Hinter vielen Unternehmen liegen angenehme Zeiten: Seit der Finanzkrise im Jahr 2008 wurden die Kapitalmärkte mit schier unendlichen Geldmengen überflutet. Abgesehen von einem Schreckensmoment im Jahr 2013 lief die Konjunktur von 2010 bis 2019 auf der Basis extrem billigen Kapitals durchgehend solide. Doch das hat sich geändert: Schon vor dem Ausbruch der Coronavirus-Pandemie waren etliche Anzeichen für einen Abschwung sichtbar, spätestens mit Ausbruch der Pandemie stehen nun zahlreiche Unternehmen vor existentiellen Fragestellungen. In solchen Phasen sollten Führungskräfte über das unternehmerische Handeln nachdenken und es gegebenenfalls neu ausrichten.
Das Grundproblem: In den fetten Jahren, wie wir sie im zurückliegenden Jahrzehnt erleben durften, neigen Manager aufgrund üppiger Margen oft dazu, das Thema Kostenkontrolle weniger diszipliniert anzugehen. Aktivitäten mit Ablenkungscharakter werden dann gerne als Innovation verkleidet und ineffiziente Nebentätigkeiten toleriert. Damit muss rechtzeitig Schluss sein: Wer in der Herbstphase des Konjunkturzyklus entschlossen handelt, kann sich noch konsequent für die Krise rüsten. Wer diesen Schritt dagegen versäumt, ist in der Winterphase vielen Zwängen unterworfen und kaum noch in der Lage, selbst zu gestalten.
Gerade die Verlagerung der Informationstechnik in die Cloud bietet viele Möglichkeiten, die Effizienz zu steigern und dem Unternehmen damit nicht nur in kritischen Phasen mehr Handlungsspielraum zu verschaffen. Einige Punkte gehören dafür auf den Prüfstand.
Gewachsene Strukturen hinterfragen
Ein großer Hebel liegt häufig darin, bestehende Strukturen zu hinterfragen. Viele Unternehmen nutzen für ihre verschiedenen Funktionen bereits Applikationen eines externen Dienstleisters, oftmals als Software-as-a-Service (SaaS). Der Vorteil liegt auf der Hand: hohe Investitionssummen und risikobehaftete Implementierungsprojekte entfallen. Zudem ergeben sich Einsparungen, weil Software und die IT-Infrastruktur bei einem externen IT-Dienstleister betrieben werden.
In der Umstrukturierung eines Not leidenden Unternehmens gehören insbesondere historisch gewachsene Software-Pakete, die oft nur noch von einzelnen Kompetenzträgern am Leben erhalten werden, auf den Prüfstand. Die Migration zu modernen web-basierten Services bietet oftmals Einsparpotential und lässt sich mit einer Verschlankung von Geschäftsprozessen gut verknüpfen.
Anbieter geben Transformation zu Cloud vor
Ein Stück weit geben auch die Anbieter den Wandel hin zur verstärkten Cloud-Nutzung vor: In der für die meisten Unternehmen typischen Microsoft-Umgebung lässt sich derzeit eine Transformation beobachten, die eine ähnliche Tragweite hat wie der Wechsel zu S4/Hana im SAP-Umfeld. Die Migration zu Microsoft Azure und Microsoft 365 (Office in der Cloud) sowie zu Microsoft Teams als Bedienoberfläche ist der endgültige Übergang in Richtung Cloud.
Diese neue technische Umgebung erfordert nicht nur einen Sinneswandel bei Anwendern, sie muss auch von den Administratoren im IT-Betrieb entsprechend begleitet werden. Der Mangel an Fachkräften, hohe Gehaltserwartungen sowie die laufende Weiterbildung in dieser Nische machen dies zu einer dauerhaft großen Herausforderung für den Mittelstand.
Innovationssprung zur Cloud als Chance
Den Evolutionssprung zur Cloud sollten Unternehmen als Chance begreifen, um die grundsätzliche Ausrichtung ihres eigenen IT-Betriebs zu überdenken. In Zeiten schnelllebiger Geschäfts- und Produktzyklen sollte der Fokus der IT ganz klar auf der Transformation des Geschäftsmodells liegen. Dieses Paradigma muss nicht erst in der Krise entdeckt und ernstgenommen werden – auch wenn es häufig in einer Krisensituation in den Fokus rückt.
Damit die firmeneigenen Fachkräfte den Freiraum haben, sich auf das umsatzrelevante Geschäftsmodell zu konzentrieren, können Unternehmen das Management der Cloud-Umgebung auf einen externen Dienstleister übertragen. Nur einzelne Prozessschritte auszulagern ist allerdings häufig kontraproduktiv: Durch komplexe Schnittstellen, den häufigen Bearbeiterwechsel zwischen internem Nutzer und externem Anbieter und daraus resultierende Verzögerungen verflüchtigen sich die beabsichtigten Kostenersparnisse schnell. Wer wirklich Synergien heben möchte, lagert besser ganze Prozessgruppen und -logiken aus.
Der wichtige Grundsatz lautet: Der „Maschinenraum“ der IT muss nicht von hauseigenem Personal bedient werden. Die dadurch gewonnene Flexibilität für Wachstum oder auch eine Konsolidierung ist oft ausgesprochen wertvoll.
IT-Sicherheit: Nicht am falschen Ende sparen
Auch wenn die Zeichen auf Restrukturierung stehen – an der IT-Sicherheit sollten Unternehmen auch in Krisenzeiten keinesfalls sparen. Das Bewusstsein für Angriffe aus dem Internet ist mittlerweile bei den meisten Unternehmensverantwortlichen geschärft. Jeder ist entweder schon selbst von Cybercrime betroffen gewesen oder kennt zumindest Betroffene aus seinem näheren Umfeld.
Ein geschärftes Bewusstsein ist unerlässlich: Kriminelle Akteure bedienen sich mittlerweile der Methoden der künstlichen Intelligenz und sind faktisch rund um die Uhr im Einsatz. Der schnelle Fortschritt auch in diesem Bereich macht es selbst gut aufgestellten Unternehmen fast unmöglich, mit den Angreifern und ihren Methoden Schritt zu halten.
Das Problem: Einfach eine teure Security-Software zu kaufen und einen oder zwei Spezialisten für das Thema einzustellen, greift zu kurz. Vielmehr ist heutzutage eine kompetente und rund um die Uhr besetzte Leitwarte für die IT-Sicherheit, ein sogenanntes Security Operations Center (SOC), das probate Mittel der Wahl.
Cloud-Migration kann schnelle Ergebnisse liefern
Ein Unternehmen, das in Schieflage geraten ist, sollte im Zuge seiner Restrukturierung die Chance nutzen, seine IT zu modernisieren. Liebgewonnene Eigenheiten in der Struktur der Prozesslandschaft, historisch gewachsene Systeme sowie vermeintlich innovative Aktivitäten abseits der Kernprozesse gehören kritisch und objektiv auf den Prüfstand. Ein Nebeneffekt der Anbindung von Cloud-basierten Services ist die schnelle Migration, die häufig innerhalb weniger Wochen oder Monate umgesetzt werden kann. Dadurch lassen sich oft schon während des laufenden Restrukturierungsprojekts messbare Ersparnisse erzielen und es entstehen neue Freiräume.
Neue Digitalisierungsoptionen zu sondieren sollte eine ständige Aufgabe für Unternehmenslenker sein. Sie sollten bereits die Zeit vor der Krise nutzen, um Aufgaben ohne direkten Wertbeitrag extern auszulagern und den Fous auf wertschöpfende Prozesse zu legen.