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Warum das neue EU-Insolvenzrecht die Kreditkosten senkt

Mitte Mai hat die EU nach langen Verhandlungen eine neue Insolvenzverordnung verabschiedet. Seit Freitag ist diese nun scharfgestellt und damit in allen EU-Ländern zwingend anzuwenden. Die neue Verordnung soll beim Insolvenzrecht in erster Linie länderübergreifend für mehr Rechtssicherheit sorgen. Zwar haben die nationalen Gerichte bei vielen Vorschriften eine Anwendungsfrist von zwei Jahren. Frank Grell, Partner für Restrukturierungen und Insolvenzrecht im Hamburger Büro der Kanzlei Latham & Watkins, ist sich jedoch sicher, dass die deutschen Gerichte schon vor Ablauf der Frist die neuen Vorschriften berücksichtigen werden. „Die Zeit der unterschiedlichen Rechtsregime in Europa neigt sich damit dem Ende entgegen“, meint Frank Grell im Gespräch mit FINANCE.

Dies dürfte auf den ersten Blick vor allem die Gläubiger insolvenzbedrohter Unternehmen freuen. Für sie herrschte laut Grell bislang große Unsicherheit, welches nationale Recht für das insolvente Unternehmen angewandt wird. Zwar sah die alte Regelung vor, dass der Insolvenzantrag bei dem Gericht gestellt werden muss, in dessen Land das „Zentrum des wirtschaftlichen Handelns“ liegt. Wie dies genau ermittelt wird, sei jedoch nicht genau definiert gewesen. „Es war nicht unüblich, dass ein Unternehmen kurz vor dem Insolvenzantrag den Hauptfirmensitz ins Ausland verlegte“, verrät Grell.

Höhere Rechtssicherheit, bessere Finanzierungskonditionen

Mit dieser Unsicherheit für die Gläubiger soll nun Schluss sein. „Die neue Verordnung sieht klar vor, dass der Insolvenzantrag entweder am Ort des Firmenhauptsitzes oder dem Ort der Handelsregistereintragung gestellt werden muss“, erklärt Grell. Möchte ein Unternehmen diesen Ort verlegen, so muss dies laut Grell mindestens drei Monate vor dem Insolvenzantrag offengelegt werden. Zudem soll ein neues europäisches Insolvenzregister – wie es in Deutschland bereits eingeführt ist – für mehr Transparenz unter den Gläubigern sorgen. Für die Einführung haben die Länder jedoch noch bis ins Jahr 2018 Zeit.

Die insolvenzbedrohten Unternehmen büßen durch die Verordnung zwar an Flexibilität und Handlungsspielraum ein, jedoch hat die höhere Rechtsicherheit auch für die finanziell oft klammen Unternehmen einen starken Vorteil: Für die finanzierenden Banken spielt laut Grell die Frage nach dem geltenden Insolvenzrecht im Rahmen ihrer Risikoanalysen eine wichtige Rolle. „Mit der höheren Rechtssicherheit erhöht sich auch die Planungssicherheit der Banken. Damit verbessern sich tendenziell auch die Finanzierungskonditionen für Unternehmen“. Für manches insolvenzbedrohte Unternehmen könnte dies eine Erleichterung sein, sind die Verbindlichkeiten für sie doch häufig nicht nur das potentiell größte Insolvenzrisiko, sondern auch ein großer Kostenblock.

Europäische Rechtssysteme treten in Konkurrenz

Durch die neue Insolvenzverordnung treten die verschiedenen nationalen Systeme in Konkurrenz zueinander. Denn: Nicht nur Banken, sondern auch Lieferanten und Warenkreditversicherer werden diejenigen Unternehmen "belohnen", bei denen sie im Falle einer Insolvenz möglichst sichere Regelungen finden. Dies wird laut Grell langfristig dazu führen, dass sich „schwache“ Rechtsysteme (im Sinne von niedrigen Hürden) in der Qualität ihrer Standards an die „ordentlichen“ Systeme anpassen werden. Zu diesen zählt Grell neben Deutschland und England auch Frankreich.

Aus dieser Ansicht zieht der Anwalt auch die große Hoffnung, dass sich dank der neuen Verordnung auf lange Sicht die Qualität aller Insolvenzordnungen in Europa nicht nur einander angleichen, sondern unterm Strich auch besser werden wird.

philipp.habdank[at]finance-magazin.de