Es ist das erwartete Horrorjahr für Air Berlin geworden: Bei einem Umsatz von 3,8 Milliarden Euro hat die Krisenairline unter dem Strich einen Rekordverlust von 782 Millionen Euro eingeflogen. Das sind noch einmal rund 340 Millionen Euro mehr als im bereits katastrophalen Vorjahr, wie Air Berlin am heutigen Freitag bekannt gibt.
Die zweitgrößte deutsche Fluggesellschaft führt das schlechte Ergebnis vor allem auf die im vergangenen Herbst angelaufene Zerschlagung zurück. 35 Mittelstreckenjets hat Air Berlin bereits an die Lufthansa weitervermietet. Zudem läuft der Verkauf der Anteile an dem Ferienflieger Niki an ein Joint Venture von Tui und Air-Berlin-Großaktionär Etihad. Die Genehmigung der Wettbewerbsbehörden für diese neue Allianz steht aber nach wie vor aus. Mit den verbleibenden 75 Flugzeugen will sich Air Berlin auf Langstreckenflüge von ihren Drehkreuzen Berlin und Düsseldorf konzentrieren.
Die für diese strukturelle Neuaufstellung aufgelaufenen Restrukturierungskosten summierten sich 2016 auf 335 Millionen Euro. Doch selbst wenn man das operative Ergebnis vor Zinsen und Steuern (Ebit) um diese Kosten bereinigt, steht mit minus 332 Millionen Euro immer noch eine tiefrote Zahl zu Buche – nach einem bereinigten negativen Ebit von 215 Millionen Euro im Vorjahr.
Negatives Eigenkapital von Air Berlin steigt auf 1,5 Milliarden Euro
Wie CFO Dimitri Courtelis diese Verluste decken will, ist noch nicht bekannt: Den Geschäftsbericht, der über diese Frage Aufschluss geben sollte, haben die Berliner noch nicht veröffentlicht. Dies soll bis zum 2. Mai geschehen. In dieser Woche hatte Air Berlin bereits kurzfristig die ursprünglich für den gestrigen Donnerstag geplante Veröffentlichung der Zahlen um einen Tag verschoben. Auch eine entsprechende Anfrage von FINANCE ließ Air Berlin zunächst unbeantwortet.
Im vergangenen Jahr hatte Courtelis‘ Vorgänger als CFO, Arnd Schwierholz, Kredite im Umfang von 325 Millionen Euro aufgenommen, um die Verluste des Geschäftsjahres 2015 auszugleichen. Damals war Großaktionär und Dauerretter Etihad mal wieder eingesprungen und hatte Garantien zur Verfügung gestellt.
Doch die Geduld der Araber, die mit 29 Prozent an Air Berlin beteiligt sind und hinter einem Großteil der Finanzschulden der Berliner stehen, scheint sich dem Ende zuzuneigen. Die staatliche Airline wolle ihren Anteil an der kriselnden Air Berlin „so schnell wie möglich“ abstoßen, berichtete heute morgen der „Focus“. Noch-Etihad-CEO James Hogan teilte heute Vormittag mit, man werde Air Berlin bei ihrem Restrukturierungsprozess unterstützen. „Wir sehen die ersten Strukturveränderungen, die nötig sind, um eine nachhaltige Zukunft für airberlin zu schaffen", so Hogan, der im Laufe des zweiten Halbjahres bei Etihad ausscheiden wird.
Dem „Focus" zufolge soll die Lufthansa an einem Kauf interessiert sein. Ihr Chef, Carsten Spohr, fliege am Montag nach Abu Dhabi, um Gespräche mit Etihad zu führen, hieß es weiter. Völlig überraschend käme eine engere Kooperation nicht: Mit Thomas Winkelmann steht seit Februar ein ehemaliger Lufthansa-Manager und Spohr-Vertrauter an der Spitze von Air Berlin. Durch die Wet-Lease-Vereinbarung bei den Mittelstreckenjets sind die beiden deutschen Fluggesellschaften bereits verbunden. Im Gespräch ist aber offenbar auch ein Verkauf an einen ausländischen Investor.
Lässt sich Etihad auf Schuldenschnitt bei Air Berlin ein?
Dafür müsste sich Etihad aber wohl auf einen deutlichen Schuldenschnitt einlassen, denn die finanzielle Lage von Air Berlin ist katastrophal: Der Netto-Schuldenberg schwoll Ende 2016 auf 1,18 Milliarden an, nach 878 Millionen Euro im Vorjahr. Air Berlin wies Ende 2016 zudem ein negatives Eigenkapital von knapp 1,5 Milliarden Euro aus. Vor knapp vier Wochen hatte die Krisenairline mit Neil Mills einen Chief Transformation Officer ernannt. In dieser Funktion ist der bisherige Strategievorstand vor allem für die Sanierung von Air Berlin zuständig.
Fraglich ist, ob Etihad zu einem Schuldenschnitt bereit ist – zumal sie derzeit noch an einer anderen Front zu kämpfen hat: Die italienische Fluggesellschaft Alitalia, an der Araber mit 49 Prozent beteiligt ist, steht kurz vor der Pleite, nachdem die Belegschaft einen bereits fertig ausgehandelten Sanierungsplan abgelehnt hat. Mit dem Airline-Sanierungsexperten Robin Kamark hat sich Etihad in dieser Woche einen neuen Chef für seine Minderheitsbeteiligungen an Bord geholt.
Der Druck auf Air Berlin nimmt auch deshalb weiter zu, weil das erste Quartal des laufenden Jahres für die Berliner ebenfalls sehr schlecht lief. Bei einem Umsatz von 650 Millionen Euro, was einem Minus von 12 Prozent gegenüber dem Vorjahresquartal entspricht, erwirtschaftete Air Berlin ein Ebit von minus 272 Millionen Euro. Damit startet die Airline mit einer schweren Hypothek in das Jahr 2017.
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