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Viele Unternehmen können Zinsen nicht aus Ebit zahlen

Die Zeit tickt: Viele Unternehmen können ihre Zinsen derzeit nicht aus dem operativen Gewinn erwirtschaften. Kippt das Zinsniveau, können sie Schwierigkeiten bekommen.
mb-fotos/iStock/Thinkstock/Getty Images

Die traditionell stark fremdfinanzierte deutsche Wirtschaft profitiert enorm von der aktuellen Niedrigzinspolitik. Trotzdem konnte eine beträchtliche Anzahl der Unternehmen in den vergangenen drei Jahren ihre Zinsschulden nicht aus dem operativen Geschäft bezahlen. 

Das ist das Ergebnis einer vor kurzem veröffentlichten Studie von Creditreform, in welcher die Auskunftei Jahresbilanzen von 7.400 fremdfinanzierten Unternehmen aus allen Wirtschaftsbereichen und Unternehmensgrößen in Deutschland analysiert hat.

Ganz konkret konnten im Betrachtungszeitraum 2014 bis 2016 15,4 Prozent der betrachteten Unternehmen ihre Zinsaufwendungen nicht aus dem Gewinn vor Steuern und Zinsen (Ebit) finanzieren. Dementsprechend ist die Wahrscheinlichkeit, dass diese Unternehmen Ausfälle vermelden müssen, höher – insbesondere dann, wenn sich die Finanzierungsbedingungen wieder verschlechtern. 

Produzieren die Banken „Zombie“-Unternehmen?

Um herauszufinden, was passiert, wenn die Niedrigzinspolitik ein Ende findet und der Leitzins der Europäischen Zentralbank wieder steigt, hat Creditreform drei Szenarien konstruiert. Im ersten Szenario würden die Zinsen moderat um 1,5 Prozentpunkte ansteigen. Das würde den Berechnungen zufolge dazu führen, dass 16,9 Prozent der Unternehmen ihre Zinsen nicht mehr mit dem operativen Geschäft decken könnten.

In zweiten Szenario mit einem deutlicheren Anstieg um 3 Prozentpunkte wäre dies bereits bei 19,3 Prozent der Unternehmen der Fall. Und im dritten Szenario, bei dem die Zinsen zwar nur moderat um 1,5 Prozentpunkte ansteigen, dafür aber die Erträge um ein Fünftel zurückgehen würden, könnten 18,5 Prozent der Unternehmen ihre Zinsen nicht mehr aus dem Ebit bezahlen. 

Laut Creditreform würde eine spürbare Zinserhöhung vor allem den Dienstleistungssektor belasten, der Handel wäre hingegen weniger stark betroffen. Die Wirtschaft in den südlichen Bundesländern wäre dabei besser gegen eine Zinserhöhung gewappnet als die in den nördlichen Bundesländern, so die Studienautoren weiter.

Der Trend, dass Banken finanziell angeschlagene Unternehmen immer weiter mit günstigen Krediten finanzieren, zeigt sich schon seit einigen Jahren. Er ist aber durchaus bedenklich, weil manche dieser „Zombie“-Unternehmen eigentlich eine tiefgründige Sanierung benötigen.

Deutsche Insolvenzen sind auf Rekordtief

Damit einher geht auch, dass sich die Zahl der Unternehmensinsolvenzen seit Jahren verringert und nun mit 20.200 Insolvenzen auf dem niedrigsten Stand seit 23 Jahren liegt. Im Jahr 2017 bestätigte sich außerdem der Trend hin zu immer kleineren Insolvenzen. Unterteilt nach dem Jahresumsatz finden sich Rückgänge vor allem im Mittelstand, während es bei Großinsolvenzen mehr als im Vorjahr gab. Mediale Aufmerksamkeit erregten beispielsweise Air Berlin, Solarworld oder Alno.

Besonders stark ausgeprägt war der Rückgang im verarbeitenden Gewerbe (minus 13,9 Prozent) und im Bausektor (minus 11,7 Prozent), aber auch im Handel (minus 4,7 Prozent) und im Dienstleistungsgewerbe (minus 4,3 Prozent) ging die Zahl der Insolvenzen zurück.

kerstin.hammann[at]finance-magazin.de