Die finanzielle Situation der Deutschen Bahn ist schon seit längerer Zeit angespannt, nun hat der Bundesrechnungshof Alarm geschlagen: „Bereits bis Ende des Jahres 2019 wird eine signifikante Finanzierungslücke von fast 3 Milliarden Euro bestehen“, schreiben die Prüfer demnach in einem Bericht, aus dem die Nachrichtenagentur dpa zitiert. Eine Neuverschuldung sei nicht möglich, ohne die Verschuldungsgrenze zu überschreiten.
Die Bundesregierung hatte der in Staatsbesitz liegenden Bahn eine Obergrenze von 20,4 Milliarden Euro gesetzt. Diese hat die Deutsche Bahn inzwischen übertroffen. Bereits zur Jahresmitte hätten die Schulden den vom Haushaltsausschuss festgelegten Grenzwert für den 31. Dezember 2019 überschritten, moniert der Rechnungshof.
Die Nettofinanzverschuldung der Bahn war in den ersten sechs Monaten des Jahres von 19,5 Milliarden Euro Ende 2018 auf 25,4 Milliarden Euro Ende Juni gestiegen. Ein Großteil davon entfiel laut Bahn zwar auf die Anwendung des Bilanzierungsstandards IFRS 16, der die Leasing-Bilanzierung neu regelt. Auch ohne diesen buchhalterischen Effekt hätte die Bahn die Obergrenze jedoch gerissen.
Bahn kann nicht aus eigener Kraft investieren
Für Bahn-CFO Alexander Doll hängt nun viel davon ab, dass M&A-Deals die Situation entschärfen – auf finanzielle Hilfe des Bundes ist offenbar nicht zu hoffen. Bereits im Sommer hatte die Nachrichtenagentur Reuters aus einem internen Bahn-Papier zitiert, dass eine direkte Hilfe vom Bund oder höhere Schulden nicht infrage kämen.
Um die Lage zu entspannen, muss die Bahn nun auf einen erfolgreichen Verkauf der Auslandstochter Arriva setzen. Ohne einen Erfolg, das macht der Rechnungshof auch klar, sieht es für Investitionen düster aus. Aus eigener Kraft könne die Bahn keine Investitionen finanzieren, und auch Ausgaben für neue Züge, Digitalisierungsprojekte oder die Großbaustelle Stuttgart 21 könnte der Konzern „nicht durch operativ erwirtschaftete Cashflows auffangen“. Die Prüfer empfehlen daher, neben dem Verkauf der Auslandstochter Arriva auch einen Verkauf der Logistiktochter Schenker zu prüfen, um frische Mittel zu generieren.
FINANCE-Köpfe
Bahn-CFO Doll sieht Arriva-Verkauf im Plan
Die Bahn äußerte sich zunächst nicht detailliert zu den Vorwürfen. In einem Statement heißt es lediglich, der Bahn liege kein Bericht des Rechnungshofes vor. Es gebe „für milliardenschwere Investitionen in Züge, Infrastruktur und Personal einen klaren Fahrplan“. Über ein Konzept zur Finanzierung der Wachstumsstrategie soll der Aufsichtsrat in einer Sitzung am 18. September diskutieren.
Auf dieser Sitzung wird wohl auch das weitere Schicksal der britischen Tochtergesellschaft Arriva Thema sein, für die die Bahn nach wie vor sowohl einen Verkauf als auch einen möglichen Börsengang prüft, wie CFO Doll Anfang September gegenüber der F.A.Z. sagte. Beobachter gehen davon aus, dass die Trennung von Arriva dem klammen Konzern bis zu 4 Milliarden Euro einbringen könnte.
Doll sah den Prozess Anfang September im Plan: Man sei mit mehreren Interessenten im Gespräch, erklärte der Finanzchef damals. Zuletzt wurde unter anderem den Private-Equity-Investoren Apollo, Carlyle und Lone Star, der Fondsgesellschaft DWS sowie auch einigen Verkehrsgesellschaften Interesse an Arriva nachgesagt.
Info
Mehr über den Deutsche-Bahn-CFO erfahren Sie auf dem FINANCE-Köpfe-Profil von Alexander Doll.