeld „PreussenElektra“ mitgezogen.

E.on hatte versucht sich über den Uniper-Spin-off von dem Atomgeschäft zu trennen und – so die Vermutung der Politik – sich den Verpflichtungen zu entziehen. Dieser Plan scheint jedoch nicht aufzugehen.

RWE refinanziert Hybridanleihe

Die hohen Rückstellungen drücken auch auf das Eigenkapital: RWE hat deshalb 2015 bereits drei Hybridanleihen im Gesamtwert von etwa 1,7 Milliarden Euro begeben. Damit refinanzierte RWE einen einzigen Hybridbond aus dem Jahr 2010, der Ende September dieses Jahres seine erste Call-Option hat. Durch die Refinanzierung hat RWE die Fälligkeiten gestreut und gleichzeitig die Finanzierungskosten gedrückt. Einen Spin-off des Atomgeschäfts schloss RWE-CEO Peter Terium zuletzt nicht aus.

Auch Betriebsrenten belasten Energiekonzerne

Energiekonzerne sind von den Niedrigzinsen doppelt stark betroffen. Denn ähnliche Probleme drücken die Energieriesen bei den Betriebsrenten. Auch diesen Verpflichtungen lagen lange Zinssätze zugrunde, die derzeit an den Finanzmärkten nicht mehr realistisch sind.

jakob.eich[at]finance-magazin.de

Jakob Eich ist Redakteur der Fachzeitungen FINANCE und DerTreasurer des Fachverlags F.A.Z Business Media, bei dem er auch sein Volontariat absolviert hat. Eich ist spezialisiert auf die Themen Digitalisierung im Finanzbereich und Treasury. Durch seine Zwischenstation bei der Schwesterpublikation „Der Neue Kämmerer“ ist der 1988 geborene Journalist auch versiert beim Thema Kommunalfinanzen. Erste journalistische Erfahrungen hat der gebürtige Schleswig-Holsteiner in den Wirtschaftsmedien von Gruner+Jahr sowie in der Sportredaktion der Hamburger Morgenpost gesammelt.