Das Wirecard-Drama geht weiter: Jetzt liegt ein Verdacht vor, dass es einen Insider bei Wirecard gab, der Informationen über einen nicht uneingeschränkt testierten Geschäftsbericht vorab durchsickern ließ. Konkret geht dabei es um einen Post in dem Onlineforum „finanzen.net“, welcher bereits gelöscht ist, dem „Handelsblatt“ aber vorliegt, schreibt die Zeitung. Im Internet kursieren auch Screenshots des Eintrags, die unter anderem auf Twitter geteilt wurden. Dort sind die Postings aber inzwischen auch gelöscht.
Der Nutzer „Lilalaunebaer“ schrieb am Morgen des 10. Juni: „Ich möchte hier vollkommen wertfrei und neutral darauf aufmerksam machen, dass EY nicht uneingeschränkt testieren wird“, geht aus dem Screenshot hervor. Acht Tage später lässt Wirecard offiziell verlauten, dass EY dem Unternehmen kein Testat ausstellen kann, weil nicht ausreichend Belege für 1,9 Milliarden Euro auf Treuhandkonten vorliegen würden. Der daraufhin einsetzende Kurssturz ist nach weiteren Mitteilungen von Wirecard, wie etwa dass die 1,9 Milliarden Euro vermutlich nicht existieren oder dass der Dax-Konzern Insolvenz anmelden muss, nicht mehr aufzuhalten.
Haben Wirecard-Mitarbeiter Leerverkäufer informiert?
Auffällig an dem Post von „Lilalaunebaer“ ist vor allem, wie detailliert der User beschreibt, was erst gut eine Woche später offiziell bekannt wird: „Die Geschäftsführung des zu prüfenden Unternehmens hat nach mehrmaligen Aufforderungen und Nachbesserungen bis heute nicht die erforderlichen Nachweise erbringen können, woher erhebliche Summen als Sicherheiten auf Treuhandkonten stammen.“ Und weiter: „Woher ich diese Kenntnis habe, bleibt mir überlassen.“
Weiterhin brisant ist auch seine Aussage, wonach Mitarbeiter diesen Wissensstand an Leerverkäufer weitergegeben hätten. Auffällig ist tatsächlich, dass Shortseller im Vorfeld massiv bei Wirecard aufgestockt haben. „Näheres wird am 18.06.2020 bekanntgegeben“, schreibt der User laut Screenshot. „Ob man mir Glauben schenken mag oder nicht, bleibt jedem selbst überlassen.“ „Finanzen.net“ hätte den Post kurz nach Veröffentlichung wieder gelöscht und den Account von „Lilalaunebaer“ deaktiviert, berichtet „Handelsblatt“.
Bafin hat die Staatsanwaltschaft München informiert
Der Post hat Konsequenzen: Die Finanzaufsicht Bafin hat die Staatsanwaltschaft München bereits über den Insider-Verdacht informiert. Laut „Handelsblatt“ verwies eine Bafin-Sprecherin auf die bereits laufenden Ermittlungen wegen Marktmanipulation, ohne näher den Sachverhalt zu kommentieren. Man habe „insgesamt sehr umfangreiche Ermittlungen gegen den Beschuldigten Dr. Braun und mögliche weitere Mittäter eingeleitet. Mehr Details können wir im Moment aus ermittlungstaktischen Gründen nicht offenbaren“, wird die Sprecherin zitiert.
Das Posting von „Lilalaunebaer“ haben viele Forumsmitglieder scheinbar nicht ernst genommen. „Ein Account, der vor zehn Minuten erstellt wurde, gibt uns allen Insiderinfos, dass es kein Testat gibt. 100 Prozent vertraulich Leute, alle verkaufen“, zitiert das „Handelsblatt“ etwa einen zynischen Kommentar. „Einfach nur noch lächerlich“, schreibt ein anderer User. „Sehr geehrter Lilalaunebär, eine Anzeige gegenüber einer Polizeidienststelle in BW ist raus“, zitiert die Zeitung einen anderen Nutzer.
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Wirecard-Insider waren wohl früh alarmiert
Dass viele Kleinanleger bis zum Schluss an der Erfolgsstory von Wirecard festhielten, dürfte nicht zuletzt auch mit den optimistischen Mitteilungen zusammenhängen, die das Unternehmen noch kurz vor dem Kollaps veröffentlichte. So hieß es etwa noch am 22. April, dass die Sonderprüfer von KPMG keine Belege für die öffentlich erhobenen Vorwürfe der Bilanzmanipulation gefunden haben. Wegen solcher und anderer, rückblickend irreführender, Mitteilungen wird inzwischen auch ermittelt.
Während die Stimmung im Markt positiv war, waren im Unternehmen selbst Insider aber scheinbar bereits seit Frühjahr 2020 über Probleme mit der Abschlussprüfung informiert, schreibt das „Handelsblatt“. So hatten Insider etwa bereits berichtet, dass KPMG an manche Zahlen von Drittpartner nicht kommen könne. Auch habe es aus Konzernkreisen geheißen, dass Wirecard mit KPMG über die Schärfe von Formulierungen im Sonderbericht diskutiere.
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