Wenn Borussia Dortmund in der Bundesliga oder Champions League aufläuft, stehen ökonomisch betrachtet ungefähr 600 Millionen Euro Produktivkapital auf dem Rasen – so hoch liegt der aktuelle Marktwert der Mannschaft. Ist der börsennotierte BVB noch ein Sportverein oder längst schon ein Konzern? Ein Sportverein, legte sich BVB-Geschäftsführer Hans-Joachim „Aki“ Watzke im Onstage-Interview mit FINANCE-Chefredakteur Michael Hedtstück auf der Structured FINANCE deutlich fest. Allerdings: Beides schließe sich nicht aus, meinte Watzke.
In gewohnt direkten Worten nahm der 60-Jährige Stellung dazu, wie er den Spagat zwischen Sport und Kommerz erlebt – und wie er versucht, beim BVB die Grenzen zu ziehen. Wichtig sind ihm zwei Punkte: Zum einen will er keine Neiddebatten. Zwar findet auch Watzke es extrem, wenn ein 20-Jähriger schon 5 Millionen Euro im Jahr verdient. Allerdings: „Die 200 Besten ihres Fachs verdienen in jeder Branche gut“, sagte er. Nicht zuletzt nimmt Watzke auch die Fußballfans in die Pflicht: „Die Grenzen des Wachstums im Fußball bestimmt der Konsument“, stellte er klar.
BVB-Chef Watzke: Stehtribüne statt Sitzplatz
Bei Borussia Dortmund steht Watzke nach eigenem Bekunden dafür, die Kommerzialisierung nicht auf die Spitze zu treiben. Dass Mannschaften anderer Vereine in immer neuen Trikotvarianten auflaufen, um den Merchandising-Absatz zu steigern, sei sein Ansatz nicht: „Wir spielen immer schwarz-gelb.“
„Fußball soll erschwinglich bleiben.“
Auch das Stadion – mit 81.000 Besuchern immer ausverkauft – ist nicht auf wirtschaftliche Leistungskraft optimiert. Eine Umwandlung von 28.000 Stehplätzen in 16.000 Sitzplätze würde dem Verein etwa 6 bis 8 Millionen Euro mehr Umsatz pro Jahr einbringen, rechnete Watze vor – doch darauf verzichtet der Klub. Fußball solle erschwinglich bleiben, gerade in einer strukturschwächeren Region wie dem Ruhrgebiet.
Die Kehrseite dieser Politik ist jedoch, dass die finanzielle Lücke zum Erzrivalen Bayern München nicht kleiner wird. In den vergangenen Jahren hätte sich der BVB prächtig entwickelt, der immer noch große Rückstand habe vor allem historische Gründe, führte der BVB-Boss aus: Die Münchener hätten schon früh vom Bau des Olympiastadions und einer „goldenen Generation“ um Franz Beckenbauer, Gerd Müller und Sepp Maier profitiert. Zudem prägten finanzstarke Unternehmen und ein stetiger Tourismus die Region, zählt Watzke auf.
Allerdings schaffen die Borussen es zumindest, dass die Bayern ihnen nicht weiter davonziehen: Beim Umsatz liegen die Bayern mit rund 750 Millionen Euro zwar deutlich vor den Borussen, die rund 500 Millionen Euro umsetzen – der Abstand sei in den vergangenen 15 Jahren allerdings nicht mehr groß gewachsen, betonte Watzke.
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Wie Watzke seine BVB-Liebe entdeckte
Genau diese Zeitspanne umfasst auch seine Amtszeit beim BVB – seit 2005 ist Watzke Geschäftsführer des einzigen börsennotierten Bundesligaklubs. Sein Vertrag läuft noch bis Ende 2022, und Watzke lässt keine Amtsmüdigkeit erkennen. „Ich bin nicht verpflanzbar“, so das klare Statement des Sauerländers.
Seine Liebe zu Borussia Dortmund hat Watzke schon als kleiner Junge entdeckt, wie er gestern Nachmittag erzählte. Mit sechs Jahren begleitete er seinen Vater ins Stadion. Dortmund spielte gegen 1860 München und verlor, doch Watzkes Fußballfieber war entfacht. Regelmäßig stand er in den folgenden Jahren auf der Südtribüne, um den BVB anzufeuern.
„Ich bin nicht verpflanzbar.“
Wichtig ist dem tief im Klub verwurzelten BVB-Chef, der vor 30 Jahren auch ein Unternehmen für Arbeitsschutzkleidung gegründet hat, dass bei aller Kommerzialisierung des Fußballs die Haltung immer noch stimmen sollte. Die rund 11 Millionen deutschen Borussia-Fans sind für ihn die Basis des Erfolgs und die große Konstante des Klubs – im Gegensatz zu den Spielern blieben sie ein Leben lang vom BVB geprägt. Auch wenn Stadionkarten und Merchandising wichtige Einnahmequellen seien – „ein Fan will ein Fan sein und kein Kunde“, sagte Watzke.
Diesen Spagat zu beherrschen sei ein großes Talent des gerade zurückgetretenen Bayern-Präsidenten Uli Hoeneß gewesen, meinte Watzke anerkennend. Und in noch einem Punkt sieht er Parallelen zum ewigen Rivalen: „Beide Vereine arbeiten wirtschaftlich sehr seriös und solide.“ Auch wenn der FC Bayern derzeit finanziell deutlich vor den Borussen liegt, in einem anderen Punkt sieht Watzke seinen BVB in Schlagweite: „Die Bayern sind in der Tabelle nur 4 Punkte weg. Das ist nicht unüberbrückbar.“
Info
Weitere Analysen aus der Schnittstelle zwischen Fußball und Finanzen gibt es in unserem Fußballfinanzblog „Dritte Halbzeit“.
Mehr über die weiteren Highlights und Themen der Structured FINANCE 2019 lesen Sie in unseren Artikeln über den CFO des Jahres 2019, das Treasury des Jahres 2019 und die große Eröffnungsdiskussion der Kongressmesse.
Die Structured FINANCE 2020 findet vom 25. bis 26. November 2020 in Stuttgart statt.