Wochenlange Verhandlungen mit den Geldgebern haben nicht gefruchtet: Der hochverschuldete Windturbinenhersteller Senvion hat am heutigen Dienstagnachmittag Insolvenz in Eigenverwaltung beantragt.
Wie einer der ältesten Windkonzerne der Welt über eine Ad-hoc-Mitteilung bekannt gab, ist ein entsprechendes Verfahren vom Amtsgericht Hamburg eingeleitet worden. Das Verfahren betreffe zunächst die beiden deutschen Hauptgesellschaften Senvion GmbH und Senvion Deutschland GmbH, die zusammen 1.800 Mitarbeiter beschäftigen. Beobachter gehen aber davon aus, dass in den nächsten Tagen das Verfahren auch auf die börsennotierte Senvion SA ausgedehnt werden dürfte.
„Ziel des Verfahrens ist die Fortsetzung des eingeschlagenen umfangreichen Transformationsprogramms“, heißt es in der Mitteilung von Senvion. Das Programm hat das neue Management im Januar 2019 angestoßen, um gravierenden operative Schwächen des angeschlagenen Turbinenkonzerns in den Griff zu bekommen. Dem Unternehmen misslang es im vierten Quartal, Windparks zeitgerecht fertigzustellen, was zu entgangenen Umsätzen und nicht bezifferten, aber erheblichen Strafzahlungen an die Kunden geführt hatte.
Senvion verhandelt weiter mit Geldgebern
Nun will Senvion mit Hilfe des Insolvenzverfahrens in Eigenverwaltung die Restrukturierung beschleunigen. „Auf Basis der Stärken unserer Kernaktivitäten wollen wir die Eigenverwaltung einsetzen, um schneller zu einem profitablen und nachhaltigen Geschäft zurückzukehren“, lässt sich CEO Yves Rannou zitieren. Gemeinsam mit dem früheren GE-Manager agieren der erfahrene CFO Hans-Jürgen Wiecha sowie der britische CRO Neil Robson. Das Amtsgericht Hamburg hat ihnen nun Christoph Morgen als Sachwalter zur Seite gestellt. Die beiden Restruktuierungsspezialisten Gerritt Hölzle und Thorsten Bieg ziehen in die Geschäftsführung der beiden insolventen Tochtergesellschaften ein.
Trotz des eingeleiteten Insolvenzverfahrens führt die Senvion-Führung weiterhin Gespräche mit den kreditgebenden Banken, dem Hauptaktionär Centerbridge sowie den Inhabern der ausstehenden Unternehmensanleihe. In diese sind einem Bericht der FAZ zufolge die beiden Hedgefonds Anchorage und Davidson Kempner eingestiegen. Demnach haben die beiden Fonds eine Kapitalspritze angeboten, dafür aber nicht die Zustimmung der Banken und Kautionsgeber gewinnen können, die Senvion mit Kontokorrentlinien und Avalen im Wert von fast 1 Milliarde Euro versorgt haben.
FINANCE-Köpfe
Senvion-Führung hat noch Hoffnung
Centerbridge hat Senvion Unternehmensangaben zufolge in den vergangenen neun Monaten 82 Millionen Euro an frischem Kapital zur Verfügung gestellt. Nun dürfte der PE-Investor aber schlechte Karten haben, sein Investment noch zu retten.
„Wir diskutieren Finanzierungsoptionen. Falls erfolgreich, könnten wir den eingeleiteten Prozess abbrechen“, macht Rannou Hoffnung. Das „Handelsblatt“ berichtet, dass unmittelbar vor der Einreichung des Insolvenzantrags noch ein neues Finanzierungsangebot eingegangen sei, die Senvion-Führung den Antrag aber trotzdem noch stellte, um sich nicht dem Vorwurf der Insolvenzverschleppung auszusetzen. FINANCE-Informationen zufolge bräuchte Senvion über 100 Millionen Euro „Fresh Money“, um mit der Restrukturierung entscheidend voranzukommen.
Seit dem Beginn der Krise vor rund einem Jahr hat Senvions Aktie über 90 Prozent an Wert eingebüßt. Allein am heutigen Dienstag brach der Kurs erneut um über 40 Prozent ein und notiert nun bei 60 Cent.
Senvions Aktienkurs bricht weiter ein
Info
Gerresheimer, Schmolz+Bickenbach, Xella: Alle weiteren Karrierestationen des Senvion-CFOs finden Sie auf dem FINANCE-Köpfe-Profil von Hans-Jürgen Wiecha. Was sein Vorgänger geleistet hat, können Sie auf dem Profil von Manav Sharma nachlesen.
Hohe Schulden, Führungswechsel, verpatzte Projekte: Der Windturbinenbauer Senvion ist pleite. Wie es dazu kam und welche Geldgeber jetzt um die Macht bei Senvion kämpfen, erfahren Sie auf der FINANCE-Themenseite Senvion.