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Was CFOs über das EuGH-Urteil zu Schiedsverfahren wissen müssen

Der Europäische Gerichtshof macht innereuropäische Schiedsverfahren zunichte, die auf bilateralen Investitionsschutzabkommen beruhen.
fuchs-photography/iStock/Thinkstock/Getty Images

Ein Schiedsspruch über etwas mehr als 22 Millionen Euro ist jetzt wertlos: Die Summe hätte die Slowakei eigentlich an einen niederländischen Versicherer zahlen sollen. So hatte ein Schiedsgericht entschieden, das der Versicherer angerufen hatte. Das Unternehmen berief sich dabei auf ein Investitionsschutzabkommen, dass die Niederlande ursprünglich mit der Tschechoslowakei abgeschlossen hatte und das für die Slowakei fortgilt.

Die Slowakei setzte sich allerdings gegen den Schiedsspruch zur Wehr, der Fall landete schließlich beim Europäischen Gerichtshof – mit weitreichenden Folgen: Der EuGH hat im März entschieden, dass solche Schiedsverfahren, die auf Investitionsschutzabkommen zwischen zwei EU-Ländern basieren, nicht zulässig sind. „Das Gericht urteilt glasklar: Diese Verfahren sind nicht mit dem Unionsrecht vereinbar“, betont Rechtsanwalt Maximilian Ott von Eversheds Sutherland.

Abkommen sind Überbleibsel der EU-Erweiterung

Konkret ging es in dem Fall darum, dass ein niederländischer Versicherer in der Slowakei investierte, nachdem das Land seinen Krankenversicherungsmarkt geöffnet hatte. „Allerdings machte die Slowakei die Liberalisierung teilweise wieder rückgängig“, erklärt Schiedsgerichtsexperte Ott. Der Versicherer rief deshalb ein Schiedsgericht an, da die Niederlande und die Slowakei ein Investitionsschutzabkommen miteinander abgeschlossen hatten, in der über eine Schiedsklausel vereinbart war, dass Streitigkeiten in einem Schiedsverfahren geklärt werden können.

Knapp 200 dieser Investitionsschutzabkommen (Bilateral Investment Treaties) gibt es noch in der EU. Sie wurden verstärkt in Zeiten der EU-Erweiterung abgeschlossen und sollten Investoren darin bestärken, in den neu dazugestoßenen Ländern zu investieren. „Neben der Schiedsklausel ist in diesen Vereinbarungen meist festgeschrieben, dass es keine Diskriminierung ausländischer Firmen geben soll und dass es gleichen Schutz für in- und ausländische Unternehmen gibt“, erklärt Rechtsexperte Ott.

Die EU-Kommission hatte in der Vergangenheit bereits mehrfach darauf hingewiesen, dass diese bilateralen Abkommen innerhalb der Europäischen Union überflüssig und sogar mit EU-Recht inkompatibel seien. Der EuGH hat der Kommission nun zumindest in Teilen Recht gegeben.

„Das Gericht urteilt glasklar: Diese Verfahren sind nicht mit dem Unionsrecht vereinbar.“

Maximilian Ott, Eversheds Sutherland

Unternehmen profitieren oft von Schiedsverfahren

Für Unternehmen fällt damit eine attraktive Möglichkeit weg, um in Investitionsstreitigkeiten die eigenen Interessen durchzusetzen: „Der Vorteil solcher Schiedsverfahren bei Investitionsstreitigkeiten liegt grundsätzlich darin, dass das Unternehmen nicht gegen einen Staat vor den Gerichten des betroffenen Landes vorstellig werden muss“, so der Schiedsexperte. Unternehmen können ein Verfahren vor dem Internationalen Zentrum für die Beilegung von Investitionsstreitigkeiten ICSID in Washington D.C. anstreben oder das Gericht individuell zusammenstellen.

Als Standort des Schiedsgerichts wird dann häufig ein unabhängiges Land gewählt, dass in dem Konflikt nicht involviert ist. „Das Gremium besteht in der Regel aus drei Personen, von denen eine vom Unternehmen und eine von dem betroffenen Land benannt wird“, so Ott. „Auf die dritte Person einigen sich die beiden Berufenen gemeinsam.“

Während die Schiedsverfahren aus Sicht von Unternehmen durchaus vorteilhaft sein konnten, wurden sie immer wieder wegen der Parallelgerichtsbarkeit kritisiert, über die Konzerne nach Ansicht ihrer Kritiker in intransparenten Strukturen ihren Willen durchsetzen könnten. Ebenfalls bemängelt wird, dass es bei Schiedsverfahren dieser Art keine Möglichkeit auf Berufung gibt.

Wie ist die Lage bei Nicht-EU-Ländern?

Dass das Urteil des Europäischen Gerichtshofs das Ende von Schiedsgerichten bei Investitionsstreitigkeiten innerhalb der EU bedeutet, ist eindeutig. „Anders sieht es bei der Frage aus, ob auch Investitionsschutzabkommen zwischen einem EU- und einem Nicht-EU-Land betroffen sind“ so Ott. Viele Anwälte würden argumentieren, nur die Regelungen in der EU seien betroffen. „Ich sehe den Fall nicht so klar, da auch bei Fällen, in denen nur ein Akteur aus der EU stammt, letztlich EU-Recht betroffen sein kann“, argumentiert der Experte.

Ebenfalls Diskussionsstoff bietet das prominente Schiedsverfahren des schwedischen Energiekonzerns Vattenfall gegen die Bundesrepublik Deutschland wegen des Atomausstiegs. Vattenfall beruft sich dabei auf die Energiecharta und nicht auf ein Investitionsschutzabkommen. Weil das ein internationales Abkommen ist, an deren Entwicklung die EU selbst beteiligt war, argumentiert Vattenfall, ihr Verfahren sei von dem EuGH-Urteil nicht betroffen. Maximilian Ott sieht diese Interpretation kritisch: „Inzwischen hat auch in dem Vattenfall-Verfahren das Schiedsgericht die Parteien zur Stellungnahme aufgefordert und die Urteilsverkündung verschoben.“

Für Unternehmen, bei denen derzeit Schiedsverfahren in einer Investitionsschutzfrage innerhalb der EU laufen oder die einen noch nicht vollstreckten Schiedsspruch haben, ist die Lage nun komplex: „Sie müssen versuchen, ihre Ansprüche auf einem anderen Weg durchzusetzen“, meint Maximilian Ott. An den ordentlichen Gerichten des betroffenen Landes dürfte dabei wohl kein Weg vorbeiführen. „Es sein denn, die EU oder die einzelnen Ländern finden schnell eine alternative Lösung. Das ist aber, trotz der momentan laufenden Verhandlungen zu einem Investitionsgerichtshof, derzeit nicht abzusehen.“

Bei neuen Investitionen im europäischen Ausland sollten sich Finanzchefs nicht mehr auf Investitionsschutzabkommen verlassen.

CFOs müssen sich anderweitig absichern

Bei neuen Investitionen im europäischen Ausland sollten sich Finanzchefs zur Absicherung in jedem Fall nicht mehr auf Investitionsschutzabkommen verlassen. „Ich würde empfehlen, eine andere Art von Sicherungsmittel zu nutzen“, rät Rechtsanwalt Ott. Eine Möglichkeit wäre nach Ansicht des Experten, bei Großinvestitionen eine direkte Vereinbarung zwischen dem Unternehmen und dem jeweiligen Land anzustreben.

In anderen Bereichen sind Schiedsverfahren allerdings auch nach dem Urteil nach wie vor erlaubt. Ott: „Der Richterspruch betrifft keine Handelsstreitigkeiten. Auseinandersetzungen zwischen zwei Unternehmen können weiterhin vor einem Schiedsgericht entschieden werden.“

antonia.koegler[at]finance-magazin.de

Antonia Kögler ist Redakteurin bei FINANCE und Chefin vom Dienst bei DerTreasurer. Sie hat einen Magisterabschluss in Amerikanistik, Publizistik und Politik und absolvierte während ihres Studiums Auslandssemester in Madrid und Washington DC. Sie befasst sich schwerpunktmäßig mit Finanzierungsthemen und verfolgt alle Entwicklungen rund um Green Finance und Nachhaltigkeit in der Finanzabteilung.