Nächste Hiobsbotschaft für den angeschlagenen Automobilzulieferer Leoni: Der mitten in einer komplexen und von Rückschlägen geprägten Restrukturierung steckende Automobilzulieferer muss sich zum 1. April nun auch noch einen neuen CEO suchen. Aldo Kamper wird die Nürnberger Ende März überraschend verlassen, „um kurzfristig eine neue Aufgabe zu übernehmen“, wie Leoni am Montagabend mitteilte.
Welche das konkret sein wird, wurde rund drei Stunden später bekannt: Den 52-jährigen Niederländer zieht es zurück an seine alte Wirkungsstätte Osram. Dort wird er „voraussichtlich im Laufe des Frühjahrs“ Alexander Everke als CEO des 2021 fusionierten Halbleiterherstellers Ams-Osram beerben, der den Posten sieben Jahre innehatte.
Vor seinem Amtsantritt als Leoni-CEO im September 2018 war Kamper bereits mehr als 15 Jahre in verschiedenen Führungspositionen bei Osram tätig, zuletzt als Leiter der Geschäftseinheit Opto Semiconductors. Laut der Ams-Osram-Aufsichtsratsvorsitzenden Margarete Haase werde Kamper „die strategische Ausrichtung des Unternehmens fortführen und weiterentwickeln“.
Leoni-CEO hatte einen Vertrag bis Ende 2026
Kampers Vertrag bei Leoni war im März 2021 vorzeitig bis 31. Dezember 2026 verlängert worden. Im Februar 2022 baute dann der österreichische Unternehmer Stefan Pierer mit Hilfe der Holding Pierer Industrie seine Anteile bei Leoni auf über 20 Prozent aus. Damit einherging ein Umbau des Leoni-Aufsichtsrates.
Pierer selbst forderte vom Vorstand mehr Tempo beim Umbau. Inwieweit dieser Umstand Kampers Abschied beeinflusst hat, ist unklar. Nach eigener Aussage hätte Kamper „die Restrukturierung dieses zukunftsträchtigen Unternehmens gern als CEO abgeschlossen“, doch das Angebot bei Osram sei die konsequente Fortsetzung seiner beruflichen Laufbahn: „Da konnte ich nicht Nein sagen“, so seine Begründung.
Auch Leonis Chefaufseher Klaus Rinnerberger hielt dem scheidenden Vorstandschef zugute, dass Kamper Leoni „in einer schwierigen Situation übernommen und durch extrem herausfordernde Zeiten geführt“ hat. Dem bewährten „Krisenmanager“ wünschte Rinnerberger für seine neue Aufgabe viel Erfolg und persönlich alles Gute.
Leoni-Refinanzierung ist vorerst gesichert
Dennoch kommt für seinen Noch-Arbeitgeber der Weggang Kampers definitiv zu einem prekären Zeitpunkt: Im Dezember 2022 war der schon in trockenen Tüchern geglaubte Verkauf der Kabelsparte an die thailändische Stark Corporation überraschend doch noch gescheitert. Der Deal galt als wichtiger Eckpfeiler des von Leoni mit seinen Gläubigern ausgehandelten Refinanzierungskonzepts. So sollten die Erlöse aus dem rund 442 Millionen Euro schweren Verkauf teilweise zur Schuldentilgung herangezogen werden.
Der Last-Minute-Absage von Stark zum Trotz scheint Leoni dabei noch Glück im Unglück gehabt zu haben: Nach Informationen von FINANCE konnte nämlich mit den an der Refinanzierung beteiligten Banken eine Einigung hinsichtlich verlängerter Kreditlinien erreicht werden. Ein halbes Jahr soll Leoni diesbezüglich nun erst einmal Planungssicherheit haben.
So schmerzhaft der Abgang an der Unternehmensspitze in dieser heiklen Phase zweifellos ist: Leoni muss die Nachfolgesuche nicht übers Knie brechen – auch wenn der Aufsichtsrat freilich „unverzüglich“ Gespräche aufnehmen wird, wie Leoni betonte. Denn das für die Zukunft des Unternehmens so maßgebliche Refinanzierungskonzept bleibt unverändert in den Händen von Chief Restructuring Officer (CRO) Hans-Joachim Ziems, den Leoni erst vor wenigen Wochen in den Vorstand berufen hat, und CFO Harald Nippel.
CRO Ziems und CFO Nippel bringen viel Erfahrung mit
Und die beiden verfügen über die notwendige Erfahrung: Ziems gilt als ausgewiesener Sanierungsexperte, der unter anderem die Restrukturierung der Werkstattkette A.T.U sowie des Holzverarbeiters Pfleiderer federführend begleitete. Zudem entfällt für ihn die Einarbeitungszeit: Ziems war bereits von April 2020 bis März 2021 als CRO bei Leoni tätig.
An seiner Seite steht mit CFO Nippel ein ebenfalls sehr erfahrener Manager: Der promovierte Wirtschaftsingenieur hat seit 1. April 2022 das Sagen über die Finanzen bei Leoni. Zuvor war er Finanzchef beim Maschinenbauer Krauss Maffei. Darüber hinaus soll er maßgeblich an Restrukturierungsprojekten beteiligt gewesen sein, wie Leoni in der damaligen Mitteilung zu Nippels Antritt betonte.
Philipp Hafner ist Redakteur bei FINANCE. Er hat Volkswirtschaftslehre an der Universität Bayreuth sowie an der University of Amsterdam studiert. Vor FINANCE arbeitete Philipp Hafner mehr als sechs Jahre bei der Verlagsgruppe Knapp/Richardi, zunächst als Volontär, anschließend dann als Redakteur für die Fachzeitschrift „Immobilien & Finanzierung“.