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Resterampe: Wenn ChatGPT einen CFO interviewt

Die Künstliche Intelligenz ChatGPT ist in aller Munde. Wie gut kann Sie CFOs interviewen? Foto: gguy – stock.adobe.com
Die Künstliche Intelligenz ChatGPT ist in aller Munde. Wie gut kann Sie CFOs interviewen? Foto: gguy – stock.adobe.com

Die auf Sprache spezialisierte Künstliche Intelligenz ChatGPT ist momentan allgegenwärtig. Dachte man ursprünglich, KI würde zunächst einfachere Tätigkeiten ersetzen, könnten jetzt durchaus auch kreativere Arbeiten wie (Finanz-)Journalismus betroffen sein.

Wir haben ChatGPT daher getestet und die KI aufgefordert, ein fiktives Interview zu führen auf Basis einiger Informationen. Unser Auftrag an ChatGPT („Prompt“): ‚Kannst du ein CFO-Interview schreiben zum Thema M&A? CFO heißt Karl Guthertz und er arbeitet in Deutschland beim mittelständischen Anlagenbauer Masupas. Masupas hat gerade das Unternehmen Sheentec für 2 Milliarden Euro gekauft. Bitte gehe auch darauf ein, wie der M&A-Deal in die Nachhaltigkeitsstrategie von Masupas einzahlt. Herr Guthertz wird gesiezt.‘

Hier ist das Ergebnis samt Kommentaren der FINANCE-Redaktion (in kursiv):

Herr Guthertz, Sie haben gerade mit Sheentec den größten Zukauf der Unternehmensgeschichte getätigt. Wie kam es zu dieser M&A-Transaktion?
Vielen Dank. Der Kauf von Sheentec war ein wichtiger Schritt in unserer Wachstumsstrategie. Wir haben uns sehr intensiv mit dem Markt und den potenziellen Zielen auseinandergesetzt und Sheentec als ein sehr interessantes Unternehmen identifiziert, das gut zu unserer Branche und unseren Geschäftszielen passt. Die Übernahme wird es uns ermöglichen, unser Angebot an Produkten und Dienstleistungen zu erweitern, unsere Marktposition zu stärken und unser Wachstumspotenzial zu erhöhen.

FINANCE-Kommentar: Sehr solider Start der KI. Redet nicht um den heißen Brei herum, Herr Guthertz soll gleich Tacheles reden. Das Siezen klappt auch, in der Vorversion wurde der CFO noch geduzt. Die Antwort ist gespickt mit Buzzwords wie Wachstumsstrategie oder -potential, auch der Hinweis auf die Stärkung der Marktposition darf nicht fehlen.

Wie verlief der Kaufprozess von Sheentec?
Wir haben zuerst eine sorgfältige Due Diligence durchgeführt, um sicherzustellen, dass wir das Unternehmen vollständig verstehen und mögliche Risiken identifizieren. Wir haben uns auch darauf konzentriert, die bestmöglichen Verhandlungsbedingungen zu erzielen, um sicherzustellen, dass der Kauf für unser Unternehmen wirtschaftlich sinnvoll ist. Wir haben uns auch auf die Integration von Sheentec in unser Unternehmen konzentriert, um sicherzustellen, dass der Übergang reibungslos verläuft und wir das volle Potenzial der Akquisition ausschöpfen können.

FINANCE-Kommentar: Starker Hinweis auf eine sorgfältige Due Diligence, die natürlich nicht fehlen darf in einem M&A-Prozess. Herr Guthertz bleibt leider im Ungefähren. Was sind die bestmöglichen Verhandlungsbedingungen? Wann ist es wirtschaftlich sinnvoll? Ein FINANCE-Redakteur oder eine FINANCE-Redakteurin hätte hier nachgehakt. Die Post-Merger-Integration, ein häufiger Stolperstein, scheint aber auf dem Schirm zu sein.

So stellt sich die KI Midjourney einen deutschen CFO vor. Foto: Midjourney

Wie wird der Kauf von Sheentec das Geschäft von Masupas beeinflussen?
Der Kauf von Sheentec wird es uns ermöglichen, unser Geschäft zu erweitern und unser Angebot an nachhaltigen Technologien zu verbessern. Wir werden von den innovativen Technologien und dem Know-how von Sheentec profitieren, insbesondere im Bereich der erneuerbaren Energien und der nachhaltigen Mobilität. Die Übernahme wird es uns auch ermöglichen, unsere Geschäftsbeziehungen zu stärken und unser Wachstumspotenzial zu erhöhen.

FINANCE-Kommentar: Innovativ und nachhaltig, so muss ein M&A-Target sein. Das hat auch Herr Guthertz erkannt und bringt die Schlagwörter souverän unter. Nochmal der Hinweis auf das Wachstumspotential, damit sollte es aber auch genug sein.

Wie passt der M&A-Deal in die Nachhaltigkeitsstrategie von Masupas?
Nachhaltigkeit ist für uns ein sehr wichtiger Aspekt, und wir haben uns das Ziel gesetzt, unseren Beitrag zu einer nachhaltigen Zukunft zu leisten. Der Kauf von Sheentec ist ein wichtiger Schritt in diese Richtung, da wir uns auf die Entwicklung und Vermarktung von umweltfreundlichen Technologien konzentrieren. Sheentec ist ein Unternehmen, das sich auf die Entwicklung und Vermarktung von innovativen, nachhaltigen Technologien spezialisiert hat. Durch den Kauf von Sheentec können wir unsere Nachhaltigkeitsstrategie stärken und unser Angebot an umweltfreundlichen Technologien erweitern.

FINANCE-Kommentar: Nichts geht ohne Nachhaltigkeit, auch bei der fiktiven Masupas. Da passt der Zukauf von Sheentec ganz hervorragend dazu, denn das Unternehmen ist nachhaltig und innovativ. Inwiefern und warum? Keine Ahnung. Aber auch in echten Interviews weichen CFOs oft auf derlei allgemeine Phrasen aus, sofern der Redakteur nicht gezielt nachfragt.

ChatGPT legt Wert auf Nachhaltigkeit

Wie haben Sie sichergestellt, dass der Kauf von Sheentec für Masupas wirtschaftlich sinnvoll ist?
Wir haben eine gründliche Analyse durchgeführt, um sicherzustellen, dass der Kauf von Sheentec unser Geschäft langfristig stärken wird. Wir haben uns auf die finanziellen Auswirkungen des Kaufs konzentriert, einschließlich der Synergien, die wir erzielen können.

FINANCE-Kommentar: Die Nachfrage hätte weiter oben besser gepasst. Wieder der Hinweis auf die gründliche Analyse. Als guter Finanzchef beschäftigt sich Herr Guthertz natürlich auch mit den finanziellen Auswirkungen.

Wie wird der Zukauf von Sheentec finanziert?
Der Kauf von Sheentec wird größtenteils durch eine Kombination aus Eigenkapital und Fremdkapital finanziert. Wir haben eine umfassende Finanzierungsstrategie entwickelt, um sicherzustellen, dass wir den Kauf von Sheentec auf eine nachhaltige Art und Weise finanzieren. Wir haben auch eng mit unseren Finanzpartnern zusammengearbeitet, um sicherzustellen, dass wir die bestmöglichen Finanzierungskonditionen erhalten. Wir sind zuversichtlich, dass wir den Kauf von Sheentec auf eine Weise finanzieren, die für unser Unternehmen langfristig sinnvoll ist.

FINANCE-Kommentar: Hier bleibt der CFO erstaunlich schwammig. Hat er keinen Plan, wie er den Zukauf finanzieren möchte? Anleihen, Schuldscheine, Konsortialkredit? Fairerweise fehlt auch hier das kritische Nachhaken des KI-Journalisten.

FINANCE-Analyse:
Alles in allem haben sich ChatGPT und Herr Guthertz nach Einschätzung dieser Redaktion passabel geschlagen. Dem Interview fehlt eine gewisse Dynamik, ist aber solide und klärt die wichtigsten Fragen. An der einen oder anderen Stelle hätte die KI aber nachhaken müssen.

Als Redaktion waren wir verwundert, wie viele der Antwortbausteine uns bekannt vorkamen. Immerhin haben wir diese so oder so ähnlich schon dutzende Male gehört. Hier ist es wichtig zu verstehen wie ChatGPT funktioniert: Die Software berechnet, welches nächste Wort am wahrscheinlichsten ist. Die KI analysiert also nicht inhaltlich, sondern nur nach stochastischen Methoden.

ChatGPT zeigt uns als Redaktion aber, wo wir nachhaken müssen und dass wir uns nicht mit generischen Aussagen abspeisen lassen dürfen. Die interessanten Teile wären gerade diejenigen gewesen, die ChatGPT nicht aufgenommen hat.

Erschreckend ist aber auch, wie in Sekundenschnelle ein einigermaßen glaubhaftes Interview mit einem CFO erstellt werden kann – Stichwort Fake-News. Hier könnten auf die Medien und ihre Leser noch einige Herausforderungen zukommen. Wird die FINANCE-Redaktion also durch eine Künstliche Intelligenz ersetzt? Stand jetzt wohl kaum. Interviews zwischen zwei echten Menschen sind (noch) interessanter.

Jakob Eich ist Redakteur der Fachzeitungen FINANCE und DerTreasurer des Fachverlags F.A.Z Business Media, bei dem er auch sein Volontariat absolviert hat. Eich ist spezialisiert auf die Themen Digitalisierung im Finanzbereich und Treasury. Durch seine Zwischenstation bei der Schwesterpublikation „Der Neue Kämmerer“ ist der 1988 geborene Journalist auch versiert beim Thema Kommunalfinanzen. Erste journalistische Erfahrungen hat der gebürtige Schleswig-Holsteiner in den Wirtschaftsmedien von Gruner+Jahr sowie in der Sportredaktion der Hamburger Morgenpost gesammelt.