Die neue EU-Richtlinie zur präventiven Sanierung soll ab 2021 zu weniger Insolvenzen auch in der deutschen Unternehmenslandschaft führen. Neu ist, dass beim Kampf gegen die Pleite nicht mehr die klassischen Insolvenzverwalter die Zügel in der Hand haben werden, sondern – wenn auch mit deutlich weniger Entscheidungskompetenz – die so genannten Restrukturierungsbeauftragten. Obwohl es bis zum Start noch eineinhalb Jahre hin ist, bringen sich sowohl Insolvenzverwalter als auch Restrukturierungsberater für die Besetzung dieses neuen, potentiell lukrativen Berufsfelds in Stellung.
Wer qualifiziert sich zum Restrukturierungsbeauftragten?
Wie genau das Profil des Restrukturierungsbeauftragten definiert wird, ist noch offen. Eine zentrale Frage ist die der Aufgabendefinition. Burkhard Jung, Chef der Sanierungsberatung „Restrukturierungspartner“, erklärt, was man jetzt schon weiß: „Der Restrukturierungsbeauftragte kann Mediator oder Moderator sein. Er soll in komplexen Fällen beim Restrukturierungsplan und bei den Verhandlungen mit Geldgebern helfen, außerdem die Schuldner überwachen und das Geld zusammenhalten.“ Selbst wenn die Rollendefinition auf die eines Moderators mit nur begrenzten Befugnissen hinausliefe, können die Restrukturierungsbeauftragten wesentlich zu künftigen Sanierungserfolgen beitragen, glaubt Jung: „Bei 80 Prozent der Restrukturierungsfälle hängt die Krisenbewältigung von der richtigen Kommunikation ab.“
Tjark Thies, Insolvenzverwalter bei Reimer Rechtsanwälte, geht davon aus, dass die Restrukturierungsbeauftragten im Gegensatz zu klassischen Insolvenzverwaltern tatsächlich eine eher vermittelnde Rolle haben werden: „Bei der präventiven Sanierung bleibt die Geschäftsführung an Bord, der Beauftragte kann nicht eigenständig durchgreifen. Trotzdem benötigen die Beauftragten betriebswirtschaftliche und juristische Fähigkeiten“. Auch sollten sie unterschiedliche Interessen bündeln können. Sanierer Jung glaubt sogar, dass sie sich in sämtlichen Restrukturierungsfeldern auskennen und stets einen klaren Plan verfolgen müssten.
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Erfahrene Restrukturierer und Insolvenzverwalter dürften dieses Profil ausfüllen. Aber auch Fachanwälte kämen infrage. „Derzeit wird von allen Seiten um die Position gerungen. Besonders die Insolvenzverwalter befürchten, dass sie bald weniger zu tun bekommen könnten“, beobachtet Jung. Insolvenzverwalter Thies hält dagegen: „Bei der präventiven Sanierung werden auch die Insolvenzverwalter mitmischen. Sie haben die Erfahrung und aus Gläubigersicht ist das der entscheidende Punkt.“
Das letzte Wort bei der Definition des Rollenbilds wird das Bundesjustizministerium haben. Berlin wird auch vorgeben, wer die Beauftragten einsetzen wird – die Gerichte, die kriselnden Unternehmen selbst oder deren Gläubiger.
Was sollen Restrukturierungbeauftragte verdienen?
Mit Spannung werden auch die Vergütungsregeln erwartet. „Die bisherige Vergütungsregelung für Insolvenzverwalter ist auf die neue Richtlinie nicht übertragbar, weil die Anforderungen und die Haftung bei Restrukturierungsbeauftragten anders sein werden“, sagt Jung. Er schätzt, dass es am Ende „eine Mischung aus Stundensätzen und Erfolgsvergütung“ sein wird – eine Lösung, mit der er gut leben könnte.
Thies argumentiert zurückhaltender. Der Insolvenzverwalter will erst noch die genaue Rollendefinition abwarten: „Sollten die Beauftragten wirklich nur eine Kontrollfunktion haben, käme ihre Tätigkeit der eines Sachwalters ohne Kontoverfügung nahe.“ An deren Vergütung könne man sich dann orientieren.
Wie genau sich die Vergütung für Insolvenzverwalter am Ende bemisst, hängt aber nicht zuletzt davon ab, ob der Beauftragte die Rolle eines reinen Sachverständigers oder eines Mediators einnimmt – letzterer hat aufgrund seines breiteren Aufgabenportfolios zumindest die Aussicht auf eine höhere Vergütung.
Berater und Verwalter bringen sich in Stellung
Letztlich werben beide Experten – der Sanierer Jung und der Insolvenzverwalter Thies – aus naheliegenden Gründen für eine auskömmliche Dotierung der neuen Funktion. Außerdem versuchen sie, ihre jeweilige Berufsgruppe zu positionieren: „Die präventive Sanierung und die Rolle in dem Verfahren sind eine Restrukturierungs- und keine Verwalteraufgabe. Berater haben den Vorteil, dass sie geübter darin sind, aus der Rolle des Moderators einen Ausgleich vielfältiger Interessen zu erreichen“, meint Jung. Insolvenzverwalter brächten zwar größere Erfahrung in der Arbeit mit Gerichten mit, aber: „Ein Insolvenzverwalter alter Prägung, der gewohnt ist, immer durchgreifen zu können, wäre als Restrukturierungsbeauftragter ungeeignet.“
Insolvenzverwalter Thies argumentiert anders: „Die nun in der Richtlinie vorgesehene Funktion des Restrukturierungbeauftragten liegt nahe an dem, wie Sachwalter agieren.“ Er rechnet damit, dass letztlich 75 Prozent der präventiven Sanierungen von heutigen Insolvenzverwaltern begleitet werden. Außerdem lockt im Rahmen der präventiven Sanierung noch ein weiterer Posten. „Auch die Position des Chief Restructuring Officers (CRO), die bisher meistens von Beratern eingenommen wird, ist sehr lukrativ für uns Verwalter.“
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Fusionieren Kanzleien mit Beratungshäusern?
Tatsächlich gibt es eine große Schnittmenge an Kompetenzen, die beide Lager mitbringen, und nur wenige Spezialkenntnisse, die je nach finaler Rollendefinition für eine Restrukturierung besonders wertvoll werden könnten. Vor diesem Hintergrund könnte der Einzug der präventiven Sanierung auf lange Sicht auch zu Zusammenschlüssen von Turnaroundberatern mit Insolvenzrechtskanzleien führen – oder zu festen Kooperationen untereinander.
„Zu Fusionen in größerem Umfang wird es aber nicht kommen“, glaubt Jung. „Dazu sind die jeweiligen Unternehmen viel zu unterschiedlich aufgestellt. Verwalterbüros sind zum Beispiel oft viel hierarchischer organisiert“. Aber er ist sich sicher, dass sich die Aufgaben der beiden neu verteilen werden. „Die Grenzen zwischen beiden Berufsrollen werden verschwimmen, und am Ende werden noch mehr Verwalter als jetzt schon zu Restrukturierern werden wollen.“
Sarah Backhaus ist Redakteurin bei FINANCE und DerTreasurer. Sie hat Journalismus an der Hochschule für Medien, Kommunikation und Wirtschaft in Köln studiert. Sarah Backhaus arbeitete während ihres Studiums unter anderem für Onlinemagazine von Gruner + Jahr und schrieb als freie Journalisten für die Handelszeitung, faz.net und Impulse.