Der am Dienstag veröffentlichte Sonderprüfungsbericht von KPMG zu Wirecard hat viele Fragen offen gelassen. Der aktivistische Investor Christopher Hohn von TCI – der mal als Käufer, mal als Shortseller auftritt – hat diese offene Flanke jetzt genutzt, um scharf gegen Wirecard-Boss Markus Braun und dessen Aufsichtsratschef Thomas Eichelmann zu schießen.
TCI fordert Entlassung von Markus Braun
Das Management von Wirecard habe für den Bericht nicht mit KMPG kooperiert, meinte Hohn in einem Interview mit dem „Spiegel“. Er stützt diese These auf Aussagen von KPMG. Die Wirtschaftsprüfer hatten in dem Bericht von „Untersuchungshemmnissen“ geschrieben und berichtet, dass Wirecard angefragte Informationen nicht geliefert und Meetings abgesagt habe. „Der Aufsichtsrat hätte das Management in die Spur setzen müssen“, meint Hohn.
In Hohns Augen wäre es das Mindeste gewesen, dem Vorstand die Kontrolle über die Sonderprüfung zu entziehen. „Effektiver wäre es gewesen, Vorstandschef Markus Braun selbst zu entlassen“, so der Investor. Weil Chefaufseher Thomas Eichelmann dies nicht getan habe, müsse er eigentlich selbst gehen. Und nicht nur diese beiden hält der Investor für nicht mehr tragfähig: „Wir sind der Auffassung, dass sowohl der Aufsichtsrat als auch der Vorstand komplett erneuert werden sollten.“
„Wir sind der Auffassung, dass sowohl der Aufsichtsrat als auch der Vorstand komplett erneuert werden sollten.“
Kurssturz bei Wirecard
TCI stockt Leerverkäufe bei Wirecard auf
Hohn fordert nun, dass die Finanzaufsicht Bafin „sofort eine Sonderprüfung bei Wirecard vornehmen“ sollte. Die Bafin untersucht bisher aber nur die auf fallende Aktienkurse wettenden Leerverkäufer. Zu diesen zählt Hohn selbst auch. Der Leerverkauf-Datenbank des „Handelsblatts“ zufolge hat TCI seine eigene Short-Position bei Wirecard am 28. April von rund 1 Prozent auf nun rund 1,5 Prozent des ausstehenden Aktienkapitals von Wirecard aufgestockt.
TCI würde damit finanziell profitieren, sollte der Kurs der Wirecard-Aktie weiter sinken. Seit Dienstag hat das Papier bereits knapp 30 Prozent an Wert verloren. Zwischenzeitlich war die Aktie sogar auf 85 Euro abgestürzt. Aktuell steht sie bei 92,6 Euro.
In Deutschland machte Hohn erstmalig 2005 auf sich aufmerksam. Damals verhinderte er die Fusion von Deutsche Börse und LSE und brachte das damalige Management zu Fall. Nach dem Diesel-Skandal legte er sich zudem mit dem Management von Volkswagen an und kritisierte vor allem das variable Vergütungssystem des Autobauers.
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Wirecard-Chefaufseher stärkt CEO den Rücken
Wirecard selbst lassen die Vorwürfe von TCI kalt. Eichelmann sagte in einem Interview mit dem „Handelsblatt“, dass eine Personaldebatte im Moment in keinster Weise zum Wohle des Unternehmens wäre. „Eine Ablösung von Herrn Dr. Braun sehe ich heute nicht“, so Eichelmann.
Personelle Veränderungen wird es bei Wirecard trotzdem geben. So ist Susana Quintana-Plaza im April aus dem Aufsichtsrat ausgeschieden. Bei der nächsten Hauptversammlung wird dafür Hauke Stars, Vorstandsmitglied bei der Deutschen Börse, zur Wahl vorgeschlagen. Die Aktionäre müssen dann auch über eine Aufstockung des Aufsichtsrats abstimmen. Eichelmann zufolge sei man sich mit weiteren Personen einig, die namentlich allerdings noch nicht genannt werden könnten.
„Sie können sich sicher sein, dass sich der Aufsichtsrat die Analyse zu Drittpartnern genau anschauen wird.“
Auch der Vorstand von Wirecard soll um zwei Positionen erweitert werden. „Wir sind in Verhandlungen mit einem international anerkannten Compliance-Experten“, so Eichelmann. Damit wolle man für den Compliance-Officer einen Vorstandsposten einrichten. Zudem schaue man sich internationale Kandidaten für eine Vertriebsposition an.
Der Aufsichtsrat-Chef stellt im Zuge der Sonderprüfung aber auch das Geschäftsmodell von Wirecard in Teilen auf den Prüfstand. „Sie können sich sicher sein, dass sich der Aufsichtsrat die Analyse zu Drittpartnern genau anschauen wird“, so Eichelmann. Hierbei müsse man sich grundsätzlich fragen, was Wirecard das Drittpartnergeschäft bringe: Lohne sich in den betroffenen Ländern eine eigene regulatorische Lizenz? Oder sollte man sich aus Ländern zurückziehen? „Das werden wir in Ruhe, aber zeitnah anschauen“, meint Eichelmann.
Hintergrund zur Sonderprüfung bei Wirecard
Das Geschäft mit Drittpartnern ist einer der Hauptgründe dafür, dass KPMG überhaupt mit der Sonderprüfung beauftragt wurde. Dabei geht es um Geschäftsvorgänge in Ländern, in denen Wirecard selbst keine Lizenz besitzt und für Zahlungen auf Drittanbieter zurückgreifen muss.
Vor allem die „Financial Times“ hatte in mehreren Artikeln Zweifel an den Bilanzierungspraktiken von Wirecard geäußert. Wirecard wies die Vorwürfe stets zurück, beauftragte im Herbst jedoch KPMG, um die Zweifel auszuräumen.
Dies könnte auch Folgen für EY haben, die die Wirecard-Bilanzen eigentlich prüfen. Aufsichtsrat-Chef Eichelmann hat den Prüfauftrag neu ausgeschrieben und will den Aktionären bei der Hauptversammlung einen entsprechenden Vorschlag unterbreiten. Dabei hat sich EY erst vor Kurzem in einem Ausschreibungsverfahren gegen seine Konkurrenten durchgesetzt und das Mandat bei Wirecard verteidigt.
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