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Wie die Telekom von Process Mining profitiert

Bei der Deutschen Telekom kommt Process Mining seit etwa zwei Jahren zum Einsatz.
Deutsche Telekom

Unvollständig verbuchte Rechnungseingänge, abweichende Abläufe in den einzelnen Tochtergesellschaften, unnötige Verzögerungen – als die Deutsche Telekom vor zwei Jahren ihre Kreditorenbuchhaltung in ein Shared Service Center verlagerte, fand der zuständige Bereichsleiter Babak Ghasemi teilweise erhebliche Prozessstörungen und manuelle Vorgänge vor: „In der Folge konnten wir Skontomöglichkeiten nicht immer nutzen, Lieferanten schickten Mahnungen“, berichtet Ghasemi.

Die Telekom wollte schneller und effizienter werden. Dabei galt es nicht nur den Rechnungseingangsprozess zu optimieren, sondern die komplette Prozesskette zu betrachten. Der gesamte Beschaffungsprozess („Procure to Pay“) sollte automatisiert werden. „Dafür mussten wir allerdings die Prozessschwächen zunächst genau kennen“, sagt Ghasemi. So stieß der Finanzexperte auf die sogenannte Process-Mining-Technologie, die große Datenmengen automatisch analysiert. Das Werkzeug zerlegt Prozesse in kleinste Teile und kann Schwächen so punktgenau identifizieren. „Auf dieser Basis konnten wir gezielt gegensteuern“, berichtet Ghasemi.

Mit Erfolg: Einen „bemerkenswerten“ sechsstelligen Eurobetrag hat die Telekom durch den Einsatz des Tools inzwischen schon eingespart, weiß der Digitalisierungsexperte. „Das gilt allein für den Procure to Pay Prozess.“ Weil Rechnungen von Lieferanten nun schneller verarbeitet werden, kann die Telekom bei Bedarf früher bezahlen und Skontoangebote ausschöpfen.

Telekom-CFO Dannenfeldt setzt auf Automatisierung

Konzernweit traut sich Ghasemi keine Prognose über die Höhe der Einsparungen durch das Tool zu. Klar ist aber: Nach nicht einmal zwei Jahren im Einsatz ist Process Mining fester Bestandteil der Digitalisierungsinitiative von CFO Thomas Dannenfeldt. Der scheidende Telekom-Finanzchef gilt als Treiber des Projekts. Er will die Abläufe in seinem Ressort stärker automatisieren – und Process Mining ist dabei eine wichtige Stellschraube.

Zwei Jahre nach dem Start kommt die Technologie inzwischen im Accounting und im Controlling, im Zahlungsverkehr sowie im Einkauf zum Einsatz. „Wir haben derzeit bereits circa 30 Anwendungsfälle identifiziert, und es werden jeden Tag mehr“, berichtet Ghasemi, der im Shared Service Center der Telekom nun für Digitalisierungsthemen zuständig ist. 800 interne Nutzer können auf das Tool zugreifen und Analysen vornehmen. Unterstützt werden sie dabei von einem sogenannten Center of Excellence, das Ghasemi und sein Team gegründet haben. So kommt die Telekom bei dem Thema nahezu ohne externe Berater aus.

Thomas Dannenfeldt, Deutsche Telekom AG

1992 beginnt Dannenfeldt seine berufliche Laufbahn bei T-Mobile Deutschland mit Vertriebsaufgaben in den Bereichen Privatkunden und Wholesale. 2003 wechselt er zu T-Mobile International und verantwortet dort bis 2007 die Vertriebssteuerung, das Supply Chain Management und die Vertriebsentwicklung in Europa.

Von 2007 bis 2009 ist der Wirtschaftsmathematiker Mitglied im Bereichsvorstand von T-Home mit der Zuständigkeit für das Markt- und Qualitätsmanagement, zusätzlich wird er im Juli 2009 CFO von T-Mobile Deutschland. Im Januar 2010 kommt der CFO-Posten von T-Home hinzu.

Als im April 2010 die Geschäftseinheiten T-Mobile und T-Home zur Telekom Deutschland GmbH zusammengelegt werden, wird Dannenfeldt CFO des fusionierten Unternehmens. Mit dem Aufstieg von Telekom-CFO Timotheus Höttges zum CEO des Konzerns, wird auch Dannenfeldt befördert: Seit Januar 2014 ist er CFO der Deutschen Telekom. Zum Ende seines Vertrags am Jahresende 2018 zieht er sich auf eigenen Wunsch zurück.

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Für Process Mining braucht es einen Datenpool

Zum Einsatz kommt dabei ein Produkt des Softwarehauses Celonis, für das die Telekom 2016 eine umfassende Nutzungslizenz erworben hatte. Zur Höhe der Lizenzzahlungen möchte sich Ghasemi nicht äußern. Amortisiert hat sich das Investment für den Dax-Konzern allerdings noch nicht, räumt er ein: „Das dürfte erst in anderthalb bis zwei Jahren der Fall sein.“

„Das Investment dürfte sich in anderthalb bis zwei Jahren amortisieren.“

Babak Ghasemi, Head of Digitization Finance bei der Deutschen Telekom

Das liegt vor allem daran, dass die Voraussetzungen für den Einsatz von Process Mining hoch sind: Zum einen gilt es, die jeweiligen Quellsysteme an einen zentralen Datenpool anzubinden. Dafür müssen konzernweit diverse Systeme angezapft und Daten modelliert werden. „Der einmalige Aufwand war sehr hoch“, erinnert sich Ghasemi. Denn viele Prozesse werden in unterschiedlichen Systeme abgebildet. Teilweise galt es, sich zunächst einen Überblick über alle involvierten Systeme zu verschaffen.

„Außerdem pflegen wir einen sehr verantwortungsbewussten Umgang mit den Themen Datenschutz und Datensicherheit“, so Ghasemi. Neue Anwendungsfälle gelte es daher jeweils sauber zu prüfen, bevor sie umgesetzt werden.

Nächster Schritt künstliche Intelligenz?

„Je harmonisierter die IT-Landschaft, umso einfacher ist der Einsatz von Process Mining“, bestätigt Bastian Nominacher, Co-CEO und Mitgründer Celonis. „Unsere Kunden setzen das Tool aber auch über Systemgrenzen hinweg ein.“ Das 2011 in München gegründete Start-up wurde im Zuge einer Finanzierungsrunde gerade mit 1 Milliarde US-Dollar bewertet. Zu den Investoren gehören unter anderem die Risikokapitalgeber Accel und 83North. Bis 2020 will Celonis an die Börse gehen.

Weltweit setzt inzwischen eine dreistellige Zahl an Unternehmen die Technologie von Celonis ein. Dazu zählen vor allem Großkonzerne wie Bayer, Siemens, Airbus und Astra Zeneca. „Oftmals ist es der CFO, der das Projekt vorantreibt“, berichtet Nominacher. Einerseits schaut er auf Prozesskosten, andererseits liegen die klassischen Anwendungsfelder von Process Mining im Finanzressort: Dazu gehören insbesondere die Prozesse zur Verarbeitung von Rechnungseingängen („Accounts Payable“) und Ausgängen („Accounts Receivable“), aber auch Logistik- und Einkaufsprozesse sowie für das Working Capital Management. 

Viele Unternehmen wollen mit Process Mining ihre Prozesse effizienter machen. Die Deutsche Telekom denkt aber schon weiter: „Heute können wir mit dem Tool nur den Ist-Zustand unserer Prozesse erkennen“, sagt Ghasemi. „Der nächste logische Schritt ist nun auch Prognosen vornehmen zu können.“ Das Stichwort lautet künstliche Intelligenz. Den dafür notwendigen Datenpool hat die Telekom bereits aufgebaut – und wird im Laufe dieses Jahres die ersten Piloten in Predictive Analytics und Machine Learning umsetzen.

Im Fokus stehen dabei zunächst einfachere Anwendungsfälle, wie zum Beispiel die Vorhersage von Kennzahlen sowie die Verarbeitung von unstrukturierten Textinformationen im Fokus. Ab dem kommenden Jahr will der Dax-Konzern dann aber auch anspruchsvollere Anwendungsfelder in Angriff nehmen wie zum Beispiel das Erkennen von Mustern. Auch beim neuen Telekom-CFO Christian Illek dürfte das Thema Process Mining hoch auf der Agenda stehen.

desiree.backhaus[at]finance-magazin.de

„Heute können wir mit dem Tool nur den Ist-Zustand unserer Prozesse erkennen. Der nächste logische Schritt ist, nun auch Prognosen vornehmen zu können.“

Babak Ghasemi