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So leidet Uniper unter der Russland-Krise

Gasspeicher von Uniper in Etzel (Ostfriesland): Der Ukrainekrieg trifft den Energieversorger auf vielen Feldern, nicht nur beim Gas. Foto: Uniper
Gasspeicher von Uniper in Etzel (Ostfriesland): Der Ukrainekrieg trifft den Energieversorger auf vielen Feldern, nicht nur beim Gas. Foto: Uniper

Der geschäftlich eng mit Russland verwobene Energiekonzern Uniper hat die Karten auf den Tisch gelegt und dem Kapitalmarkt gemeldet, an wie vielen Stellen die Folgen des Russland-Ukraine-Konflikts den Konzern treffen. Die Liste ist lang, und die absehbaren Schäden sind immens.

Der unmittelbar größte finanzielle Schaden tritt über die nun nicht mehr genehmigungsfähige Gaspipeline Nord Stream 2 ein: Uniper schreibt sein Darlehen an die Betreibergesellschaft inklusive aufgelaufener Zinsen vollständig ab. Schaden für die Bilanz: 987 Millionen Euro. Zudem muss Uniper wegen des Ausfalls von Nord Stream 2 in Zukunft auf Zinserträge von 100 Millionen Euro pro Jahr verzichten. Das entspricht rund 10 Prozent des bereinigten Ebits, das der Konzern 2021 noch von 0,9 auf 1,2 Milliarden Euro steigern konnte.

Wert von Unipers Unipro-Anteil schmilzt

Noch größer könnten die Verluste möglicherweise in Russland selbst sein. Dort ist Uniper mit fast 84 Prozent an dem in Moskau börsennotierten Stromversorger Unipro beteiligt, der eine Kraftwerksflotte mit einer Erzeugungskapazität von 11 Gigawatt betreibt.

Ende vergangenen Jahres hat Uniper einen M&A-Prozess zum Verkauf dieser Beteiligung angestoßen. Damals hatte Unipro einen Börsenwert von fast 200 Milliarden Rubel, und 80 Rubel entsprachen in etwa 1 Euro. Damit war das Uniper-Paket damals rund 2 Milliarden Euro wert, eine mögliche Kontrollerwerbsprämie im Zuge eines M&A-Deals nicht mit eingerechnet.

Heute ist Unipro nur noch 100 Milliarden Rubel wert, und der Wechselkurs des Rubels zum Euro ist auf 145 abgestürzt. Dies hat den Wert des Uniper-Anteils an Unipro auf rund 600 Millionen Euro abstürzen lassen – ein kriegsbedingter Wertrückgang von rund 70 Prozent oder 1,4 Milliarden Euro. Und ob – beziehungsweise wann – Uniper diesen Restwert überhaupt realisieren kann, steht in den Sternen. Den Verkaufsprozess hat die Konzernführung erst einmal gestoppt. Er soll jedoch „sobald wie möglich“ wieder aufgenommen werden.

Unipro erwirtschaftete 2021 rund 20 Prozent des Konzern-Ebits von Uniper. Ob der Konzern jetzt noch Dividenden oder ähnliche Zahlungen aus seiner Beteiligung herausziehen kann, ist angesichts der Sanktionen im Zahlungsverkehr mit Russland zweifelhaft. Uniper selbst wird „bis auf weiteres“ jedenfalls keine Mittel mehr an Unipro überweisen.

Und noch ein M&A-Deal könnte platzen. Die Investmentbanker der Citigroup sind gerade dabei, Unipers 20-Prozent-Anteil an der Gaspipeline „Opal“ zu verkaufen, einer Art Anschlussleitung von Nord Stream 1 in Richtung Tschechien. Nach FINANCE-Informationen war dieser M&A-Prozess kurz vor Ausbruch des Ukraine-Kriegs auf der Zielgeraden. Doch ob sich jetzt noch ein Käufer für einen Minderheitsanteil in einem Gazprom-dominierten Projekt findet? Uniper hatte auf einen Verkaufserlös von mindestens 300 Millionen Euro gehofft.

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CFO Tiina Tuomela fürchtet „Notstand“ des Gassystems

Nächstes Problemfeld ist der Gashandel. Uniper verfügt über ein Portfolio von langfristigen Gaslieferverträgen mit einem Volumen von 370 Terawattstunden (TWh). Davon stammen 200 TWh aus Russland. Der Russlandanteil an Unipers Gasportfolio ist damit sogar noch etwas höher als der Russlandanteil an den deutschen Gasimporten, der 55 Prozent beträgt. Uniper will nun keine neuen Gaslieferverträge mit Russland mehr abschließen und seine Bezugsquellen diversifizieren.

Doch bis die Abhängigkeit von russischem Gas überwunden ist, hat Uniper schlimme Befürchtungen. Der Konzern schätzt das Risiko, dass die Gasflüsse von Russland nach Deutschland komplett unterbrochen werden, nach Aussage von Finanzchefin Tiina Tuomela zwar als „gering“ ein. Aber sollte es dazu kommen, geht Uniper davon aus, dass das Bundeswirtschaftsministerium dann „höchstwahrscheinlich“ den Notstand ausrufen würde.

Dann würde die Bundesnetzagentur die Kontrolle über das deutsche Gassystem übernehmen, inklusive der Leitungen und Speicher von Uniper. „Wir gehen davon aus, dass solche Maßnahmen und Ereignisse die bestehenden vertraglichen Vereinbarungen ersetzen würden“, schreibt Uniper. Kurz: Die Uniper-Industriekunden müssen damit rechnen, dass sie dann nicht mehr die volle eingekaufte Gasmenge von Uniper erhalten werden.

Uniper will Kohlekraftwerke länger laufen lassen

Darüber hinaus importiert Uniper für den Betrieb seiner Kohlekraftwerke auch Kohle aus Russland. Die bestehenden Lieferverträge mit Russland laufen Ende dieses Jahres aus. Uniper will sie nicht erneuern und rüstet seine Kraftwerksblöcke derzeit schon in einer Weise um, dass sie auch mit Kohle aus anderen Lieferregionen betrieben werden könnten.

Darin bietet sich die erste Geschäftschance für die Düsseldorfer in der Russlandkrise: Der Konzern bereitet vier seiner deutschen Kohlekraftwerke auf einen längeren Betrieb vor als geplant. Die Blöcke könnten benötigt werden, wenn Gaskraftwerke wegen Gasmangels abgeschaltet werden müssten. Doch auch davon betreibt Uniper einige, unter anderem ein großes Gaskraftwerk im bayerischen Irsching. Den potentiellen neuen Erträgen stünden also auch nennenswerte Einbußen gegenüber.

Uniper will KfW-Fazilität verlängern

Das letzte Importproblem betrifft Ammoniak. Diesen Rohstoff wollte Uniper demnächst vom russischen Rohstoffkonzern Novatek über den Hafen in Wilhelmshafen importieren. Die Gespräche zu diesem Thema seien nun „auf Eis gelegt“.

Stattdessen hat Uniper die Pläne für den Bau eines Flüssigerdgas-Import-Terminals in Wilhelmshaven wieder aufgenommen. Die Bundesregierung hat diesen Standort als einen von zweien benannt, an denen nun so schnell wie möglich LNG-Terminals errichtet werden sollen. Bis zur Inbetriebnahme wird es aber trotz der großen Eile wohl noch bis zu fünf Jahre dauern.

Im Angesicht all dieser Brandherde hat CFO Tuomela die KfW gebeten, die jüngst vereinbarte „Back-up-Fazilität“ über 2 Milliarden Euro zu verlängern. Uniper hatte diese Notlinie rund um den Jahreswechsel arrangiert, weil die Cash-Hinterlegungspflichten für Gaspreis-Absicherungsgeschäfte parallel mit den Gaspreisen durch die Decke geschossen sind. Dies hat bei Uniper zu einem milliardenschweren Liquiditätsbedarf geführt, den aktuell noch die Hausbanken und der finnische Hauptaktionär Fortum abdecken, bald aber womöglich auch die KfW. Noch jedoch hat Uniper eigenen Angaben zufolge die KfW-Fazilität nicht gezogen. Eigentlich liefe sie Ende April aus. Eine Antwort der KfW auf das Anliegen von Uniper steht noch aus.  

Die Börse schätzt die Summe der Schäden für Uniper als gravierend ein, seit dem Ausbruch des Ukrainekriegs hat sich der Aktienkurs von Uniper auf 19 Euro halbiert. Dies entspricht einem Wertverlust von rund 6 Milliarden Euro.