Die industrielle Logik hinter einem Zusammenschluss mit dem Familienunternehmen Weidmüller hat der Explosionsschutzspezialist R. Stahl stets bestritten: Man sei stark genug, um allein am Markt zu bestehen und weiter zu wachsen, so lautete das zentrale Verteidigungsargument im Abwehrkampf gegen die Avancen von Weidmüller.
Doch die Position von R. Stahl ist weit entfernt davon, komfortabel zu sein, wie die heute vorgelegten Zahlen für das erste Halbjahr zeigen. Zwar lag der Umsatz mit 146,5 Millionen Euro in etwa auf Vorjahresniveau, der Auftragseingang hat mit 169 Millionen Euro sogar einen neuen Höchststand erreicht. Doch der operative Gewinn (Ebitda) sackte gegenüber dem ersten Halbjahr 2013 um rund ein Drittel ab: Nach 17,6 Millionen Euro im Vorjahr reichte es im ersten Halbjahr nur für 11,8 Millionen Euro.
Das Ebit brach sogar um mehr als die Hälfte ein und fiel von 11,8 im ersten Halbjahr 2013 auf nunmehr 5,6 Millionen Euro. Kopfzerbrechen dürfte R. Stahl-CFO Bernd Marx insbesondere Entwicklung des Cashflows bereiten: Aus dem operativen Geschäft flossen mehrere Millionen ab. Nach einem positiven Cashflow aus laufender Geschäftstätigkeit von 2,3 Millionen Euro im Vorjahreszeitraum lag der Cashflow dieses Jahr mit 8,5 Millionen Euro im Minus. R. Stahl begründet dies – trotz der stagnierenden Umsätze – mit der Inanspruchnahme von Finanzmitteln für das Nettoumlaufvermögen.
R. Stahl: M&A-Gerüchte belasteten Kundenbeziehung
Die Hauptschuld für die unter den Erwartungen liegenden Zahlen schreibt das Management der Übernahmeschlacht mit Weidmüller zu: „Durch die Verteidigung unserer Eigenständigkeit konnten wir unseren Wachstumskurs nicht mit voller Geschwindigkeit fortsetzen“, sagt CEO Martin Schomaker.
Die Sondersituation durch die feindliche Weidmüller-Offerte band R. Stahl zufolge die Kapazitäten von Management und Mitarbeitern und habe einen „intensiven Dialog mit verunsicherten Kunden“ erfordert. Der Abwehrkampf habe zudem hohe Beratungskosten verursacht. Insgesamt beziffert R. Stahl die negativen Sondereffekte aus der Übernahmeschlacht auf 5 Millionen Euro. 3 Millionen davon wurden im ersten Halbjahr verbucht. Dies erklärt die Halbierung des Ebits jedoch nur zum Teil.
Seine Ergebnisziele für das Gesamtjahr muss R. Stahl revidieren. Die Prognose für das Ebit senkt der Vorstand von ursprünglich 24 bis 26 Millionen Euro auf 18 bis 22 Millionen Euro. Die Prognosen für den Auftragseingang (325 bis 335 Millionen Euro) sowie den Umsatz (315 bis 325 Millionen Euro) hält das Unternehmen aufrecht.
Eine positive Wirkung erhofft sich der Konzern jetzt von Projekten zur Effizienzsteigerung, die ursprünglich im zweiten Quartal hätten forciert werden sollen. Dies soll nun baldmöglichst nachgeholt werden. Auch die Markteinführung eines neuen LED-Beleuchtungsprogramms musste dem Unternehmen zufolge aufgrund der M&A-Thematik verschoben werden, „da die Aufmerksamkeit des Marktes vorwiegend dem Übernahmeversuch galt“. Die daraus entstandenen Umsatzeinbußen im Leuchtengeschäft sollen das Ergebnis auch im dritten Quartal 2014 noch negativ beeinflussen.
Pensionskosten belasten Eigenkapital von R. Stahl
Das Investitionsprogramm, das für die Jahre 2012 bis 2014 ein Volumen von insgesamt mehr als 70 Millionen Euro umfasst, soll trotz der Geschäftseintrübung fortgesetzt werden. Im laufenden Geschäftsjahr werden 25 Millionen Euro unter anderem in die Erweiterung von Forschung und Entwicklung investiert. Neben dem Ausbau von Produktionskapazitäten hat R. Stahl auch Personal aufgebaut – auch diese Kosten schlagen in der derzeitigen Anlaufphase auf das Ergebnis durch. Um das Expansionsprogramm zu finanzieren, nahm R. Stahl zudem Bankkredite auf. Die kurzfristigen Schulden (Finanz- und Lieferantenverbindlichkeiten) stiegen dadurch von 65,4 auf 84,4 Millionen Euro.
Die Melange aus hohen Investitionen, mehr Working-Capital-Bedarf und den millionenschweren Sonderkosten für M&A- und Kommunikationsberater haben auch das Eigenkapital schmelzen lassen. Zum Stichtag 30. Juni 2014 bilanzierte R. Stahl nur noch 76,7 Millionen Euro gegenüber 91,9 Millionen Euro zum Dezember 2013. Den Rückgang begründet R. Stahl aber auch mit einer Erhöhung des Barwertes der Pensionsverpflichtungen. Auch der Erwerb zusätzlicher eigener Aktien im zweiten Quartal habe das Eigenkapital belastet. Zwar handelt es sich dabei bilanziell betrachtet um einen Aktivtausch von Cash in Wertpapiere, aber der Aktienkurs von R. Stahl ist seit dem Aktienrückkauf zu einem Durchschnittspreis von rund 43,85 Euro um knapp 10 Prozent gesunken. Die langfristigen Schulden stiegen aufgrund der höheren Pensionsrückstellungen um 10,4 Prozent auf 99,6 Millionen Euro.
Für die Zukunft gibt sich R. Stahl dennoch optimistisch: Nach Abschluss der Expansionsphase soll es zu einer Fixkostendegression kommen, mit entsprechend positiven Auswirkungen auf das Ergebnis.
Info
Die Chronologie zur Übernahmeschlacht um das Familienunternehmen aus Waldenburg lesen Sie auf unserer Themenseite zu R. Stahl.