Im Kampf gegen Steuerflucht setzt die EU künftig auch auf Anwälte, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer und Banken. Ab 2020 sollen sie dazu verpflichtet sein, „möglicherweise aggressive“ Steuersparmodelle ihrer Mandanten den Finanzbehörden zu melden. Geschieht das nicht, drohen Beratern und Unternehmen empfindliche Strafen.
„Das ist eine Zäsur für die Berater, aber auch für die Unternehmen selbst“, meint Steuerrechtsexperte Tino Duttiné von der Wirtschaftskanzlei Norton Rose Fulbright. Es bestehe die Gefahr, dass selbst einfache, weitverbreitete Steueroptimierungen von der neuen Richtlinie erfasst würden. „Die Vorgaben sind – anders als bei vergleichbaren Regimen in Großbritannien und den USA – sehr weit gefasst und unkonkret“, kritisiert der Steuerrechtler.
Berater und WPs müssen Steuergestaltungen melden
Die Idee, legale Steuergestaltungen mit einer Meldepflicht zu belegen und so die Hemmschwelle für Steueroptimierung weiter zu erhöhen, wird schon länger diskutiert: Bereits im vergangenen Juni hat die EU-Kommission ihren Richtlinienvorschlag vorgelegt. Im Markt herrschte aber offenbar in den vergangenen Monaten die Meinung vor: So schlimm wird es schon nicht kommen.
Steuerexperte Duttiné zufolge haben sich diese Hoffnungen mit der Einigung der EU-Finanzminister in der vergangenen Woche nun zerschlagen: „Ich glaube nicht, dass die Richtlinie noch wesentlich entschärft wird.“ Die Berater-Community und die Steuerverantwortlichen in Unternehmen sollten sich nun darauf einstellen, dass die Meldepflicht kommt.
Wann eine Steueroptimierung meldepflichtig ist
Für die CFOs und Verantwortlichen in den Steuerabteilungen bedeutet das vor allem eines: Sie sollten prüfen, ob das eigene Unternehmen Steuermodelle nutzt oder Finanzprodukte einsetzt, die gemäß der Richtlinie künftig offengelegt werden müssen. Das Problem: Die Richtlinie enthält keine klare Definition, ab wann eine Steuergestaltung als aggressiv gilt.
Die Offenlegungspflicht richtet sich nach dem Erfüllen von Merkmalen („Hallmarks“). Die EU-Kommission hat einen Katalog dieser Merkmale festgelegt: So gilt etwa eine Verschwiegenheitsvereinbarung zwischen dem Unternehmen und der Bank oder dem Berater, der das Modell entwickelt hat, als verdächtig. „Kritisch sehen die Behörden auch eine standardisierte Dokumentation“, sagt Duttiné. In dem Fall werde unterstellt, dass der jeweilige Berater die Struktur auf andere Mandanten ausrollen wolle. Wenn das Unternehmen die Bank über eine variable Vergütung finanziell an den Steuerersparnissen beteiligt, muss es die Struktur ebenfalls an Finanzbehörden melden.
Neben diesen allgemeinen Merkmalen hat die EU noch eine Reihe von spezifischen Merkmalen festgelegt, die bestimmen, ob es sich um ein meldepflichtiges Geschäft handelt. „Dazu gehört unter anderem die Verlagerung von Einkünften in Steueroasen oder Zahlungen in Länder, die die OECD als nicht kooperative Staaten bei der Verfolgung von Steuervermeidern einstuft“, sagt Duttiné.
Sanktionen könnten CFOs persönlich treffen
Im zweiten Schritt sollten die Unternehmen dann klären, wer die Struktur meldet. „Grundsätzlich muss das zwar der Finanzintermediär übernehmen, also die Bank oder der Berater“, sagt Duttiné. Allerdings sei unklar, ob sich dies mit der beruflichen Verschwiegenheitspflicht der Steuerberater oder Anwälte vereinbaren lasse. „Außerdem gibt es Fälle, in denen gar kein Intermediär zum Einsatz kommt. Hier muss die Steuerabteilung selbst aktiv werden.“
Der Steuerrechtler rät Unternehmen, diese Pflicht ernst zu nehmen. Zwar ist noch nicht klar, welche Sanktionen bei Verstößen drohen. „Das können die Mitgliedsstaaten selbst festlegen“, sagt Duttiné. In Deutschland werde aber debattiert, eine versäumte Meldung als steuerlichen Bußgeldbestand einzustufen. In schlimmsten Fall könne der Vorstand persönlich haftbar gemacht werden.