Herr Jessulat, bis 2018 steckte ElringKlinger in einer Krise – das Unternehmen hatte einen hohen Cash-Burn und war mit fast 800 Millionen Euro verschuldet. Drei Jahre später zeigt sich ein besseres Bild. Nachdem der operative Free Cashflow 2018 noch bei minus 160 Millionen Euro lag, erreichte ElringKlinger im ersten Halbjahr dieses Jahres 66 Millionen Euro. Wie ist Ihnen das gelungen?
Bei uns haben sich verschiedene Themen überlagert. Während wir damals viel Geld für die Globalisierung und die Umstellung auf Elektromobilität investiert haben, verdienten wir im angestammten Geschäft weniger als zuvor. 2018 wussten wir: Wir müssen uns für die Transformation besser aufstellen. Deshalb entwickelten wir einen drei Jahre umfassenden Turnaround-Plan, der ab 2019 umgesetzt wurde. Das Ziel war es, den Konzern schnell zu entschulden und profitabler zu werden. Obwohl der Plan noch bis Ende dieses Jahres läuft, haben wir unser Verschuldungsziel schon jetzt erreicht. Unsere Nettoverschuldung sank innerhalb der vergangenen drei Jahre von rund 800 Millionen auf 363 Millionen Euro. Den Leverage, gemessen am Ebitda, konnten wir von 4,7x auf 1,4x verbessern.
Wie hat der Turnaroundplan dabei konkret geholfen?
Wir haben in verschiedenen Bereichen Maßnahmen ergriffen, zum Beispiel im Forderungsmanagement, wo wir kürzere Zahlungsziele mit Abnehmern vereinbart haben. Darüber hinaus haben wir Zahlungsziele mit Lieferanten verlängert. Auch das Thema Investitionen war essentiell. Nur bei notwendigen Themen wie der Produktion von Batteriemodulen, Brennstoffzellenstacks oder neuen Antriebsystemen haben wir noch investiert. Aber das war es wert: Die Capexquote liegt mittlerweile im niedrigen einstelligen Prozentbereich vom Umsatz, früher waren es mitunter über 10 Prozent.
Und das soll so bleiben?
Nein. Wir sind am Ziel angekommen und werden jetzt wieder investieren, um die Transformation in der Mobilität aktiv mitzugestalten. Ich rechne damit, dass die Capexquote von jetzt an leicht steigen wird. Frühere Werte von 10 bis 11 Prozent des Umsatzes werden wir in den nächsten Jahren aber nicht mehr sehen. Auf der Agenda stehen Investitionen in Leichtbau, Batterien, Brennstoffzellen und elektrische Antriebseinheiten. Dabei gilt: Wir können zwar wieder investieren, wollen unser Pulver aber nicht ganz verschießen. Wir müssen in den nächsten Jahren in der Lage sein, wesentliche Investitionen in neue Technologien tätigen zu können.
Auch Elring Klinger litt unter Folgen der Coronakrise
Wie sehr hat die Coronakrise Elring Klinger getroffen?
Zu Beginn der Pandemie hatten wir einen großen Vorteil: Wir haben schon ein gutes Jahr vorher geübt, das Working Capital in einer zugegeben aggressiven Form zu steuern, sowohl bei Forderungen und Vorräten als auch bei Verbindlichkeiten. Als der Shutdown dann kam, hatten wir schon Pläne entwickelt, um auf die Kostenbremse treten zu können und unsere Wertschöpfungskette aktiv zu steuern. Auch mussten wir auf der Bezugsseite eingreifen und aufpassen, dass wir nicht zu viel Ware bestellen, die dann auf Lager liegt. Zudem haben wir von Kurzarbeit Gebrauch gemacht.
Und wäre Corona ein Jahr früher gekommen?
Dann wäre die Umsetzung unseres Plans schwieriger geworden, und vermutlich hätten wir die Kennzahlen nicht so erreichen können.
Finanzielle Maßnahmen haben Sie kürzlich dennoch getroffen und einen 450 Millionen Euro schweren Konsortialkredit um 100 Millionen Euro aufgestockt und bis 2026 verlängert. Wofür dient die Krediterweiterung?
Wir erhalten dadurch mehr finanziellen Spielraum, um die Transformation in der Mobilität mitzugestalten. Das bedeutet in erster Linie, Märkte zu erschließen und unser Produktportfolio in der neuen Antriebswelt stärker auszubauen.
Haben die besseren Kennzahlen bei der Verhandlung mit dem Konsortium aus sieben Banken geholfen?
Definitiv, es war nicht schwer, die Banken von der Krediterweiterung zu überzeugen. Alle sieben Banken – Commerzbank, Landesbank Baden-Württemberg, Deutsche Bank, DZ Bank, HSBC, Banque Européenne du Crédit Mutuel und Credit Suisse – haben sich an der Erhöhung beteiligt. Unsere verbesserten Halbjahreszahlen 2021 und unser breites Portfolio, was wir zuletzt durch die kürzlich abgeschlossenen Joint Ventures mit Airbus und Plastic Omnium im Bereich der Brennstoffzellentechnologie gestärkt haben, haben uns in den Verhandlungen geholfen. Zudem konnten wir bessere Konditionen erzielen. Das wird man auch am Ende des Jahres in unserem Zinsergebnis sehen.
Haben Sie Tranchen des Kredits denn bisher gezogen?
Im vergangenen Jahr hatten wir zwischenzeitlich den Kredit in Teilen in Anspruch genommen. Elring Klinger hat in diesem Jahr bereits knapp 100 Millionen Euro getilgt, nächstes Jahr sollen es nochmal so viel werden. Das Geld dafür wurde schon einkalkuliert, so dass keine weiteren finanziellen Maßnahmen erfolgen müssen.
Elring Klinger will Green-Finance-Markt erobern
Dennoch läuft 2024 ein 200 Millionen Euro schwerer Schuldschein aus.
Das steht als nächstes auf meiner Agenda. Wir haben noch ausreichend Zeit, um uns um die Refinanzierung zu kümmern, und schauen uns verschiedene Instrumente an. So viel kann ich aber schon verraten: Auch Elring Klinger wird sich Green Finance widmen.
Sie sind durchfinanziert und haben die Ziele des Effizienzsteigerungsprogramms erreicht. Was steht als nächstes auf der Agenda, wenn das Programm ausläuft?
Wir wollen unseren Leverage auch vor dem Hintergrund, dass wir in die neuen Antriebstechnologien investieren, in den nächsten Jahren weiterhin unter 2x halten.
Mit Blick auf die Strategie müssen wir unser Portfolio – gerade im Hinblick auf Verbrennungsmotoren – verändern. Dass wir zum Konsolidierer werden, haben wir früh ausgeschlossen. Wir wollen uns mit neuen Technologien weiterentwickeln. Und bei der Finanzsteuerung rückt als nächstes die Kapitalverzinsung auf der Agenda weiter hoch.
Inwiefern?
Derzeit bewegt sich unsere Verzinsung noch unter den Konzernkapitalkosten. Das muss besser werden – womöglich auch mit einer Veränderung unserer Wertschöpfungsketten.
Was plant Elring Klinger bei M&A?
Also wird auch M&A wieder wichtiger.
Natürlich schauen wir uns um, aber aus technologischer Sicht haben wir gerade keine Notwendigkeit, uns neue Expertise ins Haus zu holen. Zudem sind technologisch starke Unternehmen derzeit sehr hoch bewertet. Früher dachten wir noch: Wenn wir zukaufen, wollen wir Mehrheitseigner oder kompletter Eigentümer sein. Jetzt schlagen wir einen anderen Weg ein. Bei strategischen Fragen kann ich mir eher weitere Joint Ventures vorstellen. Kurzfristig haben wir hier aber nichts mehr in petto.
Sie haben als CFO anstrengende drei Jahre hinter sich. Welche Lehre nehmen Sie mit?
Wichtig ist konsequentes Handeln. Auch wenn das Umfeld schwierig ist und es unterschiedliche Interessenlagen gibt, sollte man sich als CFO an die Linie halten, die man sich vorher überlegt hat.
sarah.backhaus[at]finance-magazin.de
Sarah Backhaus ist Redakteurin bei FINANCE und DerTreasurer. Sie hat Journalismus an der Hochschule für Medien, Kommunikation und Wirtschaft in Köln studiert. Sarah Backhaus arbeitete während ihres Studiums unter anderem für Onlinemagazine von Gruner + Jahr und schrieb als freie Journalisten für die Handelszeitung, faz.net und Impulse.