Schnelle Entscheidungen sind in Zeiten des Hochfrequenzhandels immer wichtiger. Doch wie kann man mit der Unmenge an Nachrichten umgehen, die täglich auf die Händler der Investmentbanken einprasseln? Ganz einfach, man sollte sie nach Relevanz filtern. Hier liegt das Problem: Bestehende Systeme können die Bedeutung von Nachrichten nicht „verstehen“, höchstens deren Häufung mit statistischen Methoden messen. Dabei entstehen Fehler, denn bloße Korrelationen lassen noch keinen Rückschluss auf deren Bedeutung zu.
Ein neues Analysetool hat jetzt die Baader Bank vorgestellt, das nach semantischen Kriterien vorgeht. Semantik ist ein Bereich der Linguistik, der sich mit Beziehungen zwischen Zeichen und Bedeutungen dieser Zeichen auseinandersetzt. So können einzelne Satzzeichen die Bedeutung komplett ändern („Der Mensch denkt, Gott lenkt“ vs. „Der Mensch denkt: Gott lenkt“). Diese Unterschiede kann das Tool nun erkennen, behaupten jedenfalls die Entwickler. „Es ist ein neues Produkt, das es so – denke ich – weltweit noch nicht gibt“, erklärt Dr. Volker Stümpflen, CEO der Clueda AG, die die Software maßgeblich entwickelt hat und ein Spin-off des Instituts für Bioinformatik und Systembiologie des Helmholtz Zentrums München ist. Ursprünglich war es überhaupt nicht für den Finanzbereich vorgesehen, findet nun aber dort eine wichtige Anwendung.
Zusammenarbeit mit der Baader Bank
Die Investmentbank Baader hat dabei eng mit Clueda zusammengearbeitet und ist zudem mit 10 Prozent am Kapital beteiligt. Dafür haben die Münchener einen siebenstelligen Euro-Betrag in die Hand genommen. Das Produkt „clueda.trader“ kann redundante Informationen aus Nachrichten von Diensten wie Bloomberg oder Reuters herausfiltern. So können die täglich rund 200.000 Nachrichten, die Händler erhalten, signifikant reduziert werden. „Allein durch das Wegfallen der redundanten Daten reduziert sich der Newsstrom um 30 bis 40 Prozent“, erklärt Clueda-CEO Stümpflen. Zudem werden handelsrelevante Ereignisse besonders herausgehoben – dazu können je nach Konfiguration Managementwechsel, M&A-Transaktionen, Finanzierungsschwierigkeiten und vieles mehr gehören. „Kommt nun ein Handelsauftrag für eine Aktie herein, dann sieht der Händler auf seinem Bildschirm automatisch die relevanten Nachrichten“, erklärt Uto Baader, Vorstandsvorsitzender der Baader Bank und Mitglied des Aufsichtsrats der Clueda AG. Ist die Software einmal auf die Bedürfnisse eines Nutzers eingestellt, soll sie „lernfähig“ sein. Die dahinterliegende Technologie sind die sogenannten neuronalen Netze.
„Wir haben zwei Jahre lang weltweit nach dieser Lösung gesucht, die für unsere Händler einen immensen Zeitvorsprung mit sich bringt“, erklärt Uto Baader. „Durch die inhaltliche Konsolidierung der Nachrichten können wir Entscheidungen nun diesen Tick eher treffen.“ Das spart nach seiner Einschätzung mehrere tausend Euro pro Tag. Die Software soll nun auch anderen Finanzinstitutionen angeboten werden. Möglicherweise bietet das System auch Optionen, von denen CFOs künftig profitieren können, um der täglichen Datenflut Herr zu werden. Das primäre Einsatzfeld wird aber zunächst der Aktienhandel sein.
markus.dentz@finance-magazin.de
Markus Dentz ist Chefredakteur von FINANCE und der Fachzeitschrift DerTreasurer. Seine journalistischen Schwerpunktthemen sind Unternehmensfinanzierung, Restrukturierung und Treasury. Nach dem Studium und dem Volontariat beim F.A.Z.-Institut stieß Dentz zur FRANKFURT BUSINESS MEDIA GmbH, einer Tochter der F.A.Z.-Verlagsgruppe und Herausgeberin von DerTreasurer und FINANCE. Mehrfach wurden seine Artikel aus den Bereichen Private Equity und M&A mit Journalistenpreisen ausgezeichnet.