Die Corona-Pandemie hat Finanzchefs in Deutschland gezeigt, dass eine zeitgemäße digitale Aufstellung ein echter Wettbewerbsvorteil ist. Viele Konzerne kämpfen zwar noch mit ihrem Datenmanagement, doch wer seine Hausaufgaben gemacht hat, kann sich Analysen in Echtzeit ziehen – und leicht zielgenaue Prognosen für die Zukunft erstellen.
Entsprechend nehmen Predictive Analytics derzeit eine immer wichtigere Rolle bei CFOs ein, wie aus zahlreichen Gesprächen mit Beratern hervorgeht, die FINANCE geführt hat. „Wir haben in den vergangenen Monaten ein Herantasten an Predictive Analytics gesehen“, beobachtet etwa Thomas Fritz vom Beratungshaus Oliver Wyman. „Unternehmen wollen Transparenz herstellen und Real-Time-Data nutzen können.“ Etwa in den Bereichen Einzelhandel oder Rohstoffe, in denen viele Daten zirkulieren, sei die Technologie ein riesiger Vorteil.
CFOs können das Internet durchforsten
Die besondere Schwierigkeit sei das Herankommen an die Daten, wie Oliver-Wyman-Kollege Jörg Stäglich erklärt: „CFOs müssen hier Methoden aufbauen, damit sie immer mehr aus den Daten lernen können.“ Wichtig sei es Mitarbeiter zu finden, die Prozesse immer wieder hinterfragen. Dazu zählten Data Engineers und Analytiker. Stäglich sieht Predictive Analytics zwar in einer frühen Phase, das Thema werde 2021 aber „auf jeden Fall“ kommen.
Berater Fritz rät Unternehmen dazu, nicht nur interne Daten auszuwerten, sondern auch soziale Netzwerke in den Blick zu nehmen: „So kann man die Datensätze anreichern und erfahren, wie das Unternehmen aufgestellt ist. In diesem Bereich könnte Machine Learning oder Natural Language Processing (NLP) helfen.“ Bei NLP handelt es sich um die Verarbeitung natürlicher Sprache durch KI.
Die Technologien werden immer besser darin, unstrukturierte Daten zu verarbeiten. Unternehmen könnten durch das Durchforsten von Pressemitteilungen und Foreneinträgen etwa in Erfahrung bringen, wie hoch das Kreditausfallrisiko in einzelnen Ländern und Branchen ist. „Das kann dann bei der Einordnung von Lieferanten helfen“, so Fritz.
Um in Richtung Echtzeit-Reporting und Predictive Analytics zu kommen, müssen Konzerne und ihre CFOs an vielen Stellen aber noch das klassische „Silo-Denken“ überwinden, wie KPMG-Finanzchefin Michaela Peisger sagt: „Die übliche Trennung von Accounting und Controlling haben wir bei uns bereits aufgehoben.“
KPMG-Berater Justus Marquardt rät CFOs, wenn das Enterprise-Resource-Planning-System („ERP-System“) neu aufgesetzt wird, auch gleich das Thema Business Intelligence mitanzugehen. „Dabei ist es wichtig, eine zukunftsfähige Plattform mit sauberen Schnittstellen zu schaffen.“ Unternehmen sollten hier eine klare Architektur anstreben. „Ob ,Best-of-Breed‘-Ansätze oder mit nur einem Hersteller ist dabei eher zweitrangig.“
FINANCE-Köpfe
APIs sind ein Problem für CFOs
Diese Schnittstellen – kurz APIs für Application Programming Interface – sind momentan ohnehin noch eine Baustelle für viele Unternehmen, wie auch Benjamin Koch vom IT-Beratungshaus Convista sagt. „Die Schnittstellen sind wichtig, um Daten in Echtzeit zu haben, und darauf aufbauend zum Beispiel Predictive Analytics nutzen zu können.“ Doch es gibt fast noch keine einheitlichen APIs. Banken und Unternehmen haben oft individuelle Lösungen.
Koch erwartet daher, dass internationale Banken in naher Zukunft standardisierte „API Feeds“ als Dienstleistung anbieten könnten. Auch einige IT-Dienstleister sehen es als potentielles neues Geschäftsmodell, möglichst viele API-Formate für CFOs abwickeln zu können. „Hier ergeben sich einige spannende Anwendungsfälle, wie zum Beispiel in der Bankenkommunikation“, so Koch.
jakob.eich[at]finance-magazin.de
Info
Sie wollen mehr über die KPMG-CFO wissen? Dann schauen Sie auf das FINANCE-Köpfe-Profil von Michaela Peisger.
Dieser Artikel ist Teil 2 einer Serie, die die Top-Digitalisierungsthemen für CFOs 2021 beleuchtet. Teil 1 dreht sich um Datenmanagement, Teil 2 um Predictive Analytics und Teil 3 beschäftigt sich mit Cybercrime.
Jakob Eich ist Redakteur der Fachzeitungen FINANCE und DerTreasurer des Fachverlags F.A.Z Business Media, bei dem er auch sein Volontariat absolviert hat. Eich ist spezialisiert auf die Themen Digitalisierung im Finanzbereich und Treasury. Durch seine Zwischenstation bei der Schwesterpublikation „Der Neue Kämmerer“ ist der 1988 geborene Journalist auch versiert beim Thema Kommunalfinanzen. Erste journalistische Erfahrungen hat der gebürtige Schleswig-Holsteiner in den Wirtschaftsmedien von Gruner+Jahr sowie in der Sportredaktion der Hamburger Morgenpost gesammelt.