Redakteurin https://www.finance-magazin.de/ueber-uns/redaktion/backhaus/ für kluge Finanzentscheidungen Fri, 26 May 2023 12:15:08 +0000 de-DE hourly 1 https://wordpress.org/?v=6.2.2 Wird das Schutzschirmverfahren missbraucht? https://www.finance-magazin.de/transformation/insolvenz/wird-das-schutzschirmverfahren-missbraucht-153766/ Fri, 26 May 2023 06:00:00 +0000 https://www.finance-magazin.de/?p=153766 Der Schutzschirm wird gerade vermehrt genutzt. Kritiker fürchten einen Missbrauch. Foto: TimeStopper - stock.adobe.com

Viele insolvente Unternehmen haben sich zuletzt für den Schutzschirm entschieden. Kritiker meinen, das Verfahren werde missbraucht. Was ist an den Vorwürfen dran?

Erst vor rund einer Woche meldete das Solarunternehmen Sono Motors das Schutzschirmverfahren an. Damit ist das Unternehmen aus Bayern nicht allein. In den vergangenen Monaten wurde das Insolvenzverfahren verhältnismäßig oft angewandt.

Vor allem in der Modebranche wird der Schutzschirm auffällig oft eingesetzt. Jüngste Beispiele sind  Peek & Cloppenburg (P&C), Galeria Karstadt Kaufhof (GKK), Salamander, Appelrath Cüpper oder Görtz. Doch dieser Entwicklung stehen Kritiker negativ entgegen: „Unternehmen nutzen das Sanierungsinstrument missbräuchlich, um unternehmerische Fehler zu kaschieren“, heißt es in einem Kommentar im „Handelsblatt“. Trigema-Eigentümer Wolfgang Grupp schreibt, dass das von P&C angemeldete Schutzschirmverfahren „ein unerhörter Skandal zu Lasten der ehrbaren Unternehmer und der gesamten Gesellschaft ist“.

Was hat es mit den Vorwürfen auf sich? Nutzen Unternehmen das Verfahren derzeit wirklich aus, um eigene Interessen durchzusetzen?

<!-- Paywall -->

Vorwurf 1: Das Management kann über alles entscheiden

Als erstes monieren die Kritiker, dass das Management, das beim Schutzschirm an Bord bleibt und weiterhin bezahlt wird, weiter ohne jegliche Eingriffe agieren könne und die eigenen Interessen durchsetzen würde.

Stefan Weniger, Mitglied des Forums 270, weist die Vorwürfe zurück: „Wie alle Insolvenzverfahren steht auch der Schutzschirm unter gerichtlicher Kontrolle.“ Beim Schutzschirmverfahren gibt es einen Gläubigerausschuss, der die Interessen der Gläubiger vertritt. „Der Ausschuss entscheidet über den wesentlichen Gang des Verfahrens.“ Über einen Asset-Deal müsste der Ausschuss zum Beispiel mehrheitlich abstimmen.

Zudem binde der Richter bei einem Schutzschirmverfahren insbesondere die Gläubiger ein und erteile ihnen Mitspracherecht. „Dass die Entscheidungen im Verfahren zu Lasten der Gläubiger getroffen werden, stimmt also nicht“, sagt Weniger.

Vorwurf 2: Das Management wird nicht „bestraft“

Weiter stellen die Kritiker infrage, weshalb das Management, das ein Unternehmen in die Insolvenz treiben lassen konnte, weiter an Bord bleibt. Der Vorwurf: Das Management könne auf diese Weise seine Fehler verstecken, da es keinen externen, unabhängigen Kontrolleur gibt.

Denn anders als beim Regelinsolvenzverfahren gibt es unter dem Schutzschirm keinen Insolvenzverwalter, der das Ruder in die Hand nimmt und im Sinne der Gläubiger agiert. Es gibt stattdessen einen Sachwalter, der vom Schuldner vorgeschlagen wird, und die Aufsicht übernehmen soll – und versucht, alle gegenläufigen Interessen unter einen Hut zu bekommen, auch die des Managements. Auch muss sich die Geschäftsführung insolvenzrechtlich beraten lassen.

Aber: Das Gericht ist verpflichtet, ein Schutzschirmverfahren abzuweisen, wenn es das Management für nicht geeignet hält. „Fehlentscheidungen und Scheitern gehören dazu. Das bedeutet nicht, dass das Management einen schlechten Job gemacht hat“, glaubt Forumsmitglied Silvio Höfer. Es gebe viele Gründe, die ein Scheitern verursachen könnten.

Vorwurf 3: Schutzschirm ist die schöngefärbte Insolvenz

Ein weiterer Vorwurf lautet, dass der Schutzschirm durch die Zunahme der Verfahren nicht mehr als richtige Insolvenz wahrgenommen wird. „Je mehr Unternehmen Insolvenz anmelden, desto größer ist der Anreiz für Konkurrenten, es auch zu tun. Das Reputationsrisiko ist nicht mehr so hoch“, heißt es beispielsweise im „Handelsblatt“-Kommentar. Auch Unternehmensbeispiele wie GKK sollen dazu führen, dass das Verfahren Schule macht. Die Warenhauskette hat in wenigen Jahren sogar zweimal den Schutzschirm angemeldet.

Experte Weniger weist jedoch darauf hin, dass das Schutzschirmverfahren mit die höchsten Eintrittsvoraussetzungen hat. So darf das Unternehmen noch nicht zahlungsunfähig sein und muss das mit einer Bescheinigung eines Steuerberaters oder Wirtschaftsprüfers nachweisen. Höfer ergänzt, dass das Unternehmen dem Gericht bereits bei der Antragstellung eine Planung vorlegen muss, die schon eine Fortführungslösung für das Unternehmen skizziert. Auch die Gläubiger müssten der Planung zustimmen. „Entscheidend ist zudem, dass der Antrag frühzeitig gestellt wird. Wenn zum Beispiel die Liquiditätslücke zu groß ist, wird das Gericht den Antrag höchstwahrscheinlich abweisen“, so Rechtsanwalt Höfer.

Vorwurf 4: Alle anderen kommen für die Kosten auf

Heftige Kritik gibt es auch dafür, dass Unternehmen sich mit staatlichen Zuschüssen von Schulden befreien sollen – und das auf Kosten der Lieferanten und Steuerzahler. GKK soll durch die Inanspruchnahme von Staatshilfen und Insolvenzgeld laut „Handelsblatt“ fast 1 Milliarde Euro im Feuer stehen haben.

Die Medaille hat zwei Seiten. Wie bei einer Regelinsolvenz können die bisherigen Verträge mit Kreditgebern und Warenlieferanten aufgehoben werden. Sie müssen auf Forderungen verzichten. Hier komme es aber darauf an, wie sie abgesichert sind, sagt Weniger.

Was nicht stimmt: dass das dreimonatige Insolvenzgeld von Steuergeldern bezahlt wird. Das Geld zahlt die Bundesanstalt für Arbeit wie üblich aus der Insolvenzumlage. Das ist ein Topf, in den alle Arbeitgeber Beiträge einzahlen müssen, um Unternehmen in Schieflage zu helfen. Darüber hinaus fallen noch Kosten für den Sachwalter und entsprechende Beratung an. „Bei einer ordnungsgemäßen Durchführung von Schutzschirm und Eigenverwaltung sind die Kosten nicht höher als bei einem fremdverwalteten Regelinsolvenzverfahren“, so Weniger. Auch das müsse vom Unternehmen nachgewiesen werden.

Damit Unternehmen den Schutzschirm nutzen können, müssen sie also mehrere Hürden überqueren. Eine genaue Planung ist ein Muss, hier hat das Management den Vorteil, dass es das Unternehmen besser kennt und verschiedene Fortführungsoptionen besser abwägen kann. Dass es derzeit zu mehr Schutzschirmverfahren kommt, liegt wohl daran, dass nach dem Auslaufen der Corona-Hilfsmaßnahmen und einem erschwerten Zugang zu Finanzierungen einfach mehr Unternehmen in Schieflage geraten.

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Der Schutzschirm wird gerade vermehrt genutzt. Kritiker fürchten einen Missbrauch. Foto: TimeStopper - stock.adobe.com

Viele insolvente Unternehmen haben sich zuletzt für den Schutzschirm entschieden. Kritiker meinen, das Verfahren werde missbraucht. Was ist an den Vorwürfen dran?

Erst vor rund einer Woche meldete das Solarunternehmen Sono Motors das Schutzschirmverfahren an. Damit ist das Unternehmen aus Bayern nicht allein. In den vergangenen Monaten wurde das Insolvenzverfahren verhältnismäßig oft angewandt.

Vor allem in der Modebranche wird der Schutzschirm auffällig oft eingesetzt. Jüngste Beispiele sind  Peek & Cloppenburg (P&C), Galeria Karstadt Kaufhof (GKK), Salamander, Appelrath Cüpper oder Görtz. Doch dieser Entwicklung stehen Kritiker negativ entgegen: „Unternehmen nutzen das Sanierungsinstrument missbräuchlich, um unternehmerische Fehler zu kaschieren“, heißt es in einem Kommentar im „Handelsblatt“. Trigema-Eigentümer Wolfgang Grupp schreibt, dass das von P&C angemeldete Schutzschirmverfahren „ein unerhörter Skandal zu Lasten der ehrbaren Unternehmer und der gesamten Gesellschaft ist“.

Was hat es mit den Vorwürfen auf sich? Nutzen Unternehmen das Verfahren derzeit wirklich aus, um eigene Interessen durchzusetzen?

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Vorwurf 1: Das Management kann über alles entscheiden

Als erstes monieren die Kritiker, dass das Management, das beim Schutzschirm an Bord bleibt und weiterhin bezahlt wird, weiter ohne jegliche Eingriffe agieren könne und die eigenen Interessen durchsetzen würde.

Stefan Weniger, Mitglied des Forums 270, weist die Vorwürfe zurück: „Wie alle Insolvenzverfahren steht auch der Schutzschirm unter gerichtlicher Kontrolle.“ Beim Schutzschirmverfahren gibt es einen Gläubigerausschuss, der die Interessen der Gläubiger vertritt. „Der Ausschuss entscheidet über den wesentlichen Gang des Verfahrens.“ Über einen Asset-Deal müsste der Ausschuss zum Beispiel mehrheitlich abstimmen.

Zudem binde der Richter bei einem Schutzschirmverfahren insbesondere die Gläubiger ein und erteile ihnen Mitspracherecht. „Dass die Entscheidungen im Verfahren zu Lasten der Gläubiger getroffen werden, stimmt also nicht“, sagt Weniger.

Vorwurf 2: Das Management wird nicht „bestraft“

Weiter stellen die Kritiker infrage, weshalb das Management, das ein Unternehmen in die Insolvenz treiben lassen konnte, weiter an Bord bleibt. Der Vorwurf: Das Management könne auf diese Weise seine Fehler verstecken, da es keinen externen, unabhängigen Kontrolleur gibt.

Denn anders als beim Regelinsolvenzverfahren gibt es unter dem Schutzschirm keinen Insolvenzverwalter, der das Ruder in die Hand nimmt und im Sinne der Gläubiger agiert. Es gibt stattdessen einen Sachwalter, der vom Schuldner vorgeschlagen wird, und die Aufsicht übernehmen soll – und versucht, alle gegenläufigen Interessen unter einen Hut zu bekommen, auch die des Managements. Auch muss sich die Geschäftsführung insolvenzrechtlich beraten lassen.

Aber: Das Gericht ist verpflichtet, ein Schutzschirmverfahren abzuweisen, wenn es das Management für nicht geeignet hält. „Fehlentscheidungen und Scheitern gehören dazu. Das bedeutet nicht, dass das Management einen schlechten Job gemacht hat“, glaubt Forumsmitglied Silvio Höfer. Es gebe viele Gründe, die ein Scheitern verursachen könnten.

Vorwurf 3: Schutzschirm ist die schöngefärbte Insolvenz

Ein weiterer Vorwurf lautet, dass der Schutzschirm durch die Zunahme der Verfahren nicht mehr als richtige Insolvenz wahrgenommen wird. „Je mehr Unternehmen Insolvenz anmelden, desto größer ist der Anreiz für Konkurrenten, es auch zu tun. Das Reputationsrisiko ist nicht mehr so hoch“, heißt es beispielsweise im „Handelsblatt“-Kommentar. Auch Unternehmensbeispiele wie GKK sollen dazu führen, dass das Verfahren Schule macht. Die Warenhauskette hat in wenigen Jahren sogar zweimal den Schutzschirm angemeldet.

Experte Weniger weist jedoch darauf hin, dass das Schutzschirmverfahren mit die höchsten Eintrittsvoraussetzungen hat. So darf das Unternehmen noch nicht zahlungsunfähig sein und muss das mit einer Bescheinigung eines Steuerberaters oder Wirtschaftsprüfers nachweisen. Höfer ergänzt, dass das Unternehmen dem Gericht bereits bei der Antragstellung eine Planung vorlegen muss, die schon eine Fortführungslösung für das Unternehmen skizziert. Auch die Gläubiger müssten der Planung zustimmen. „Entscheidend ist zudem, dass der Antrag frühzeitig gestellt wird. Wenn zum Beispiel die Liquiditätslücke zu groß ist, wird das Gericht den Antrag höchstwahrscheinlich abweisen“, so Rechtsanwalt Höfer.

Vorwurf 4: Alle anderen kommen für die Kosten auf

Heftige Kritik gibt es auch dafür, dass Unternehmen sich mit staatlichen Zuschüssen von Schulden befreien sollen – und das auf Kosten der Lieferanten und Steuerzahler. GKK soll durch die Inanspruchnahme von Staatshilfen und Insolvenzgeld laut „Handelsblatt“ fast 1 Milliarde Euro im Feuer stehen haben.

Die Medaille hat zwei Seiten. Wie bei einer Regelinsolvenz können die bisherigen Verträge mit Kreditgebern und Warenlieferanten aufgehoben werden. Sie müssen auf Forderungen verzichten. Hier komme es aber darauf an, wie sie abgesichert sind, sagt Weniger.

Was nicht stimmt: dass das dreimonatige Insolvenzgeld von Steuergeldern bezahlt wird. Das Geld zahlt die Bundesanstalt für Arbeit wie üblich aus der Insolvenzumlage. Das ist ein Topf, in den alle Arbeitgeber Beiträge einzahlen müssen, um Unternehmen in Schieflage zu helfen. Darüber hinaus fallen noch Kosten für den Sachwalter und entsprechende Beratung an. „Bei einer ordnungsgemäßen Durchführung von Schutzschirm und Eigenverwaltung sind die Kosten nicht höher als bei einem fremdverwalteten Regelinsolvenzverfahren“, so Weniger. Auch das müsse vom Unternehmen nachgewiesen werden.

Damit Unternehmen den Schutzschirm nutzen können, müssen sie also mehrere Hürden überqueren. Eine genaue Planung ist ein Muss, hier hat das Management den Vorteil, dass es das Unternehmen besser kennt und verschiedene Fortführungsoptionen besser abwägen kann. Dass es derzeit zu mehr Schutzschirmverfahren kommt, liegt wohl daran, dass nach dem Auslaufen der Corona-Hilfsmaßnahmen und einem erschwerten Zugang zu Finanzierungen einfach mehr Unternehmen in Schieflage geraten.

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„Beim Rating dürfen zwei Buchstaben stehen“ https://www.finance-magazin.de/transformation/beim-rating-duerfen-zwei-buchstaben-stehen-153208/ Fri, 19 May 2023 06:00:00 +0000 https://www.finance-magazin.de/?p=153208 Thomas Dippold hat eine Refinanzierung für SGL Carbon eingetütet. Foto: SGL Carbon

Rote Zahlen, hohe Schulden, schwaches Geschäft: Die vergangenen Jahre waren für SGL Carbon nicht einfach. Nun ist die Restrukturierung beendet. CFO Thomas Dippold über die neue Finanzierungsstruktur.

Herr Dippold, Sie haben gerade eine für SGL Carbon sehr wichtige Transaktion abgeschlossen: Ende März konnten Sie über Amend & Extend eine bevorstehende Kreditfälligkeit refinanzieren, trotz eines ziemlich herausfordernden Umfelds. Wie kam es dazu?
Richtig, wir haben unsere Revolving Credit Facility mit einem Gesamtvolumen von 175 Millionen Euro bis 2026 verlängern können. Eigentlich wäre der Kredit im Januar 2024 fällig geworden, die ersten Gespräche mit den Banken hatten wir Ende vergangenen Jahres geführt. Das Besondere ist, dass wir die Finanzierungsstruktur mit den Banken neu verhandelt haben.

Wie meinen Sie das?
100 Millionen Euro in der RCF dienen weiter als Liquiditätspuffer für allgemeine Unternehmenszwecke, 75 Millionen Euro dürfen wir nun als Term Loan Facility zur Refinanzierung von Kapitalmarktverbindlichkeiten nutzen.

Üblicherweise wollen Banken ungern Kapitalmarkttransaktionen refinanzieren. Wie kam es dazu, und wie teuer gestaltete sich das?
Über die Konditionen haben wir mit den Banken hart gerungen. Und machen wir uns nichts vor: Durch die gestiegenen Kapitalmarktkosten ist das Instrument Amend & Extend deutlich teurer als vorher. Dennoch rechnen wir damit, dass wir die erhöhten Kosten teilweise durch Guthabenzinsen bei Geldmarktpapieren wieder reinholen können.

Warum war Amend & Extend so naheliegend?
Dafür hat noch ein anderer Grund gesprochen: Wir haben einen Bond über 250 Millionen Euro, der im nächsten Jahr im September fällig wird. Der Bond und die RCF teilen sich ein Sicherheitspaket. Hätten wir dieses Paket aufgeschnürt, wäre eine Transaktion mit einem neuen Vertrag wesentlich komplexer und teurer geworden.

<!-- Paywall -->

SGL koppelt erstmals Kredit an ESG-Ziele

Mit Blick auf die Schieflagen von Silicon Valley Bank und Credit Suisse, die kurz danach bekannt wurden, haben Sie jedoch ein gutes Zeitfenster erwischt.
Ja, erst im Nachhinein hat sich herausgestellt, dass unser Timing goldrichtig war. Nach den von Ihnen genannten Ereignissen hat sich der Risikoappetit der Banken nämlich nochmal deutlich verändert. Das hätte auch Auswirkungen auf unsere Konditionen haben können. Wir sind sehr froh darüber, die Refinanzierung der RCF so zeitnah 2023 umgesetzt zu haben. Dies war durch die anhaltende Volatilität am Markt ohnehin schon schwierig, gerade in unserem Ratingumfeld. Uns hat auf jeden Fall geholfen, dass wir die RCF, also den reinen Liquiditätsbedarf, verringert haben. Das ist ein Zeichen für unsere Banken, dass wir nicht so viel Bedarf haben. Für die Verlängerung haben wir sechs unserer Kernbanken angefragt – alle sind mitgezogen. Vorher bestand das Konsortium aus sieben Banken.

In der Transaktion steckt ein weiteres Novum. Zum ersten Mal wurden die Zinsen an Nachhaltigkeitsziele gekoppelt. Wie kam es dazu?
Wir wollen in unserer Branche zum Vorreiter für ESG werden. So haben wir die Zinsen an die Reduzierung der CO2-Emissionen in der eigenen Produktion, also Scope 1 und 2, sowie die Reduzierung der Unfallrate gekoppelt. Das haben unsere Treasury- und Nachhaltigkeitsabteilung gemeinsam mit einer der Banken strukturiert. Unabhängig davon konnten wir noch andere Bedingungen einführen, die so bislang nicht im Vertrag angelegt waren. So hängen die Zinsen jetzt nicht mehr wie vorher nur vom Leverage ab, sondern auch vom Rating von SGL. Das ist nicht so üblich für ein Unternehmen unserer Größe. Zudem haben wir auch Erleichterungen bei den sonstigen Kreditbedingungen (Baskets) verhandeln können. Das spiegelt unsere deutlich verbesserte Bilanz- und Geschäftssituation wider.

SGL hat Restrukturierung abgeschlossen

Die Refinanzierung des Kredits ist nur der letzte Baustein einer mehrjährigen Restrukturierung. Sie sind 2020 zu SGL Carbon gekommen – ein Jahr, in dem nicht nur der gesamte Vorstand ausgewechselt wurde, sondern in dem es auch nicht sehr rosig für SGL aussah. Wie blicken Sie darauf zurück?
2020 war ein sehr ernstes Jahr für SGL – die Nettofinanzschulden lagen damals bei knapp 290 Millionen Euro, dagegen stand ein operativer Gewinn von 124 Millionen Euro auf Ebitda-Level. Damals hatten wir noch ein Triple-C+-Rating. Im damaligen April fingen Treasury-Leiter Uli Wittenborn, im Juni dann CEO Torsten Derr und ich im Oktober an. Wir wussten alle: Wir müssen das Unternehmen wieder auf die richtige Spur bringen, sonst wird es eng.

Was meinen Sie damit genau?
Als ich angefangen habe, haben wir sehr schnell eine Analyse der operativen Leistungsfähigkeit durchgeführt, die verschiedene Punkte beinhaltet hat. Bis dato war SGL ein eher intransparentes Unternehmen.

In welcher Hinsicht?
Ein Beispiel: Im Controlling wurden Sachen immer weiterverrechnet. Intern galt der Satz: „Meine Kostenstelle ist kein Problem, weil ich mich zu hundert Prozent weiterverrechne.“ Das hat zwar nichts mit der absoluten Höhe der Kostenaufwendung zu tun, dennoch zeigte die Situation, wie das Machtspiel am Ende war und wie weit allokiert und weiterverrechnet wurde. Hier mussten wir die Prozesse verändern.

Was tauchte noch auf?
In der Analyse haben wir dann zudem festgestellt, dass wir einen riesigen Abschreibungsbedarf hatten. Eine weitere Herausforderung war, dass wir wegen einer aufgeschobenen Kaufpreisverpflichtung eines Joint Ventures Ende 2020 einen mittleren zweistelligen Millionen-Euro-Betrag überweisen mussten – in solch einer Situation eine echte Hürde. Das alles fiel in meine ersten zwei Wochen bei SGL, es war eine sehr turbulente Zeit. Wir haben dann schließlich in Form eines Restrukturierungsplans Maßnahmen und Initiativen identifiziert.

CFO Dippold setzte mehrere Maßnahmen um

Wie genau sah der Restrukturierungsplan aus?
Im Prinzip mussten wir vier Punkte umsetzen: alle verlustbringenden Geschäfte einstellen und das profitable Geschäft stärken. Zudem mussten wir die Kosten senken sowie Strukturen und Prozesse verschlanken und verbessern. Ziel war, über 100 Millionen Euro im Jahr nachhaltig einzusparen.

Neben der operativen Transformation haben Sie auch einiges auf der finanziellen Seite umgesetzt, vor allem auf der Passivseite.
Nachdem wir einige Bereiche in der Finanzabteilung neu zugeschnitten hatten, haben wir uns gemeinsam die Bilanz und Kapitalflussrechnung angeschaut und geprüft, was noch zu holen ist. Mir ist besonders die Eigenkapitalquote aufgefallen, die nach dem Impairment-Bedarf bei 17,5 Prozent lag – das war so nicht auskömmlich.

Wie haben Sie reagiert?
Als eine Maßnahme haben wir nicht genutzte Grundstücke und Gebäude verkauft und damit den Cashflow gestärkt und die Verschuldung zurückgefahren. Ein Beispiel: Wir haben einen Standort in Griesheim bei Frankfurt am Main veräußert. Für das Grundstück hätten wir noch 40 Jahre Erbpachtzins zahlen müssen, dadurch hatten wir eine große Rückstellung in unseren Büchern. Nach dem Verkauf konnten wir die Rückstellung auflösen und damit das Eigenkapital stärken.

Haben Sie weitere Projekte definiert?
Ja, ein sehr großes Projekt hat das Konzern-Treasury um Leiter Uli Wittenborn durchgeführt. SGL, die weltweit über 4.700 Mitarbeiter zählt, hatte einen bunten Strauß an Defined-Benefit-Modellen, die wir restrukturiert haben. Wir haben dann verschiedene Maßnahmen durchgeführt, wie die Harmonisierung der Planzusagen, die Einführung von Kapitalwahloptionen oder die Ausfinanzierung von Pensionsverpflichtungen in Frankreich und den USA. Schließlich konnten wir die Pensionslast von netto 340 Millionen Euro auf 200 Millionen Euro senken. Auf der bilanziellen Seite hat uns das einiges an Druck rausgenommen. Auch das Factoringprogramm haben wir ausgebaut.

SGL-Carbon-Rating hat sich verbessert

All diese Maßnahmen wurden in Krisenzeiten – Coronapandemie und Ukraine-Krieg – umgesetzt. Wie stark haben diese Ereignisse SGL belastet?
Sehr stark, Thema Lieferkettenstörung: Historisch bedingt haben wir eine ganze Menge an qualifizierten Lieferanten und hatten so einen breiten Zugriff auf Waren. Das war in dieser Situation gut, weil wir auf ein breites Netzwerk zurückgreifen konnten. Eine andere Situation während der Coronapandemie war jedoch herausfordernder. Wir verschiffen Vorprodukte für Carbonfaser zwischen Japan und der Westküste der USA, also einmal quer über den Pazifik. Während der Coronakrise waren in Japan aber weder Schiffe noch Hafenkapazitäten verfügbar. Hier mussten wir kreativ werden: Wir haben uns dann für ein halbes Jahr unser eigenes Schiff gemietet und den Transportweg so selber gelöst.

Ein weiteres Beispiel: Beim Thema Energiekosten haben wir geprüft, wo wir überall auf Gas verzichten können, und versucht zu subventionieren. Die Heizungen in den Büros werden jetzt zum Beispiel, wo es geht, mit Öl betrieben. Zudem sichern wir Energie schon seit ein paar Jahren, und im Frühjahr 2022 haben wir die Energiepreise großflächig gesichert, was uns insbesondere im abgelaufenen Geschäftsjahr einen echten Wettbewerbsvorteil gesichert hat.

Und das mit Erfolg. Der Restrukturierungsplan wurde Ende 2022 beendet.
Wir haben unser Ziel erreicht und konnten nachhaltig Kosten von über 100 Millionen Euro einsparen. Zur Vorlage der positiven Jahreszahlen 2022 haben wir von beiden Ratingagenturen jeweils nochmal ein Upgrade erhalten. Moody’s gibt uns sogar Vorschusslorbeeren und sieht uns bereits jetzt zwei Stufen besser, als wir aktuell bewertet werden. Auch S&P ist mit der Entwicklung sehr zufrieden und lässt einen erneuten Review 2023 durchblicken.

Damit bleiben Sie aber weiter im spekulativen Bereich. Entspannung kann nicht angesagt sein.
Ja, auch wenn der offizielle Sparkurs beendet ist und wir jetzt zunehmend in der Wachstumsphase sind, bleiben einige Strukturen weiterhin eingezogen. Auch mit dem Rating sind wir noch nicht zufrieden, da dürfen schon zwei Buchstaben stehen.

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Thomas Dippold hat eine Refinanzierung für SGL Carbon eingetütet. Foto: SGL Carbon

Rote Zahlen, hohe Schulden, schwaches Geschäft: Die vergangenen Jahre waren für SGL Carbon nicht einfach. Nun ist die Restrukturierung beendet. CFO Thomas Dippold über die neue Finanzierungsstruktur.

Herr Dippold, Sie haben gerade eine für SGL Carbon sehr wichtige Transaktion abgeschlossen: Ende März konnten Sie über Amend & Extend eine bevorstehende Kreditfälligkeit refinanzieren, trotz eines ziemlich herausfordernden Umfelds. Wie kam es dazu?
Richtig, wir haben unsere Revolving Credit Facility mit einem Gesamtvolumen von 175 Millionen Euro bis 2026 verlängern können. Eigentlich wäre der Kredit im Januar 2024 fällig geworden, die ersten Gespräche mit den Banken hatten wir Ende vergangenen Jahres geführt. Das Besondere ist, dass wir die Finanzierungsstruktur mit den Banken neu verhandelt haben.

Wie meinen Sie das?
100 Millionen Euro in der RCF dienen weiter als Liquiditätspuffer für allgemeine Unternehmenszwecke, 75 Millionen Euro dürfen wir nun als Term Loan Facility zur Refinanzierung von Kapitalmarktverbindlichkeiten nutzen.

Üblicherweise wollen Banken ungern Kapitalmarkttransaktionen refinanzieren. Wie kam es dazu, und wie teuer gestaltete sich das?
Über die Konditionen haben wir mit den Banken hart gerungen. Und machen wir uns nichts vor: Durch die gestiegenen Kapitalmarktkosten ist das Instrument Amend & Extend deutlich teurer als vorher. Dennoch rechnen wir damit, dass wir die erhöhten Kosten teilweise durch Guthabenzinsen bei Geldmarktpapieren wieder reinholen können.

Warum war Amend & Extend so naheliegend?
Dafür hat noch ein anderer Grund gesprochen: Wir haben einen Bond über 250 Millionen Euro, der im nächsten Jahr im September fällig wird. Der Bond und die RCF teilen sich ein Sicherheitspaket. Hätten wir dieses Paket aufgeschnürt, wäre eine Transaktion mit einem neuen Vertrag wesentlich komplexer und teurer geworden.

<!-- Paywall -->

SGL koppelt erstmals Kredit an ESG-Ziele

Mit Blick auf die Schieflagen von Silicon Valley Bank und Credit Suisse, die kurz danach bekannt wurden, haben Sie jedoch ein gutes Zeitfenster erwischt.
Ja, erst im Nachhinein hat sich herausgestellt, dass unser Timing goldrichtig war. Nach den von Ihnen genannten Ereignissen hat sich der Risikoappetit der Banken nämlich nochmal deutlich verändert. Das hätte auch Auswirkungen auf unsere Konditionen haben können. Wir sind sehr froh darüber, die Refinanzierung der RCF so zeitnah 2023 umgesetzt zu haben. Dies war durch die anhaltende Volatilität am Markt ohnehin schon schwierig, gerade in unserem Ratingumfeld. Uns hat auf jeden Fall geholfen, dass wir die RCF, also den reinen Liquiditätsbedarf, verringert haben. Das ist ein Zeichen für unsere Banken, dass wir nicht so viel Bedarf haben. Für die Verlängerung haben wir sechs unserer Kernbanken angefragt – alle sind mitgezogen. Vorher bestand das Konsortium aus sieben Banken.

In der Transaktion steckt ein weiteres Novum. Zum ersten Mal wurden die Zinsen an Nachhaltigkeitsziele gekoppelt. Wie kam es dazu?
Wir wollen in unserer Branche zum Vorreiter für ESG werden. So haben wir die Zinsen an die Reduzierung der CO2-Emissionen in der eigenen Produktion, also Scope 1 und 2, sowie die Reduzierung der Unfallrate gekoppelt. Das haben unsere Treasury- und Nachhaltigkeitsabteilung gemeinsam mit einer der Banken strukturiert. Unabhängig davon konnten wir noch andere Bedingungen einführen, die so bislang nicht im Vertrag angelegt waren. So hängen die Zinsen jetzt nicht mehr wie vorher nur vom Leverage ab, sondern auch vom Rating von SGL. Das ist nicht so üblich für ein Unternehmen unserer Größe. Zudem haben wir auch Erleichterungen bei den sonstigen Kreditbedingungen (Baskets) verhandeln können. Das spiegelt unsere deutlich verbesserte Bilanz- und Geschäftssituation wider.

SGL hat Restrukturierung abgeschlossen

Die Refinanzierung des Kredits ist nur der letzte Baustein einer mehrjährigen Restrukturierung. Sie sind 2020 zu SGL Carbon gekommen – ein Jahr, in dem nicht nur der gesamte Vorstand ausgewechselt wurde, sondern in dem es auch nicht sehr rosig für SGL aussah. Wie blicken Sie darauf zurück?
2020 war ein sehr ernstes Jahr für SGL – die Nettofinanzschulden lagen damals bei knapp 290 Millionen Euro, dagegen stand ein operativer Gewinn von 124 Millionen Euro auf Ebitda-Level. Damals hatten wir noch ein Triple-C+-Rating. Im damaligen April fingen Treasury-Leiter Uli Wittenborn, im Juni dann CEO Torsten Derr und ich im Oktober an. Wir wussten alle: Wir müssen das Unternehmen wieder auf die richtige Spur bringen, sonst wird es eng.

Was meinen Sie damit genau?
Als ich angefangen habe, haben wir sehr schnell eine Analyse der operativen Leistungsfähigkeit durchgeführt, die verschiedene Punkte beinhaltet hat. Bis dato war SGL ein eher intransparentes Unternehmen.

In welcher Hinsicht?
Ein Beispiel: Im Controlling wurden Sachen immer weiterverrechnet. Intern galt der Satz: „Meine Kostenstelle ist kein Problem, weil ich mich zu hundert Prozent weiterverrechne.“ Das hat zwar nichts mit der absoluten Höhe der Kostenaufwendung zu tun, dennoch zeigte die Situation, wie das Machtspiel am Ende war und wie weit allokiert und weiterverrechnet wurde. Hier mussten wir die Prozesse verändern.

Was tauchte noch auf?
In der Analyse haben wir dann zudem festgestellt, dass wir einen riesigen Abschreibungsbedarf hatten. Eine weitere Herausforderung war, dass wir wegen einer aufgeschobenen Kaufpreisverpflichtung eines Joint Ventures Ende 2020 einen mittleren zweistelligen Millionen-Euro-Betrag überweisen mussten – in solch einer Situation eine echte Hürde. Das alles fiel in meine ersten zwei Wochen bei SGL, es war eine sehr turbulente Zeit. Wir haben dann schließlich in Form eines Restrukturierungsplans Maßnahmen und Initiativen identifiziert.

CFO Dippold setzte mehrere Maßnahmen um

Wie genau sah der Restrukturierungsplan aus?
Im Prinzip mussten wir vier Punkte umsetzen: alle verlustbringenden Geschäfte einstellen und das profitable Geschäft stärken. Zudem mussten wir die Kosten senken sowie Strukturen und Prozesse verschlanken und verbessern. Ziel war, über 100 Millionen Euro im Jahr nachhaltig einzusparen.

Neben der operativen Transformation haben Sie auch einiges auf der finanziellen Seite umgesetzt, vor allem auf der Passivseite.
Nachdem wir einige Bereiche in der Finanzabteilung neu zugeschnitten hatten, haben wir uns gemeinsam die Bilanz und Kapitalflussrechnung angeschaut und geprüft, was noch zu holen ist. Mir ist besonders die Eigenkapitalquote aufgefallen, die nach dem Impairment-Bedarf bei 17,5 Prozent lag – das war so nicht auskömmlich.

Wie haben Sie reagiert?
Als eine Maßnahme haben wir nicht genutzte Grundstücke und Gebäude verkauft und damit den Cashflow gestärkt und die Verschuldung zurückgefahren. Ein Beispiel: Wir haben einen Standort in Griesheim bei Frankfurt am Main veräußert. Für das Grundstück hätten wir noch 40 Jahre Erbpachtzins zahlen müssen, dadurch hatten wir eine große Rückstellung in unseren Büchern. Nach dem Verkauf konnten wir die Rückstellung auflösen und damit das Eigenkapital stärken.

Haben Sie weitere Projekte definiert?
Ja, ein sehr großes Projekt hat das Konzern-Treasury um Leiter Uli Wittenborn durchgeführt. SGL, die weltweit über 4.700 Mitarbeiter zählt, hatte einen bunten Strauß an Defined-Benefit-Modellen, die wir restrukturiert haben. Wir haben dann verschiedene Maßnahmen durchgeführt, wie die Harmonisierung der Planzusagen, die Einführung von Kapitalwahloptionen oder die Ausfinanzierung von Pensionsverpflichtungen in Frankreich und den USA. Schließlich konnten wir die Pensionslast von netto 340 Millionen Euro auf 200 Millionen Euro senken. Auf der bilanziellen Seite hat uns das einiges an Druck rausgenommen. Auch das Factoringprogramm haben wir ausgebaut.

SGL-Carbon-Rating hat sich verbessert

All diese Maßnahmen wurden in Krisenzeiten – Coronapandemie und Ukraine-Krieg – umgesetzt. Wie stark haben diese Ereignisse SGL belastet?
Sehr stark, Thema Lieferkettenstörung: Historisch bedingt haben wir eine ganze Menge an qualifizierten Lieferanten und hatten so einen breiten Zugriff auf Waren. Das war in dieser Situation gut, weil wir auf ein breites Netzwerk zurückgreifen konnten. Eine andere Situation während der Coronapandemie war jedoch herausfordernder. Wir verschiffen Vorprodukte für Carbonfaser zwischen Japan und der Westküste der USA, also einmal quer über den Pazifik. Während der Coronakrise waren in Japan aber weder Schiffe noch Hafenkapazitäten verfügbar. Hier mussten wir kreativ werden: Wir haben uns dann für ein halbes Jahr unser eigenes Schiff gemietet und den Transportweg so selber gelöst.

Ein weiteres Beispiel: Beim Thema Energiekosten haben wir geprüft, wo wir überall auf Gas verzichten können, und versucht zu subventionieren. Die Heizungen in den Büros werden jetzt zum Beispiel, wo es geht, mit Öl betrieben. Zudem sichern wir Energie schon seit ein paar Jahren, und im Frühjahr 2022 haben wir die Energiepreise großflächig gesichert, was uns insbesondere im abgelaufenen Geschäftsjahr einen echten Wettbewerbsvorteil gesichert hat.

Und das mit Erfolg. Der Restrukturierungsplan wurde Ende 2022 beendet.
Wir haben unser Ziel erreicht und konnten nachhaltig Kosten von über 100 Millionen Euro einsparen. Zur Vorlage der positiven Jahreszahlen 2022 haben wir von beiden Ratingagenturen jeweils nochmal ein Upgrade erhalten. Moody’s gibt uns sogar Vorschusslorbeeren und sieht uns bereits jetzt zwei Stufen besser, als wir aktuell bewertet werden. Auch S&P ist mit der Entwicklung sehr zufrieden und lässt einen erneuten Review 2023 durchblicken.

Damit bleiben Sie aber weiter im spekulativen Bereich. Entspannung kann nicht angesagt sein.
Ja, auch wenn der offizielle Sparkurs beendet ist und wir jetzt zunehmend in der Wachstumsphase sind, bleiben einige Strukturen weiterhin eingezogen. Auch mit dem Rating sind wir noch nicht zufrieden, da dürfen schon zwei Buchstaben stehen.

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Restrukturierungs-News: Ahlers, Galeria Karstadt Kaufhof, Dorea-Gruppe https://www.finance-magazin.de/transformation/restrukturierungs-news-ahlers-galeria-karstadt-kaufhof-dorea-gruppe-152335/ Thu, 11 May 2023 06:00:00 +0000 https://www.finance-magazin.de/?p=152335 Das nächste Modeunternehmen kippt: Der Herrenausstatter Ahlers musste im April Insolvenz anmelden. Foto: THINK b – stock.adobe.com

Der nächste Modehersteller kippt um, Galeria Karstadt Kaufhof will ab Juni aus der Insolvenz raus und Teile der Dorea-Gruppe sind insolvent – die aktuellen Restrukturierungs-News im Überblick.

Ahlers: Nächstes Modeunternehmen ist insolvent

Der Herrenmodehersteller Ahlers hat Ende April einen Insolvenzantrag gestellt. Das Amtsgericht Bielefeld hat Biner Bähr und Bero-Alexander Lau von White & Case als vorläufige Insolvenzverwalter bestellt.

Konkret wurden für folgende Gesellschaften ein Insolvenzverfahren eingeleitet: Ahlers AG, Ahlers P.C. GmbH, Baldessarini GmbH, Ahlers Retail GmbH, Ahlers Vertrieb GmbH, Ahlers Zentralverwaltung GmbH (jeweils Bähr als vorläufiger Insolvenzverwalter), Pioneer Jeans-Bekleidung GmbH und Pionier Berufskleidung GmbH (jeweils Lau als vorläufiger Insolvenzverwalter). Weitere Tochtergesellschaften, insbesondere Gesellschaften im Ausland, seien von der Antragstellung nicht betroffen.

In einer ersten Stellungnahme sagt der vorläufige Insolvenzverwalter Bähr: „Unsere Priorität muss zunächst darauf liegen, im Zusammenspiel mit Mitarbeitern, Handelskunden und Lieferanten die Voraussetzungen zu schaffen, dass der Geschäftsbetrieb so reibungslos wie möglich weiterlaufen kann. Sodann wird es darum gehen, mit Hilfe eines geeigneten Investors alle Optionen auszuloten, die eine Zukunft der Gruppe als Ganzes oder einzelner Marken ermöglichen.“

Das börsennotierte Unternehmen aus Herford zählt weltweit mehr als 1.700 Mitarbeiter und erzielte im Geschäftsjahr 2021/2022 einen Gesamtumsatz von rund 170 Millionen Euro.

Galeria Karstadt Kaufhof will aus der Insolvenz raus

Der Warenhauskonzern Galeria Karstadt Kaufhof (GKK) will ab Juni einen Neustart. Ab dann soll das Insolvenzverfahren aufgehoben werden. Galeria Karstadt Kaufhof hatte Ende Oktober 2022 zum zweiten Mal in weniger als drei Jahren das Schutzschirmverfahren angemeldet. Im Zuge des Verfahrens werden Gläubiger auf Milliardenforderungen verzichten, rund 4.000 Arbeitsplätze sollen gestrichen werden. Auch das operative Geschäft soll neu ausgerichtet werden.

Bisher gab es bei der Umsetzung des Insolvenzplans einige Turbulenzen. Bis Ende April konnte der Plan vom Gericht nicht bestätigt werden, weil zwischen dem staatlichen Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF), der nach einem Darlehen für GKK rund 500 Millionen Euro abschreiben muss, und der EU-Kommission noch beihilferechtliche Fragen offen waren. Laut WSF sollen die Fragen jetzt geklärt sein. Für die Umsetzung des Insolvenzplans will die Galeria-Eigentümerin, die österreichische Signa-Gruppe, bis zu 200 Millionen Euro zur Verfügung stellen.

Teile der Dorea-Gruppe sind insolvent

Mit der Dorea-Gruppe steckt der nächste Pflegeheimbetreiber in einem Sanierungsverfahren. Das Unternehmen hat Insolvenz für 25 operative Gesellschaften der Gruppe angemeldet. Die Holding selbst muss unter den Schutzschirm. Das Unternehmen plant, die Restrukturierung bis zum Herbst 2023 abzuschließen.

Als Grund für die wirtschaftliche Krise gibt Dorea die gestiegenen Kosten für Energie, Miete und Material an. Hinzu kämen Kosten durch gestiegene Tariflöhne, die nur teilweise von den Pflegekassen refinanziert worden seien. Trotz der nun anstehenden Schutzschirm-Restrukturierung betonte CFO Volker Wentz in einer Mitteilung, Dorea sei „weder zahlungsunfähig noch überschuldet“.

Die Dorea-Gruppe ist einer der größten Pflegeheimbetreiber Deutschlands und beschäftigt rund 5.500 Mitarbeiterinnern und Mitarbeiter. Der Jahresumsatz der Gruppe lag 2022 bei 280 Millionen Euro. In der Restrukturierung wird Dorea von der Kanzlei Wellensiek begleitet.

Weitere Insolvenz- und Sanierungsverfahren

Die Klingel Gruppe hat einen Insolvenzantrag in Eigenverwaltung gestellt. Neben der K-Mail Order GmbH & Co. KG, der Hauptgesellschaft des Versandhändlers, sind auch die Hamburger Tochtergesellschaften Impressionen Versand GmbH und die Schneider GmbH & Co. KG, betroffen. In den drei Unternehmen arbeiten rund 1.800 Mitarbeiter. Die weiteren Gesellschaften der Firmengruppe, die insgesamt mehr als 250 Mitarbeiter beschäftigen, sind von den Maßnahmen nicht betroffen. Zum vorläufigen Sachwalter wurde Rechtsanwalt Martin Mucha von der Kanzlei Grub Brugger bestellt. Marcus Katholing von der Restrukturierungsgesellschaft Pluta unterstützt den Multichannel-Distanzhändler seit März 2023 als Chief Restructuring Officer (CRO). Ursachen der aktuellen Lage sind laut der Klingel Gruppe die schwierigen Marktbedingungen, unter anderem bedingt durch die Konsumzurückhaltung seit dem Beginn des Ukraine-Kriegs, signifikant gestiegene Kosten sowie die hohe Inflation.

Corestate, ein Immobilienentwickler aus Luxemburg, plant eine alternative Restrukturierung, die einen Schuldenschnitt von etwa 80 Prozent und personelle Änderungen im Vorstand und Aufsichtsrat vorsieht. Die Bereitstellung einer Brückenfinanzierung von 35 Millionen Euro, die bis Mitte Mai erfolgen soll, soll für kurzfristige Liquidität und Flexibilität sorgen. Im Juni soll eine weitere Gläubigerversammlung über die Reduzierung der Nominalbeträge von zwei ausstehenden Schuldverschreibungen in Höhe von insgesamt 500 Millionen Euro auf 100 Millionen Euro und eine Verlängerung ihrer Fälligkeit bis 2026 entscheiden. Die Brückenfinanzierung soll durch Schuldverschreibungen in Höhe von 37 Millionen Euro abgelöst werden.

Die LNC-Gruppe, die unter der Marke Who's Perfect italienische Möbel verkauft, führt eine Sanierung in Eigenverwaltung durch, um das Familienunternehmen zu erhalten. Grund für die Sanierung ist nach Unternehmensangabe ein Umsatzeinbruch aufgrund andauernder Folgen der Corona-Pandemie, steigender Inflation, Verzögerungen bei Lieferketten und des Ukraine-Kriegs. Beraten wird die Gruppe von der Kanzlei Brinkmann & Partner, Rechtsanwalt Christoph Enkler unterstützt als Sanierungsgeneralbevollmächtigter und Max Liebig ist vorläufiger Sachwalter.  

Clevershuttle, ein Sammeltaxi-Anbieter, hat aufgrund eines kurzfristigen Finanzierungsstopps durch seinen Mehrheitseigner, die Deutsche Bahn, einen Insolvenzantrag stellen müssen. Die Deutsche Bahn war seit 2018 Mehrheitseigner und hielt zuletzt 86 Prozent der Anteile des Berliner Start-ups. Laut der Deutschen Bahn konnte man sich nicht auf eine gemeinsame Finanzierungslösung einigen. Clevershuttle hat jedoch angekündigt, den Fahrbetrieb vorerst fortzusetzen. Die operativen Regionalgesellschaften seien von der Insolvenz nicht betroffen. Auch die hinter der Marke Clevershuttle stehende GHT Mobility GmbH hat einen Insolvenzantrag gestellt. Das Amtsgericht Charlottenburg hat Sebastian Laboga von der Kanzlei Pluta zum vorläufigen Insolvenzverwalter berufen.

Debüt am Anleihemarkt: Der Autozulieferer Benteler hat sich erstmals am Kapitalmarkt finanziert und eine neue Darlehensfazilität in Höhe von 800 Millionen Euro sowie einen revolvierenden Kredit von 250 Millionen Euro abgeschlossen, um Liquidität in Zeiten der Transformation zu sichern. Die besicherte Anleihe hat ein Volumen von 975 Millionen Euro und soll zur Rückzahlung bestehender Verbindlichkeiten und Abschluss der vorangegangenen Restrukturierung dienen. Beraten wurden die Familiengesellschafter der Benteler Gruppe von Allen & Overy. Benteler entschied sich für die Kanzlei White & Case.

Das Ingenieurbüro Burnickl mit Sitz in der Oberpfalz ist insolvent. Das Unternehmen konnte eine entstandene Liquiditätslücke, die aus den Nachwirkungen der Corona-Pandemie und aktuellen Preissteigerungen zurückzuführen ist, nicht aus eigener Kraft schließen. Volker Böhm von der Kanzlei Schultze & Braun ist zum vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt worden und soll das Ingenieurbüro, welches sich auf die technische Generalplanung bei Immobilienprojekten spezialisiert hat, mit Hilfe einer Neuaufstellung und dem Einstieg eines neuen Partners zurück auf Kurs bringen.

Der Kosmetikproduzent Dankwardt musste aufgrund anhaltender Liquiditätsschwierigkeiten Insolvenz anmelden. Die Produktion an den beiden Standorten Norderstedt in Schleswig-Holstein und Jessenitz in Mecklenburg-Vorpommern laufe weiter. Vorläufiger Insolvenzverwalter ist Christian Heim von Pluta. Für das Werk in Norderstedt führe man Gespräche mit dem bestehenden Investor, für den Standort Jessenitz seien ein strukturierter M&A-Prozess und Gespräche mit Interessenten geplant, teilt Pluta-Anwalt Heim mit. Die Voraussetzungen für die kommenden Wochen seien positiv, das Unternehmen verfüge über eine gute Auftragslage, so heißt es von Unternehmensseite.

Tubesolar droht die Insolvenz: Wie das Unternehmen mitteilt, hält der Vorstand des Augsburger Solarmodulherstellers eine positive Fortführung des Unternehmens nicht mehr für überwiegend wahrscheinlich. In den vergangenen Wochen wurden eigenen Angaben zufolge Gespräche mit potentiellen Investoren über eine kurzfristige Bereitstellung zusätzlicher Finanzierungsmittel geführt – offenbar ohne Erfolg. Sofern es nun weiterhin nicht gelingt, Finanzmittel an Land zu ziehen, wird Tubesolar voraussichtlich Ende Mai Insolvenz anmelden müssen.

Der FC Rot-Weiß Erfurt hat einen neuen Insolvenzverwalter: Olaf Spiekermann von der Kanzlei Brinkmann & Partner übernimmt. Der bisherige Insolvenzverwalter wurde nach einer auf Antrag mehrerer Gläubiger anberaumten außerordentlichen Gläubigerversammlung von seinem Amt befreit. Spiekermann habe nun zu seinem Vorgänger Kontakt aufgenommen, um die Verfahrensunterlagen zu erhalten. Oberstes Ziel des Rechtsanwaltes sei es, zunächst sämtliche Lizenzen zu sichern, so dass der aktuelle Spielbetrieb ungefährdet voranschreiten kann. Anschließend kümmert er sich um die Aufarbeitung sämtlicher Geschehnisse im Insolvenzverfahren, so Spiekermann.  

Nach dem Automobilzulieferer Leoni saniert sich auch der Modekonzern Gerry Weber über das Starug. Teil der Sanierung soll ein vollständiger Kapitalschnitt sein, der zum „kompensationslosen Ausscheiden der derzeitigen Aktionäre aus der Gesellschaft“ führen würde, so das Unternehmen. Mit dem Schritt würde auch die Börsennotierung von Gerry Weber enden. Zudem muss die Tochtergesellschaft Gerry Weber Retail in Insolvenz in Eigenverwaltung. Weitere Töchter seien nicht betroffen. Dirk Reichert unterstützt das Management des Modehauses als CRO, in der Eigenverwaltung ist Christian Gerloff (Gerloff Liebler) als Sanierungsgeschäftsführer in die Geschäftsführung der Retail-Tochter eingetreten.

Distressed M&A-Deals

Enginius Tec übernimmt einige Assets der insolventen Clean Logistics Tochtergesellschaften aus Winsen. Es geht um Assets aus dem Bereich Entwicklung – Xpanse Powertrain, Clean Logistics Technology und E-Cap Mobility. Insolvenzverwalter Peter-Alexander Borchardt von der Kanzlei Reimer konnte die operativen Gesellschaften von Clean Logistics erfolgreich veräußern und wird nun den Betrieb der Muttergesellschaft abwickeln. Clean Logistic entwickelt wasserstoffbasierte Antriebe für Nutzfahrzeuge und stellte im März diesen Jahres Insolvenzantrag.

Weitere Restrukturierungen und Branchen-News

Der Anbieter für maritime Kommunikation Aeromaritime Systembau hat eine Finanzierungslösung gefunden. Nachdem die Bayern die Finanzierung internationaler Aufträge über einen regulären Bankkredit kurzfristig nicht realisieren konnten, wickelten sie mit Maturus Finance eine objektbasierte Spezialfinanzierung (Asset Based Credit) ab. Der alternative Finanzierer arrangierte eine Finanzierung im „mittleren siebenstelligen Bereich“. Als Sicherheit im Rahmen des arrangierten Asset Based Credits dient die lastenfreie Betriebsimmobilie von Aeromaritime Systembau in Neufahrn. Die zwei Darlehenstranchen mit Laufzeiten von jeweils zwölf Monaten dienen dazu, die zunehmenden internationalen Auftragseingänge des Unternehmens zu realisieren und vorzufinanzieren.

Im Fall des Kapitalanlagenbetrugs um das Unternehmen Alphapool gibt es Neuigkeiten für die Gläubiger. Diese erhalten laut Insolvenzverwalter Rüdiger Bauch (Schultze & Braun) knapp 20 Prozent Insolvenzquote, teilte Bauch im April mit. Nach der strafrechtlichen sei nun auch die zivilrechtliche Aufarbeitung des Falls abgeschlossen, so der Insolvenzverwalter. Er war mit dem Start des Verfahrens im Jahr 2015 zum Insolvenzverwalter bestellt worden. Die Gläubiger erhalten insgesamt einen Betrag von 1,9 Millionen Euro, dem gegenüber hatten Forderungen in Höhe von knapp 9 Millionen Euro gestanden. „Das entspricht einer Quote von 19,6 Prozent und liegt damit deutlich über den üblichen Insolvenzquoten, die Gläubiger in derartigen Verfahren üblicherweise erhalten“, sagte Bauch in einer Mitteilung.

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Das nächste Modeunternehmen kippt: Der Herrenausstatter Ahlers musste im April Insolvenz anmelden. Foto: THINK b – stock.adobe.com

Der nächste Modehersteller kippt um, Galeria Karstadt Kaufhof will ab Juni aus der Insolvenz raus und Teile der Dorea-Gruppe sind insolvent – die aktuellen Restrukturierungs-News im Überblick.

Ahlers: Nächstes Modeunternehmen ist insolvent

Der Herrenmodehersteller Ahlers hat Ende April einen Insolvenzantrag gestellt. Das Amtsgericht Bielefeld hat Biner Bähr und Bero-Alexander Lau von White & Case als vorläufige Insolvenzverwalter bestellt.

Konkret wurden für folgende Gesellschaften ein Insolvenzverfahren eingeleitet: Ahlers AG, Ahlers P.C. GmbH, Baldessarini GmbH, Ahlers Retail GmbH, Ahlers Vertrieb GmbH, Ahlers Zentralverwaltung GmbH (jeweils Bähr als vorläufiger Insolvenzverwalter), Pioneer Jeans-Bekleidung GmbH und Pionier Berufskleidung GmbH (jeweils Lau als vorläufiger Insolvenzverwalter). Weitere Tochtergesellschaften, insbesondere Gesellschaften im Ausland, seien von der Antragstellung nicht betroffen.

In einer ersten Stellungnahme sagt der vorläufige Insolvenzverwalter Bähr: „Unsere Priorität muss zunächst darauf liegen, im Zusammenspiel mit Mitarbeitern, Handelskunden und Lieferanten die Voraussetzungen zu schaffen, dass der Geschäftsbetrieb so reibungslos wie möglich weiterlaufen kann. Sodann wird es darum gehen, mit Hilfe eines geeigneten Investors alle Optionen auszuloten, die eine Zukunft der Gruppe als Ganzes oder einzelner Marken ermöglichen.“

Das börsennotierte Unternehmen aus Herford zählt weltweit mehr als 1.700 Mitarbeiter und erzielte im Geschäftsjahr 2021/2022 einen Gesamtumsatz von rund 170 Millionen Euro.

Galeria Karstadt Kaufhof will aus der Insolvenz raus

Der Warenhauskonzern Galeria Karstadt Kaufhof (GKK) will ab Juni einen Neustart. Ab dann soll das Insolvenzverfahren aufgehoben werden. Galeria Karstadt Kaufhof hatte Ende Oktober 2022 zum zweiten Mal in weniger als drei Jahren das Schutzschirmverfahren angemeldet. Im Zuge des Verfahrens werden Gläubiger auf Milliardenforderungen verzichten, rund 4.000 Arbeitsplätze sollen gestrichen werden. Auch das operative Geschäft soll neu ausgerichtet werden.

Bisher gab es bei der Umsetzung des Insolvenzplans einige Turbulenzen. Bis Ende April konnte der Plan vom Gericht nicht bestätigt werden, weil zwischen dem staatlichen Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF), der nach einem Darlehen für GKK rund 500 Millionen Euro abschreiben muss, und der EU-Kommission noch beihilferechtliche Fragen offen waren. Laut WSF sollen die Fragen jetzt geklärt sein. Für die Umsetzung des Insolvenzplans will die Galeria-Eigentümerin, die österreichische Signa-Gruppe, bis zu 200 Millionen Euro zur Verfügung stellen.

Teile der Dorea-Gruppe sind insolvent

Mit der Dorea-Gruppe steckt der nächste Pflegeheimbetreiber in einem Sanierungsverfahren. Das Unternehmen hat Insolvenz für 25 operative Gesellschaften der Gruppe angemeldet. Die Holding selbst muss unter den Schutzschirm. Das Unternehmen plant, die Restrukturierung bis zum Herbst 2023 abzuschließen.

Als Grund für die wirtschaftliche Krise gibt Dorea die gestiegenen Kosten für Energie, Miete und Material an. Hinzu kämen Kosten durch gestiegene Tariflöhne, die nur teilweise von den Pflegekassen refinanziert worden seien. Trotz der nun anstehenden Schutzschirm-Restrukturierung betonte CFO Volker Wentz in einer Mitteilung, Dorea sei „weder zahlungsunfähig noch überschuldet“.

Die Dorea-Gruppe ist einer der größten Pflegeheimbetreiber Deutschlands und beschäftigt rund 5.500 Mitarbeiterinnern und Mitarbeiter. Der Jahresumsatz der Gruppe lag 2022 bei 280 Millionen Euro. In der Restrukturierung wird Dorea von der Kanzlei Wellensiek begleitet.

Weitere Insolvenz- und Sanierungsverfahren

Die Klingel Gruppe hat einen Insolvenzantrag in Eigenverwaltung gestellt. Neben der K-Mail Order GmbH & Co. KG, der Hauptgesellschaft des Versandhändlers, sind auch die Hamburger Tochtergesellschaften Impressionen Versand GmbH und die Schneider GmbH & Co. KG, betroffen. In den drei Unternehmen arbeiten rund 1.800 Mitarbeiter. Die weiteren Gesellschaften der Firmengruppe, die insgesamt mehr als 250 Mitarbeiter beschäftigen, sind von den Maßnahmen nicht betroffen. Zum vorläufigen Sachwalter wurde Rechtsanwalt Martin Mucha von der Kanzlei Grub Brugger bestellt. Marcus Katholing von der Restrukturierungsgesellschaft Pluta unterstützt den Multichannel-Distanzhändler seit März 2023 als Chief Restructuring Officer (CRO). Ursachen der aktuellen Lage sind laut der Klingel Gruppe die schwierigen Marktbedingungen, unter anderem bedingt durch die Konsumzurückhaltung seit dem Beginn des Ukraine-Kriegs, signifikant gestiegene Kosten sowie die hohe Inflation.

Corestate, ein Immobilienentwickler aus Luxemburg, plant eine alternative Restrukturierung, die einen Schuldenschnitt von etwa 80 Prozent und personelle Änderungen im Vorstand und Aufsichtsrat vorsieht. Die Bereitstellung einer Brückenfinanzierung von 35 Millionen Euro, die bis Mitte Mai erfolgen soll, soll für kurzfristige Liquidität und Flexibilität sorgen. Im Juni soll eine weitere Gläubigerversammlung über die Reduzierung der Nominalbeträge von zwei ausstehenden Schuldverschreibungen in Höhe von insgesamt 500 Millionen Euro auf 100 Millionen Euro und eine Verlängerung ihrer Fälligkeit bis 2026 entscheiden. Die Brückenfinanzierung soll durch Schuldverschreibungen in Höhe von 37 Millionen Euro abgelöst werden.

Die LNC-Gruppe, die unter der Marke Who's Perfect italienische Möbel verkauft, führt eine Sanierung in Eigenverwaltung durch, um das Familienunternehmen zu erhalten. Grund für die Sanierung ist nach Unternehmensangabe ein Umsatzeinbruch aufgrund andauernder Folgen der Corona-Pandemie, steigender Inflation, Verzögerungen bei Lieferketten und des Ukraine-Kriegs. Beraten wird die Gruppe von der Kanzlei Brinkmann & Partner, Rechtsanwalt Christoph Enkler unterstützt als Sanierungsgeneralbevollmächtigter und Max Liebig ist vorläufiger Sachwalter.  

Clevershuttle, ein Sammeltaxi-Anbieter, hat aufgrund eines kurzfristigen Finanzierungsstopps durch seinen Mehrheitseigner, die Deutsche Bahn, einen Insolvenzantrag stellen müssen. Die Deutsche Bahn war seit 2018 Mehrheitseigner und hielt zuletzt 86 Prozent der Anteile des Berliner Start-ups. Laut der Deutschen Bahn konnte man sich nicht auf eine gemeinsame Finanzierungslösung einigen. Clevershuttle hat jedoch angekündigt, den Fahrbetrieb vorerst fortzusetzen. Die operativen Regionalgesellschaften seien von der Insolvenz nicht betroffen. Auch die hinter der Marke Clevershuttle stehende GHT Mobility GmbH hat einen Insolvenzantrag gestellt. Das Amtsgericht Charlottenburg hat Sebastian Laboga von der Kanzlei Pluta zum vorläufigen Insolvenzverwalter berufen.

Debüt am Anleihemarkt: Der Autozulieferer Benteler hat sich erstmals am Kapitalmarkt finanziert und eine neue Darlehensfazilität in Höhe von 800 Millionen Euro sowie einen revolvierenden Kredit von 250 Millionen Euro abgeschlossen, um Liquidität in Zeiten der Transformation zu sichern. Die besicherte Anleihe hat ein Volumen von 975 Millionen Euro und soll zur Rückzahlung bestehender Verbindlichkeiten und Abschluss der vorangegangenen Restrukturierung dienen. Beraten wurden die Familiengesellschafter der Benteler Gruppe von Allen & Overy. Benteler entschied sich für die Kanzlei White & Case.

Das Ingenieurbüro Burnickl mit Sitz in der Oberpfalz ist insolvent. Das Unternehmen konnte eine entstandene Liquiditätslücke, die aus den Nachwirkungen der Corona-Pandemie und aktuellen Preissteigerungen zurückzuführen ist, nicht aus eigener Kraft schließen. Volker Böhm von der Kanzlei Schultze & Braun ist zum vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt worden und soll das Ingenieurbüro, welches sich auf die technische Generalplanung bei Immobilienprojekten spezialisiert hat, mit Hilfe einer Neuaufstellung und dem Einstieg eines neuen Partners zurück auf Kurs bringen.

Der Kosmetikproduzent Dankwardt musste aufgrund anhaltender Liquiditätsschwierigkeiten Insolvenz anmelden. Die Produktion an den beiden Standorten Norderstedt in Schleswig-Holstein und Jessenitz in Mecklenburg-Vorpommern laufe weiter. Vorläufiger Insolvenzverwalter ist Christian Heim von Pluta. Für das Werk in Norderstedt führe man Gespräche mit dem bestehenden Investor, für den Standort Jessenitz seien ein strukturierter M&A-Prozess und Gespräche mit Interessenten geplant, teilt Pluta-Anwalt Heim mit. Die Voraussetzungen für die kommenden Wochen seien positiv, das Unternehmen verfüge über eine gute Auftragslage, so heißt es von Unternehmensseite.

Tubesolar droht die Insolvenz: Wie das Unternehmen mitteilt, hält der Vorstand des Augsburger Solarmodulherstellers eine positive Fortführung des Unternehmens nicht mehr für überwiegend wahrscheinlich. In den vergangenen Wochen wurden eigenen Angaben zufolge Gespräche mit potentiellen Investoren über eine kurzfristige Bereitstellung zusätzlicher Finanzierungsmittel geführt – offenbar ohne Erfolg. Sofern es nun weiterhin nicht gelingt, Finanzmittel an Land zu ziehen, wird Tubesolar voraussichtlich Ende Mai Insolvenz anmelden müssen.

Der FC Rot-Weiß Erfurt hat einen neuen Insolvenzverwalter: Olaf Spiekermann von der Kanzlei Brinkmann & Partner übernimmt. Der bisherige Insolvenzverwalter wurde nach einer auf Antrag mehrerer Gläubiger anberaumten außerordentlichen Gläubigerversammlung von seinem Amt befreit. Spiekermann habe nun zu seinem Vorgänger Kontakt aufgenommen, um die Verfahrensunterlagen zu erhalten. Oberstes Ziel des Rechtsanwaltes sei es, zunächst sämtliche Lizenzen zu sichern, so dass der aktuelle Spielbetrieb ungefährdet voranschreiten kann. Anschließend kümmert er sich um die Aufarbeitung sämtlicher Geschehnisse im Insolvenzverfahren, so Spiekermann.  

Nach dem Automobilzulieferer Leoni saniert sich auch der Modekonzern Gerry Weber über das Starug. Teil der Sanierung soll ein vollständiger Kapitalschnitt sein, der zum „kompensationslosen Ausscheiden der derzeitigen Aktionäre aus der Gesellschaft“ führen würde, so das Unternehmen. Mit dem Schritt würde auch die Börsennotierung von Gerry Weber enden. Zudem muss die Tochtergesellschaft Gerry Weber Retail in Insolvenz in Eigenverwaltung. Weitere Töchter seien nicht betroffen. Dirk Reichert unterstützt das Management des Modehauses als CRO, in der Eigenverwaltung ist Christian Gerloff (Gerloff Liebler) als Sanierungsgeschäftsführer in die Geschäftsführung der Retail-Tochter eingetreten.

Distressed M&A-Deals

Enginius Tec übernimmt einige Assets der insolventen Clean Logistics Tochtergesellschaften aus Winsen. Es geht um Assets aus dem Bereich Entwicklung – Xpanse Powertrain, Clean Logistics Technology und E-Cap Mobility. Insolvenzverwalter Peter-Alexander Borchardt von der Kanzlei Reimer konnte die operativen Gesellschaften von Clean Logistics erfolgreich veräußern und wird nun den Betrieb der Muttergesellschaft abwickeln. Clean Logistic entwickelt wasserstoffbasierte Antriebe für Nutzfahrzeuge und stellte im März diesen Jahres Insolvenzantrag.

Weitere Restrukturierungen und Branchen-News

Der Anbieter für maritime Kommunikation Aeromaritime Systembau hat eine Finanzierungslösung gefunden. Nachdem die Bayern die Finanzierung internationaler Aufträge über einen regulären Bankkredit kurzfristig nicht realisieren konnten, wickelten sie mit Maturus Finance eine objektbasierte Spezialfinanzierung (Asset Based Credit) ab. Der alternative Finanzierer arrangierte eine Finanzierung im „mittleren siebenstelligen Bereich“. Als Sicherheit im Rahmen des arrangierten Asset Based Credits dient die lastenfreie Betriebsimmobilie von Aeromaritime Systembau in Neufahrn. Die zwei Darlehenstranchen mit Laufzeiten von jeweils zwölf Monaten dienen dazu, die zunehmenden internationalen Auftragseingänge des Unternehmens zu realisieren und vorzufinanzieren.

Im Fall des Kapitalanlagenbetrugs um das Unternehmen Alphapool gibt es Neuigkeiten für die Gläubiger. Diese erhalten laut Insolvenzverwalter Rüdiger Bauch (Schultze & Braun) knapp 20 Prozent Insolvenzquote, teilte Bauch im April mit. Nach der strafrechtlichen sei nun auch die zivilrechtliche Aufarbeitung des Falls abgeschlossen, so der Insolvenzverwalter. Er war mit dem Start des Verfahrens im Jahr 2015 zum Insolvenzverwalter bestellt worden. Die Gläubiger erhalten insgesamt einen Betrag von 1,9 Millionen Euro, dem gegenüber hatten Forderungen in Höhe von knapp 9 Millionen Euro gestanden. „Das entspricht einer Quote von 19,6 Prozent und liegt damit deutlich über den üblichen Insolvenzquoten, die Gläubiger in derartigen Verfahren üblicherweise erhalten“, sagte Bauch in einer Mitteilung.

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Hat Paragon alle Bilanzfehler beseitigt? https://www.finance-magazin.de/finanzierungen/bilanzierung/hat-paragon-alle-bilanzfehler-beseitigt-151334/ Thu, 04 May 2023 06:00:00 +0000 https://www.finance-magazin.de/?p=151334 Paragon verschiebt den Jahresabschluss 2022. Es gibt noch weitere Fragezeichen. Foto: keBu.Medien - stock.adobe.com

Paragon wurde schon mehrfach wegen Bilanzfehlern abgemahnt. Der mit Spannung erwartete Jahresabschluss 2022 wurde nun verschoben. Das könnte nicht alles gewesen sein: Wackelt auch eine Finanzierung?

Der Autozulieferer Paragon kommt in Sachen Bilanzierung nicht zur Ruhe. 2019 hatte die Deutsche Prüfstelle für Rechnungslegung (DPR), jetzt Teil der Bafin, mehrere Fehler in der Bilanz für das Jahr 2017 publik gemacht, unter anderem bei der Ertragssteuer.

Anfang März dieses Jahres gab die Finanzaufsicht Bafin bekannt, dass sie auch Fehler in dem Konzernabschluss des Unternehmens für das Jahr 2019 festgestellt hat. Die Fehler betreffen vor allem die ehemalige hochdefizitäre Konzerntochter Voltabox, dabei ging es zum Beispiel um die Umsatzprognose.

Paragon verschiebt Jahresabschluss 2022

Seitdem liegt ein besonderes Augenmerk auf den Bilanzen von Paragon, und speziell auf dem aktuellen Zahlenwerk aus dem Geschäftsjahr 2022. Wer gespannt auf dieses gewartet hatte, wurde zunächst enttäuscht: Die Veröffentlichung des Jahresabschlusses, geplant für den 26. April, hat Paragon jetzt auf den 22. Mai verschoben.

Der Grund: „Der Abschlussprüfer hat dem Unternehmen mitgeteilt, dass der Vollzug des Verkaufs der Paragon Semvox an die Cariad noch abgewartet werden soll, um die Abschlussarbeiten finalisieren zu können“, teilte Paragon am 26. April mit. Die sogenannten Closing-Accounts, die erst zum Vollzugszeitpunkt feststehen, würden das Zahlenwerk noch beeinflussen.

Doch nicht nur über dem anstehenden Abschluss hängen Fragezeichen. Auch die Bilanzen der Jahre 2020 und 2021 sehen Anleger kritisch. Obwohl die Finanzaufsichtsbehörde Bafin hier bisher nichts angemerkt, vermuten Beobachter, dass Paragon die Fehler der vorangegangenen Bilanzen wiederholt hat. Falls dem so wäre, könnte das weitreichende Konsequenzen nach sich ziehen.

<!-- Paywall -->

Paragon teilte dazu auf FINANCE-Nachfrage folgendes mit: „Aufgrund des Verkaufs der Voltabox AG im Geschäftsjahr 2021 ist eine mögliche Wiederholung der Konsolidierung eines Fehlers im Voltabox-Abschluss für Paragon unmöglich und Folgewirkungen auf den Abschluss von Paragon können damit ausgeschlossen werden.“

Diese Fehler machte Paragon

Um zu verstehen, was Paragon drohen könnte, hilft ein Rückblick auf die Bilanz 2019. Konkret monierte die Bafin in dieser eine Handvoll Mängel. Paragon habe bei dem adjustierten Ebit einen nicht zu berücksichtigenden Gewinn von 9,2 Millionen Euro aus zwei nicht bilanzierten Verkaufstransaktionen inkludiert.

 „Laut Bafin ist dies so zu verstehen, dass durch die unzutreffende Bilanzierung der beiden Verkäufe die Ertragslage im Geschäftsjahr zu positiv dargestellt wurde“, sagt die Unternehmensberaterin und Bilanzierungsexpertin Carola Rinker. Doch dieser Aspekt habe erst einmal keine Auswirkungen auf die Folgebilanzen, es gäbe noch ein anderes heikles Thema.

Hat Paragon die Fehler wiederholt?

Besonders kritisch könnte dafür dieser Punkt sein: Paragon soll laut der Bafin in der Bilanz 2019 Fehler bei der Analyse zur Entwicklung der Umsatzerlöse gemacht und diese zu hoch ausgewiesen haben.

„Die Berechnung der Umsatzerlöse ist häufig ein komplizierter Prozess, der nicht ohne einen triftigen Grund verändert wird. Da dieser Fehler von der Bafin offiziell erst 2023 entdeckt wurde, könnte es sein, dass Paragon die Umsatzerlöse in den vorangegangenen Jahren auf die gleiche Weise ermittelt hat“, sagt Rinker. Sollte der Prozess nicht angepasst worden sein, bestünde die Möglichkeit, dass die Umsatzerlöse auch in den Folgebilanzen falsch berechnet wurden.

Gerade die Anleger achten auf den Punkt Umsatzerlöse – und müssen den Unternehmensangaben vertrauen. Carola Rinker hat das auch bei anderen Fällen beobachtet: „Es kommt schon vor, dass Unternehmen diesen aufblähen.“ Ob der Prozess verändert wurde, ließ Paragon auf wiederholte FINANCE-Nachfrage unbeantwortet.

Paragon korrigierte Fehler mit Anleihe 

Auch wurde von der Bafin moniert, dass die Schweizer-Franken-Anleihe 2019/2024 mit einem Volumen von 35 Millionen Schweizer Franken nicht als kurzfristige Verbindlichkeit, sondern als langfristige, ausgewiesen wurde. Aufgrund eines drohenden Covenant-Bruchs, der noch vor Aufstellung der Bilanz zum 31.12.2019 durch eine Übereinkunft mit den Anleihegläubigern vermieden werden konnte, hätte die CHF-Anleihe laut der Bafin im Konzernabschluss 2019 als kurzfristig ausgewiesen werden müssen. Diese Ungenauigkeit hat Paragon in der Bilanz 2021 korrigiert. Eigentlich hatte die Anleihe eine Laufzeit bis 2024, Paragon hat die Anleihe in diesem April bereits zurückgezahlt.

Paragon gab in einer Mitteilung zu den von der Bafin entdeckten Fehlern im März dieses Jahres bekannt, dass die Fehler ausschließlich den Abschluss 2019 betreffen würden und sie „keinerlei Auswirkung auf die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage in den Jahren 2020 ff.” hätten.

Zudem: „Die börsennotierte Paragon hat im Geschäftsjahr 2019 ca. 60 Prozent der Aktien der ebenfalls börsennotierten Voltabox gehalten. Aufgrund des Aktiengesetzes war Paragon im Gegensatz zu einer nicht börsennotierten Tochter nur in der Rolle des Aktionärs. Die Führung der Geschäfte der Voltabox oblag dem Vorstand dieser Gesellschaft und nicht etwa der Geschäftsführung der Paragon.“ Über die Aktionärsrechte hätte Paragon nur Anspruch auf die Zurverfügungstellung von Quartals- und Jahreszahlen. Eine Möglichkeit, die von Voltabox zur Verfügung gestellten Zahlen zu überprüfen, bestand laut Paragon aufgrund der gesetzlichen Vorschriften nicht.

Paragon veränderte Zahlen nachträglich

Die Bilanz 2020 beziehungsweise die Finanzkennzahlen wurden nach der Veröffentlichung der Fehler durch die Bafin jedenfalls nicht nachträglich angepasst. Für das darauffolgende Jahr galt dies nicht: Überraschenderweise wurden Finanzkennzahlen wie Umsatz oder Gewinn aus dem Jahre 2020 in der Gewinn- und Verlustrechnung des Jahres 2021 rückwirkend verändert.

Ein Beispiel: Für das Geschäftsjahr 2020 verbuchten die Delbrücker im Geschäftsbericht desselben Jahres einen Verlust (Ebit) von rund 50 Millionen Euro. Im Bericht ein Jahr später, also 2021, wies Paragon für das Jahr 2020 aber nur noch einen Verlust von 10 Millionen Euro aus.

Auf Nachfrage teilte Paragon mit, dass die Zahlen des Jahres 2020 in der GuV 2021 nachträglich wegen IFRS-Bilanzierungsvorschriften geändert wurden. „Zur Gewährleistung einer Vergleichbarkeit muss nach IFRS5.34 auch die Vorjahres-GuV (2020) im Geschäftsbericht 2021 angepasst werden. Im Geschäftsbericht 2021 wird, aufgrund des Verkaufs von Voltabox, also eine Vorjahres-GuV für das Jahr 2020 ausgewiesen, die nicht mehr die Umsatzerlöse der Voltabox im Jahr 2020 inkludiert“, so der Zulieferer.

Baker Tilly prüfte Paragon

Fakt ist, dass Paragon schon mehrfach Fehler in den Jahresabschlüssen hatte. Wenn man die Jahresabschlüsse betrachtet, fällt auch auf, dass das Unternehmen öfter hohe aktivierte Eigenleistungen aufweist. „Das sind Leistungen, die das Unternehmen selbst erbringt und nicht am Markt verkauft, sondern selbst in Anspruch nimmt„, erklärt Bilanzierungsspezialistin Rinker. Die Expertin beobachtet, dass es Unternehmen gibt, die mit Eigenleistungen ihre Gewinne „aufpumpen“. Dies betreffe heutzutage häufig die Entwicklungsleistungen für Software oder sonstiges immaterielles Vermögen.

Paragon sagte dazu: „Hohe aktivierte Eigenleistungen sind ein Beleg für Innovationen, die ihren Weg in die Serienproduktion gefunden haben und deshalb zwingend – hier gibt es in den IFRS-Vorschriften keine Wahlmöglichkeit – zu aktivieren sind.“ Hinsichtlich des Abschreibungsbeginns und der -dauer habe Paragon stets einen sehr konservativen Ansatz gefahren.

Die Bilanzen der Jahre 2017 und 2019 wurden von Baker Tilly geprüft. Die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft prüft Paragon sowie Voltabox weiterhin und war auch der Abschlussprüfer für die Jahre 2020 und 2021. Laut einem Hauptversammlungsbericht eines Anleihegläubigers, der FINANCE vorliegt, soll gegenüber dem Abschlussprüfer eine mangelnde Transparenz seitens Paragon bestehen.

Was passiert mit der Paragon-Anleihe?

Sollte sich herausstellen, dass die Bilanzen 2020 und 2021 auch Mängel beinhalten, stellt sich die Frage, was mit der Euro-Anleihe passiert, die im vergangenen Jahr bis 2027 verlängert wurde. Damals haben sich die Gläubiger auf die Richtigkeit der Bilanzen verlassen.

Fehler in der Bilanz seien laut einer Rechtsanwältin, die anonym bleiben will, bisher kein aufgeführter Kündigungsgrund für eine Anleihe. Brenzlig könne es aber werden, wenn die Gläubiger maßgeblich getäuscht worden wären. Dann müsste ein Gericht entscheiden, ob die Gläubiger die Anleihe fristlos kündigen dürfen. Für Paragon war die Verlängerung im vergangenen Jahr ein rettender Schritt, der aber nach den Bilanzfragezeichen gefährdet sein könnte.

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Paragon verschiebt den Jahresabschluss 2022. Es gibt noch weitere Fragezeichen. Foto: keBu.Medien - stock.adobe.com

Paragon wurde schon mehrfach wegen Bilanzfehlern abgemahnt. Der mit Spannung erwartete Jahresabschluss 2022 wurde nun verschoben. Das könnte nicht alles gewesen sein: Wackelt auch eine Finanzierung?

Der Autozulieferer Paragon kommt in Sachen Bilanzierung nicht zur Ruhe. 2019 hatte die Deutsche Prüfstelle für Rechnungslegung (DPR), jetzt Teil der Bafin, mehrere Fehler in der Bilanz für das Jahr 2017 publik gemacht, unter anderem bei der Ertragssteuer.

Anfang März dieses Jahres gab die Finanzaufsicht Bafin bekannt, dass sie auch Fehler in dem Konzernabschluss des Unternehmens für das Jahr 2019 festgestellt hat. Die Fehler betreffen vor allem die ehemalige hochdefizitäre Konzerntochter Voltabox, dabei ging es zum Beispiel um die Umsatzprognose.

Paragon verschiebt Jahresabschluss 2022

Seitdem liegt ein besonderes Augenmerk auf den Bilanzen von Paragon, und speziell auf dem aktuellen Zahlenwerk aus dem Geschäftsjahr 2022. Wer gespannt auf dieses gewartet hatte, wurde zunächst enttäuscht: Die Veröffentlichung des Jahresabschlusses, geplant für den 26. April, hat Paragon jetzt auf den 22. Mai verschoben.

Der Grund: „Der Abschlussprüfer hat dem Unternehmen mitgeteilt, dass der Vollzug des Verkaufs der Paragon Semvox an die Cariad noch abgewartet werden soll, um die Abschlussarbeiten finalisieren zu können“, teilte Paragon am 26. April mit. Die sogenannten Closing-Accounts, die erst zum Vollzugszeitpunkt feststehen, würden das Zahlenwerk noch beeinflussen.

Doch nicht nur über dem anstehenden Abschluss hängen Fragezeichen. Auch die Bilanzen der Jahre 2020 und 2021 sehen Anleger kritisch. Obwohl die Finanzaufsichtsbehörde Bafin hier bisher nichts angemerkt, vermuten Beobachter, dass Paragon die Fehler der vorangegangenen Bilanzen wiederholt hat. Falls dem so wäre, könnte das weitreichende Konsequenzen nach sich ziehen.

<!-- Paywall -->

Paragon teilte dazu auf FINANCE-Nachfrage folgendes mit: „Aufgrund des Verkaufs der Voltabox AG im Geschäftsjahr 2021 ist eine mögliche Wiederholung der Konsolidierung eines Fehlers im Voltabox-Abschluss für Paragon unmöglich und Folgewirkungen auf den Abschluss von Paragon können damit ausgeschlossen werden.“

Diese Fehler machte Paragon

Um zu verstehen, was Paragon drohen könnte, hilft ein Rückblick auf die Bilanz 2019. Konkret monierte die Bafin in dieser eine Handvoll Mängel. Paragon habe bei dem adjustierten Ebit einen nicht zu berücksichtigenden Gewinn von 9,2 Millionen Euro aus zwei nicht bilanzierten Verkaufstransaktionen inkludiert.

 „Laut Bafin ist dies so zu verstehen, dass durch die unzutreffende Bilanzierung der beiden Verkäufe die Ertragslage im Geschäftsjahr zu positiv dargestellt wurde“, sagt die Unternehmensberaterin und Bilanzierungsexpertin Carola Rinker. Doch dieser Aspekt habe erst einmal keine Auswirkungen auf die Folgebilanzen, es gäbe noch ein anderes heikles Thema.

Hat Paragon die Fehler wiederholt?

Besonders kritisch könnte dafür dieser Punkt sein: Paragon soll laut der Bafin in der Bilanz 2019 Fehler bei der Analyse zur Entwicklung der Umsatzerlöse gemacht und diese zu hoch ausgewiesen haben.

„Die Berechnung der Umsatzerlöse ist häufig ein komplizierter Prozess, der nicht ohne einen triftigen Grund verändert wird. Da dieser Fehler von der Bafin offiziell erst 2023 entdeckt wurde, könnte es sein, dass Paragon die Umsatzerlöse in den vorangegangenen Jahren auf die gleiche Weise ermittelt hat“, sagt Rinker. Sollte der Prozess nicht angepasst worden sein, bestünde die Möglichkeit, dass die Umsatzerlöse auch in den Folgebilanzen falsch berechnet wurden.

Gerade die Anleger achten auf den Punkt Umsatzerlöse – und müssen den Unternehmensangaben vertrauen. Carola Rinker hat das auch bei anderen Fällen beobachtet: „Es kommt schon vor, dass Unternehmen diesen aufblähen.“ Ob der Prozess verändert wurde, ließ Paragon auf wiederholte FINANCE-Nachfrage unbeantwortet.

Paragon korrigierte Fehler mit Anleihe 

Auch wurde von der Bafin moniert, dass die Schweizer-Franken-Anleihe 2019/2024 mit einem Volumen von 35 Millionen Schweizer Franken nicht als kurzfristige Verbindlichkeit, sondern als langfristige, ausgewiesen wurde. Aufgrund eines drohenden Covenant-Bruchs, der noch vor Aufstellung der Bilanz zum 31.12.2019 durch eine Übereinkunft mit den Anleihegläubigern vermieden werden konnte, hätte die CHF-Anleihe laut der Bafin im Konzernabschluss 2019 als kurzfristig ausgewiesen werden müssen. Diese Ungenauigkeit hat Paragon in der Bilanz 2021 korrigiert. Eigentlich hatte die Anleihe eine Laufzeit bis 2024, Paragon hat die Anleihe in diesem April bereits zurückgezahlt.

Paragon gab in einer Mitteilung zu den von der Bafin entdeckten Fehlern im März dieses Jahres bekannt, dass die Fehler ausschließlich den Abschluss 2019 betreffen würden und sie „keinerlei Auswirkung auf die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage in den Jahren 2020 ff.” hätten.

Zudem: „Die börsennotierte Paragon hat im Geschäftsjahr 2019 ca. 60 Prozent der Aktien der ebenfalls börsennotierten Voltabox gehalten. Aufgrund des Aktiengesetzes war Paragon im Gegensatz zu einer nicht börsennotierten Tochter nur in der Rolle des Aktionärs. Die Führung der Geschäfte der Voltabox oblag dem Vorstand dieser Gesellschaft und nicht etwa der Geschäftsführung der Paragon.“ Über die Aktionärsrechte hätte Paragon nur Anspruch auf die Zurverfügungstellung von Quartals- und Jahreszahlen. Eine Möglichkeit, die von Voltabox zur Verfügung gestellten Zahlen zu überprüfen, bestand laut Paragon aufgrund der gesetzlichen Vorschriften nicht.

Paragon veränderte Zahlen nachträglich

Die Bilanz 2020 beziehungsweise die Finanzkennzahlen wurden nach der Veröffentlichung der Fehler durch die Bafin jedenfalls nicht nachträglich angepasst. Für das darauffolgende Jahr galt dies nicht: Überraschenderweise wurden Finanzkennzahlen wie Umsatz oder Gewinn aus dem Jahre 2020 in der Gewinn- und Verlustrechnung des Jahres 2021 rückwirkend verändert.

Ein Beispiel: Für das Geschäftsjahr 2020 verbuchten die Delbrücker im Geschäftsbericht desselben Jahres einen Verlust (Ebit) von rund 50 Millionen Euro. Im Bericht ein Jahr später, also 2021, wies Paragon für das Jahr 2020 aber nur noch einen Verlust von 10 Millionen Euro aus.

Auf Nachfrage teilte Paragon mit, dass die Zahlen des Jahres 2020 in der GuV 2021 nachträglich wegen IFRS-Bilanzierungsvorschriften geändert wurden. „Zur Gewährleistung einer Vergleichbarkeit muss nach IFRS5.34 auch die Vorjahres-GuV (2020) im Geschäftsbericht 2021 angepasst werden. Im Geschäftsbericht 2021 wird, aufgrund des Verkaufs von Voltabox, also eine Vorjahres-GuV für das Jahr 2020 ausgewiesen, die nicht mehr die Umsatzerlöse der Voltabox im Jahr 2020 inkludiert“, so der Zulieferer.

Baker Tilly prüfte Paragon

Fakt ist, dass Paragon schon mehrfach Fehler in den Jahresabschlüssen hatte. Wenn man die Jahresabschlüsse betrachtet, fällt auch auf, dass das Unternehmen öfter hohe aktivierte Eigenleistungen aufweist. „Das sind Leistungen, die das Unternehmen selbst erbringt und nicht am Markt verkauft, sondern selbst in Anspruch nimmt„, erklärt Bilanzierungsspezialistin Rinker. Die Expertin beobachtet, dass es Unternehmen gibt, die mit Eigenleistungen ihre Gewinne „aufpumpen“. Dies betreffe heutzutage häufig die Entwicklungsleistungen für Software oder sonstiges immaterielles Vermögen.

Paragon sagte dazu: „Hohe aktivierte Eigenleistungen sind ein Beleg für Innovationen, die ihren Weg in die Serienproduktion gefunden haben und deshalb zwingend – hier gibt es in den IFRS-Vorschriften keine Wahlmöglichkeit – zu aktivieren sind.“ Hinsichtlich des Abschreibungsbeginns und der -dauer habe Paragon stets einen sehr konservativen Ansatz gefahren.

Die Bilanzen der Jahre 2017 und 2019 wurden von Baker Tilly geprüft. Die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft prüft Paragon sowie Voltabox weiterhin und war auch der Abschlussprüfer für die Jahre 2020 und 2021. Laut einem Hauptversammlungsbericht eines Anleihegläubigers, der FINANCE vorliegt, soll gegenüber dem Abschlussprüfer eine mangelnde Transparenz seitens Paragon bestehen.

Was passiert mit der Paragon-Anleihe?

Sollte sich herausstellen, dass die Bilanzen 2020 und 2021 auch Mängel beinhalten, stellt sich die Frage, was mit der Euro-Anleihe passiert, die im vergangenen Jahr bis 2027 verlängert wurde. Damals haben sich die Gläubiger auf die Richtigkeit der Bilanzen verlassen.

Fehler in der Bilanz seien laut einer Rechtsanwältin, die anonym bleiben will, bisher kein aufgeführter Kündigungsgrund für eine Anleihe. Brenzlig könne es aber werden, wenn die Gläubiger maßgeblich getäuscht worden wären. Dann müsste ein Gericht entscheiden, ob die Gläubiger die Anleihe fristlos kündigen dürfen. Für Paragon war die Verlängerung im vergangenen Jahr ein rettender Schritt, der aber nach den Bilanzfragezeichen gefährdet sein könnte.

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Credit-Suisse-Aktiencrash sorgt für Unruhe https://www.finance-magazin.de/banking-berater/firmenkundengeschaeft/credit-suisse-aktiencrash-sorgt-fuer-unruhe-147567/ Thu, 16 Mar 2023 10:06:29 +0000 https://www.finance-magazin.de/?p=147567 Der Aktienkurs der Credit Suisse verlor über 30 Prozent. Die Bank braucht wohl Staatshilfe. Foto: Credit Suisse

Credit Suisse im Krisenmodus: Die Aktie raste in den Abgrund, die CDS-Spreads explodierten. Nun springt die Schweizerische Nationalbank dem Institut zur Seite. Auch deutsche Banken spüren das Ausmaß.

Aktiencrash bei der Credit Suisse: Das Papier der Bank sackte am gestrigen Mittwoch zeitweise um mehr als 30 Prozent auf 1,55 Schweizer Franken ab. Auslöser des Kurssturzes war die Ankündigung des Großaktionärs Saudi National Bank, der Schweizer Bank keine weiteren frischen Mittel mehr zuzuschießen. Mittlerweile hat sich die Aktie etwas erholt und notiert bei knapp 2 Schweizer Franken.

Bankenchef Ulrich Körner versicherte zwar: „Unsere Kapital- und Liquiditätsbasis ist sehr, sehr stark.“ Aber die Aktionäre sahen das wohl nicht so. „Der Börsenwert und der Wert von Schuldtiteln der Credit Suisse waren die letzten Tage besonders stark von Marktreaktionen betroffen“, heißt es in einer gemeinsamen Mitteilung der Schweizerischen Nationalbank SNB und der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht FINMA.

Credit Suisse braucht Millionenkredit von der SNB

Als Maßnahme klopfte das Bankhaus bei der Schweizerischen Nationalbank (SNB) an und fragte nach Rettungskrediten. Es soll um Kredite über bis zu 50 Milliarden Schweizer Franken gehen. Die SNB wird der Credit Suisse im Bedarfsfall Liquidität zur Verfügung stellen, machte die Nationalbank deutlich.

Außerdem will die Credit Suisse Bonds in verschiedenen Währungen zurückkaufen. Die Schweizer müssen sich gerade ohnehin restrukturieren, im Herbst vergangenen Jahres wurde ein Sanierungsplan vorgelegt.

CDS-Spreads der Credit Suisse bedrohlich hoch

Wie der Markt die Lage der Bank einschätzt, zeigen auch die CDS-Spreads. Wie aus einem Research der Deutschen Bank hervorgeht, wurde der 1-Jahres-CDS der Credit Suisse mit über 3.000 Basispunkten gehandelt, und der 5-Jahres-CDS stieg bis zum gestrigen europäischen Börsenschluss um 308,6 Basispunkte auf 842,5 Basispunkte. Das sind dramatische Zahlen.

Vorrangige Cash-Anleihen mit einer Laufzeit von etwas mehr als fünf Jahren wurden im Bereich von 72 Euro und AT1-Anleihen im Bereich von 34,5 US-Dollar gehandelt. Die Reaktion des Anleihemarktes deutet also auf einen notleidenden Emittenten hin, schlussfolgern die Deutsche-Bank-Analysten.

Credit Suisse sorgt für Unruhe im EU-Bankensektor

Weiter bringt die Credit Suisse damit auch die Furcht vor einer europäischen Bankenkrise ins Rollen, nachdem am vergangenen Freitag die US-amerikanische Silicon Valley Bank insolvent geworden ist.

So ging auch der Aktienkurs anderer europäischer Banken nach unten – die Papiere der Commerzbank und der Deutschen Bank verloren 9 beziehungsweise 8 Prozent. Der Euro-Stoxx-Banks-Index fiel um bis zu 9 Prozent.

Der ehemalige Bundesbankvorstand Alexander Dombret sagte gegenüber dem „Handelsblatt“: „Die Ausgangslage ist jedenfalls nicht ungefährlich.“ Auch Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) betonte, das deutsche Kreditwesen sei stabil. Die SBN und FINMA teilten mit, dass von den Problemen gewisser Bankinstitute in den USA keine direkte Ansteckungsgefahr für den Schweizer Finanzmarkt ausgeht.

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Der Aktienkurs der Credit Suisse verlor über 30 Prozent. Die Bank braucht wohl Staatshilfe. Foto: Credit Suisse

Credit Suisse im Krisenmodus: Die Aktie raste in den Abgrund, die CDS-Spreads explodierten. Nun springt die Schweizerische Nationalbank dem Institut zur Seite. Auch deutsche Banken spüren das Ausmaß.

Aktiencrash bei der Credit Suisse: Das Papier der Bank sackte am gestrigen Mittwoch zeitweise um mehr als 30 Prozent auf 1,55 Schweizer Franken ab. Auslöser des Kurssturzes war die Ankündigung des Großaktionärs Saudi National Bank, der Schweizer Bank keine weiteren frischen Mittel mehr zuzuschießen. Mittlerweile hat sich die Aktie etwas erholt und notiert bei knapp 2 Schweizer Franken.

Bankenchef Ulrich Körner versicherte zwar: „Unsere Kapital- und Liquiditätsbasis ist sehr, sehr stark.“ Aber die Aktionäre sahen das wohl nicht so. „Der Börsenwert und der Wert von Schuldtiteln der Credit Suisse waren die letzten Tage besonders stark von Marktreaktionen betroffen“, heißt es in einer gemeinsamen Mitteilung der Schweizerischen Nationalbank SNB und der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht FINMA.

Credit Suisse braucht Millionenkredit von der SNB

Als Maßnahme klopfte das Bankhaus bei der Schweizerischen Nationalbank (SNB) an und fragte nach Rettungskrediten. Es soll um Kredite über bis zu 50 Milliarden Schweizer Franken gehen. Die SNB wird der Credit Suisse im Bedarfsfall Liquidität zur Verfügung stellen, machte die Nationalbank deutlich.

Außerdem will die Credit Suisse Bonds in verschiedenen Währungen zurückkaufen. Die Schweizer müssen sich gerade ohnehin restrukturieren, im Herbst vergangenen Jahres wurde ein Sanierungsplan vorgelegt.

CDS-Spreads der Credit Suisse bedrohlich hoch

Wie der Markt die Lage der Bank einschätzt, zeigen auch die CDS-Spreads. Wie aus einem Research der Deutschen Bank hervorgeht, wurde der 1-Jahres-CDS der Credit Suisse mit über 3.000 Basispunkten gehandelt, und der 5-Jahres-CDS stieg bis zum gestrigen europäischen Börsenschluss um 308,6 Basispunkte auf 842,5 Basispunkte. Das sind dramatische Zahlen.

Vorrangige Cash-Anleihen mit einer Laufzeit von etwas mehr als fünf Jahren wurden im Bereich von 72 Euro und AT1-Anleihen im Bereich von 34,5 US-Dollar gehandelt. Die Reaktion des Anleihemarktes deutet also auf einen notleidenden Emittenten hin, schlussfolgern die Deutsche-Bank-Analysten.

Credit Suisse sorgt für Unruhe im EU-Bankensektor

Weiter bringt die Credit Suisse damit auch die Furcht vor einer europäischen Bankenkrise ins Rollen, nachdem am vergangenen Freitag die US-amerikanische Silicon Valley Bank insolvent geworden ist.

So ging auch der Aktienkurs anderer europäischer Banken nach unten – die Papiere der Commerzbank und der Deutschen Bank verloren 9 beziehungsweise 8 Prozent. Der Euro-Stoxx-Banks-Index fiel um bis zu 9 Prozent.

Der ehemalige Bundesbankvorstand Alexander Dombret sagte gegenüber dem „Handelsblatt“: „Die Ausgangslage ist jedenfalls nicht ungefährlich.“ Auch Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) betonte, das deutsche Kreditwesen sei stabil. Die SBN und FINMA teilten mit, dass von den Problemen gewisser Bankinstitute in den USA keine direkte Ansteckungsgefahr für den Schweizer Finanzmarkt ausgeht.

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So kam es zur Krise bei Leoni https://www.finance-magazin.de/transformation/restrukturierung/so-kam-es-zur-krise-bei-leoni-146711/ Mon, 13 Mar 2023 07:00:00 +0000 https://www.finance-magazin.de/?p=146711 Leoni muss zittern und braucht eine neue Refinanzierungslösung. Foto: Leoni.

Leoni steht wohl vor den herausforderndsten Wochen seiner Geschichte. Der Zulieferer muss schnell eine Refinanzierungslösung vorlegen, sonst droht der Kollaps.

In Nürnberg stockt dem Automobilzulieferer Leoni seit Wochen der Atem. Wenn der Konzern nicht bald eine Refinanzierungslösung vorlegt, droht der Kollaps.

Die Misere kam vor allem durch den geplatzten Verkauf der Kabelsparte zustande, mit dessen Erlös die Nürnberger Schulden reduzieren wollten. Zudem wäre der Verkauf die Voraussetzung dafür gewesen, dass Leoni die Ende 2022 fälligen Verbindlichkeiten hätte verlängern können: einen Corona-Kredit über 330 Millionen Euro und eine bilaterale Kreditlinie von 250 Millionen Euro.

Leoni wollte Business Group Automotive Cable Solutions (BGAM) an die thailändische Stark Corporation verkaufen, das hatte der Zulieferer im Mai 2022 verkündet. Der Deal sollte Leoni 442 Millionen Euro in die Kasse spülen. Doch kurz vor Weihnachten 2022 dann der Schock: Der Deal war geplatzt.

Leoni plant rechtliche Schritte

Stark habe „unerwartet“ sehr weitreichende Änderungen des Kaufvertrags verlangt, erklärte Leoni in einer Stellungnahme. „Trotz großer Kompromissbereitschaft seitens Leoni hat Stark eine Einigung abgelehnt und wird deshalb das Closing nicht vollziehen.“ Da keine vertragliche Grundlage für die Verweigerung bestehe, verhalte sich Stark nach Ansicht von Leoni vertragsbrüchig. Leoni will deshalb alle rechtlichen Maßnahmen zur Durchsetzung seiner Rechte gegenüber Stark ergreifen.

Indes: Wie erfolgreich das sein wird, ist fraglich. Thailand ist weit weg – und ein Gerichtsverfahren könnte sich lange hinziehen. So viel Zeit hat Leoni
nicht. Aus Finanzkreisen ist aber zu hören, dass der angeschlagene Automobilzulieferer ein Schiedsgerichtsverfahren nach deutschem Recht anpeilt.

<!-- Paywall -->

Warum hat Stark den Deal platzen lassen?

Laut FINANCE-Informationen soll der Käufer aber auch die Reißleine gezogen haben, weil Stark vorgelegte Zahlen der Sparte anzweifelte. Mit der Sache vertraute Personen vermuten aber auch, dass Stark nur nach Gründen gesucht haben könnte, um aus dem Deal auszusteigen.

So ist aus Finanzkreisen zu hören, dass das Geschäft der Kabelsparte im Zuge der Ukraine-Krise so eingebrochen sein soll, dass der Käufer mit der Übernahme selbst wirtschaftliche Probleme bekommen hätte. Leoni hat in der Ukraine zwei Produktionsstätten für Kabelbäume, teilweise waren die Lieferketten unterbrochen; allerdings gehören die Produktionsstätten zur Bordnetzsparte und nicht zur Kabelsparte. Leoni wollte dies gegenüber FINANCE nicht kommentieren.

In den ersten neun Monaten 2022 sank der operative Gewinn (Ebit) der Kabelsparte gegenüber dem Vorjahreszeitraum um 46 Prozent auf 29 Millionen Euro. Die familiengeführte Stark-Gruppe hatte im Herbst 2022 noch eine Kapitalerhöhung durchgeführt, um das Geld für den Deal einzusammeln.

Leoni strebt einen Haircut an

Viel ist unklar. Doch nachdem der Deal vom Tisch war, fiel Leonis Sanierungskonzept in sich zusammen – die Banken konnten der ursprünglichen Verlängerung nicht zustimmen. Dennoch halten sie erstmal die Füße still. Laut FINANCE-Informationen sollen die Kredite ein halbes Jahr gestundet sein. Einer weiteren Verlängerung sollen die Banken wegen der hohen Risiken erstmal nicht zugestimmt haben – Stichwort Insolvenzverschleppung. Für Leoni geht die Zitterpartie weiter. Das Unternehmen hat im Februar einen möglichen letzten Ausweg bekanntgegeben: Der Bordnetzspezialist will einen Schuldenschnitt.

Die langfristige Fortführung Leonis sei nur möglich, wenn Finanzverbindlichkeiten zur Entschuldung der Leoni-Gruppe in Eigenkapital gewandelt würden. Das ginge beispielsweise mittels Debt-to-Equity-Swap oder durch nachrangige Besserungsscheine. Laut Finanzkreisen sollen speziell die Banken an einer außerinsolvenzlichen Lösung interessiert sein, da die Kredite zu großen Teilen unbesichert seien. Auch die Gespräche mit Großaktionär Stefan Pierer würden konstruktiv laufen, heißt es aus Unternehmenskreisen.

Angesichts dieses Plans verwundert es, dass der Aktienkurs noch bei 3 Euro liegt, obwohl das Equity nahezu nichts mehr wert ist. In den kommenden entscheidenden Wochen soll Restrukturierungsexperte Hans-Joachim Ziems die nötige Stütze sein. Er rückt erneut als CRO in den Leoni-Vorstand, nachdem er diese Rolle von April 2020 bis März 2021 schon einmal innehatte. CEO Aldo Kamper scheidet Ende März aus. Ihm hat sich eine spannende Perspektive als neuer Chef von AMS-Osram eröffnet. Gefordert ist nun besonders Harald Nippel, der seit April 2022 als CFO agiert.

Leoni: Gab es einen Plan B?

Doch das Management sieht sich auch Kritik ausgesetzt. Rüdiger Tibbe, ein Branchenkenner und CRO, mahnt in seinem Podcast „Turned Around“, dass Leoni in puncto Restrukturierungskonzept keinen Plan B aufgestellt habe. „Leoni stand hier von der Verhandlungsposition mit dem Rücken zur Wand, die brisante Finanzsituation des Unternehmens und die Wichtigkeit des geplanten M&A-Deals kamen rüber wie flehentliches Bitten und verzweifeltes Hoffen, auch durch meines Erachtens unglücklich formulierte Pressemitteilungen. Da sollte man im Rahmen eines professionellen Risikomanagements schon einkalkulieren, dass sich ein Verhandlungspartner überlegt, wie er die Situation zu seinem eigenen Vorteil nutzt.“

Aus Unternehmenskreisen ist zu hören, dass sich Leoni sehr sicher gewesen sei, den Verkauf über die Bühne zu bringen. Zudem glaubt Branchenkenner Tibbe, dass es längst überfällig ist, das margenknappe Geschäftsmodell neu aufzusetzen. Leoni sollte die Produkte optimieren und Komplexität herausnehmen und im Einklang mit der Plattformstrategie der OEMs mehr standardisieren. Außerdem müsse man sich überlegen, ob die Automobilindustrie überhaupt noch die richtige Heimat für Leoni sei.

Doch bis die Nürnberger sich darüber Gedanken machen können, muss erstmal die neue Refinanzierung gelingen. Sonst bricht das dünne Eis, auf dem Leoni steht.

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Leoni muss zittern und braucht eine neue Refinanzierungslösung. Foto: Leoni.

Leoni steht wohl vor den herausforderndsten Wochen seiner Geschichte. Der Zulieferer muss schnell eine Refinanzierungslösung vorlegen, sonst droht der Kollaps.

In Nürnberg stockt dem Automobilzulieferer Leoni seit Wochen der Atem. Wenn der Konzern nicht bald eine Refinanzierungslösung vorlegt, droht der Kollaps.

Die Misere kam vor allem durch den geplatzten Verkauf der Kabelsparte zustande, mit dessen Erlös die Nürnberger Schulden reduzieren wollten. Zudem wäre der Verkauf die Voraussetzung dafür gewesen, dass Leoni die Ende 2022 fälligen Verbindlichkeiten hätte verlängern können: einen Corona-Kredit über 330 Millionen Euro und eine bilaterale Kreditlinie von 250 Millionen Euro.

Leoni wollte Business Group Automotive Cable Solutions (BGAM) an die thailändische Stark Corporation verkaufen, das hatte der Zulieferer im Mai 2022 verkündet. Der Deal sollte Leoni 442 Millionen Euro in die Kasse spülen. Doch kurz vor Weihnachten 2022 dann der Schock: Der Deal war geplatzt.

Leoni plant rechtliche Schritte

Stark habe „unerwartet“ sehr weitreichende Änderungen des Kaufvertrags verlangt, erklärte Leoni in einer Stellungnahme. „Trotz großer Kompromissbereitschaft seitens Leoni hat Stark eine Einigung abgelehnt und wird deshalb das Closing nicht vollziehen.“ Da keine vertragliche Grundlage für die Verweigerung bestehe, verhalte sich Stark nach Ansicht von Leoni vertragsbrüchig. Leoni will deshalb alle rechtlichen Maßnahmen zur Durchsetzung seiner Rechte gegenüber Stark ergreifen.

Indes: Wie erfolgreich das sein wird, ist fraglich. Thailand ist weit weg – und ein Gerichtsverfahren könnte sich lange hinziehen. So viel Zeit hat Leoni
nicht. Aus Finanzkreisen ist aber zu hören, dass der angeschlagene Automobilzulieferer ein Schiedsgerichtsverfahren nach deutschem Recht anpeilt.

<!-- Paywall -->

Warum hat Stark den Deal platzen lassen?

Laut FINANCE-Informationen soll der Käufer aber auch die Reißleine gezogen haben, weil Stark vorgelegte Zahlen der Sparte anzweifelte. Mit der Sache vertraute Personen vermuten aber auch, dass Stark nur nach Gründen gesucht haben könnte, um aus dem Deal auszusteigen.

So ist aus Finanzkreisen zu hören, dass das Geschäft der Kabelsparte im Zuge der Ukraine-Krise so eingebrochen sein soll, dass der Käufer mit der Übernahme selbst wirtschaftliche Probleme bekommen hätte. Leoni hat in der Ukraine zwei Produktionsstätten für Kabelbäume, teilweise waren die Lieferketten unterbrochen; allerdings gehören die Produktionsstätten zur Bordnetzsparte und nicht zur Kabelsparte. Leoni wollte dies gegenüber FINANCE nicht kommentieren.

In den ersten neun Monaten 2022 sank der operative Gewinn (Ebit) der Kabelsparte gegenüber dem Vorjahreszeitraum um 46 Prozent auf 29 Millionen Euro. Die familiengeführte Stark-Gruppe hatte im Herbst 2022 noch eine Kapitalerhöhung durchgeführt, um das Geld für den Deal einzusammeln.

Leoni strebt einen Haircut an

Viel ist unklar. Doch nachdem der Deal vom Tisch war, fiel Leonis Sanierungskonzept in sich zusammen – die Banken konnten der ursprünglichen Verlängerung nicht zustimmen. Dennoch halten sie erstmal die Füße still. Laut FINANCE-Informationen sollen die Kredite ein halbes Jahr gestundet sein. Einer weiteren Verlängerung sollen die Banken wegen der hohen Risiken erstmal nicht zugestimmt haben – Stichwort Insolvenzverschleppung. Für Leoni geht die Zitterpartie weiter. Das Unternehmen hat im Februar einen möglichen letzten Ausweg bekanntgegeben: Der Bordnetzspezialist will einen Schuldenschnitt.

Die langfristige Fortführung Leonis sei nur möglich, wenn Finanzverbindlichkeiten zur Entschuldung der Leoni-Gruppe in Eigenkapital gewandelt würden. Das ginge beispielsweise mittels Debt-to-Equity-Swap oder durch nachrangige Besserungsscheine. Laut Finanzkreisen sollen speziell die Banken an einer außerinsolvenzlichen Lösung interessiert sein, da die Kredite zu großen Teilen unbesichert seien. Auch die Gespräche mit Großaktionär Stefan Pierer würden konstruktiv laufen, heißt es aus Unternehmenskreisen.

Angesichts dieses Plans verwundert es, dass der Aktienkurs noch bei 3 Euro liegt, obwohl das Equity nahezu nichts mehr wert ist. In den kommenden entscheidenden Wochen soll Restrukturierungsexperte Hans-Joachim Ziems die nötige Stütze sein. Er rückt erneut als CRO in den Leoni-Vorstand, nachdem er diese Rolle von April 2020 bis März 2021 schon einmal innehatte. CEO Aldo Kamper scheidet Ende März aus. Ihm hat sich eine spannende Perspektive als neuer Chef von AMS-Osram eröffnet. Gefordert ist nun besonders Harald Nippel, der seit April 2022 als CFO agiert.

Leoni: Gab es einen Plan B?

Doch das Management sieht sich auch Kritik ausgesetzt. Rüdiger Tibbe, ein Branchenkenner und CRO, mahnt in seinem Podcast „Turned Around“, dass Leoni in puncto Restrukturierungskonzept keinen Plan B aufgestellt habe. „Leoni stand hier von der Verhandlungsposition mit dem Rücken zur Wand, die brisante Finanzsituation des Unternehmens und die Wichtigkeit des geplanten M&A-Deals kamen rüber wie flehentliches Bitten und verzweifeltes Hoffen, auch durch meines Erachtens unglücklich formulierte Pressemitteilungen. Da sollte man im Rahmen eines professionellen Risikomanagements schon einkalkulieren, dass sich ein Verhandlungspartner überlegt, wie er die Situation zu seinem eigenen Vorteil nutzt.“

Aus Unternehmenskreisen ist zu hören, dass sich Leoni sehr sicher gewesen sei, den Verkauf über die Bühne zu bringen. Zudem glaubt Branchenkenner Tibbe, dass es längst überfällig ist, das margenknappe Geschäftsmodell neu aufzusetzen. Leoni sollte die Produkte optimieren und Komplexität herausnehmen und im Einklang mit der Plattformstrategie der OEMs mehr standardisieren. Außerdem müsse man sich überlegen, ob die Automobilindustrie überhaupt noch die richtige Heimat für Leoni sei.

Doch bis die Nürnberger sich darüber Gedanken machen können, muss erstmal die neue Refinanzierung gelingen. Sonst bricht das dünne Eis, auf dem Leoni steht.

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Neuer Akt im Frankfurt-Hahn-Verkaufsdrama https://www.finance-magazin.de/deals/distressed-ma/neuer-akt-im-frankfurt-hahn-verkaufsdramaho1-145817/ Wed, 01 Mar 2023 14:58:09 +0000 https://www.finance-magazin.de/?p=145817 Mittlerweile pokern drei Investoren um Frankfurt-Hahn, während ein vierter Prozess noch kein offizielles Ende gefunden haben soll. Das wollen sich zwei potentielle Käufer nicht bieten lassen. Foto: Markus Mainka - stock.adobe.com

Aller guten Dinge sind… vier? Der insolvente Flughafen Hahn verhandelt mittlerweile mit dem vierten Interessenten. Das ärgert Käufer Nummer 2. Er prüft gerichtliche Schritte, Marktbeobachter verwundert das nicht.

Dicke Luft in Frankfurt-Hahn: Im Verkaufspoker um den insolventen Flughafen soll sich ein neuer Interessent eingeschaltet haben. Das sorgt für Unmut bei einem der ursprünglichen zwei Käufer, die beide schon den Kaufpreis überwiesen haben. Die NR Holding um den russischen Unternehmer Viktor Charitonin will nun rechtliche Schritte prüfen – und sie ist damit nicht alleine. Wie geht es weiter?

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NR Holding prüft Verfahren gegen Frankfurt-Hahn

„Wir prüfen die neue Situation aus zivilrechtlicher, insolvenzrechtlicher und EU-rechtlicher Sicht“, so die NR Holding. Die NR Holding hat mit dem Flughafenbetreiber, der seit Herbst 2021 insolvent ist, bereits Anfang Februar einen Kaufvertrag geschlossen und sogar den Kaufpreis auf ein Treuhandkonto überwiesen. Es soll um 20 Millionen Euro gehen.

Jedoch konnte der Deal mit Insolvenzverwalter Jan Markus Plathner von Brinkmann & Partner noch nicht zum Abschluss kommen, weil es ein Veto seitens des hessischen Finanzministers Michael Boddenberg gab. Sein Plädoyer: Es sollen keine Geschäfte mit russischen Oligarchen gemacht werden. Mittlerweile hat die NR Holding den anvisierten Verkaufsanteil auf unter 25 Prozent gesenkt, um die Regierung doch noch zu überzeugen. Der Flughafen gehört zu 17,5 Prozent dem Land Hessen, die restlichen Anteile hält der chinesische Logistikriese HNA.

Investor Richter wollte Frankfurt-Hahn kaufen

Während dieses Prozesses sorgte Insolvenzverwalter Plathner für einen Plan B und schloss einen zweiten Kaufvertrag mit dem Immobilieninvestor Richter ab. Auch die Mainzer sollen den Kaufpreis – der laut Finanzkreisen geringer sein soll als die Offerte der Russen – auf ein Treuhandkonto überwiesen haben.

Obwohl der Insolvenzverwalter damit sogar einen Back-up-Käufer in der Tasche hatte, eröffnete er dann plötzlich Mitte Februar wieder den Verkaufsprozess, um weitere Bieter einzuladen. Daraufhin kam noch ein dritter Investor ins Spiel – der türkische Flughafenbetreiber YDA.

Randnotiz: Die YDA-Gruppe soll mit Swift Conjoy, dem allerersten Kaufinteressenten des Flughafens Frankfurt-Hahn, in Kontakt stehen. Swift Conjoy soll den Kaufpreis für den Ende vergangenen Jahres angekündigten Deal allerdings nie gezahlt haben. Dennoch soll der Vertrag mit diesem Unternehmen nach Dpa-Informationen nicht gekündigt worden sein. Stimmt dies, gäbe es strenggenommen sogar insgesamt vier mehr oder weniger ernsthafte Bieter für den Flughafen.

NR Holding: „Neues Verfahren hat überrascht“

Nun scheint es bei der Kommunikation zwischen dem Flughafen und der NR Holding Probleme gegeben zu haben. Laut dem russischen Unternehmen wurde es nie formell über die neue Öffnung des Verkaufsprozesses informiert. „Der Start eines vollständig neuen Bieterverfahrens vom Insolvenzverwalter hat uns überrascht“, heißt es seitens der NR Holding. „Es gibt ja längst zwei unterschriebene und notariell beurkundete Kaufverträge“, so die Holding weiter. Allerdings sei der Gesprächsfaden zum Insolvenzverwalter Plathner nicht abgerissen.

Die Vorgehensweise des Hahn-Insolvenzverwalters ist nicht ungewöhnlich, bei Käufen aus der Insolvenz heraus verhandeln Insolvenzverwalter in der Regel parallele Kaufverträge – zum Teil auch bis kurz vor Vertragsabschluss. Das belebt den Wettbewerb und erhöht die Wahrscheinlichkeit auf eine möglichst hohe Insolvenzquote. „Wie Plathner handelt, ist gut und richtig. Er handelt zum Wohle aller Gläubiger“, sagt ein Insolvenzexperte, mit dem FINANCE gesprochen hat.

YDA soll Finanzierungsplan vorgelegt haben

Den Fachmann wundert es allerdings, dass die Bieter den Kaufpreis bereits auf ein Treuhandkonto überwiesen haben. „In der Regel reichen Bankgarantien oder -bürgschaften, um die Zahlungsfähigkeit des Bieters zu validieren“, so der Experte, der anonym bleiben möchte. Seine Vermutung: Weil bereits einmal ein Kaufinteressent den Kaufpreis nicht überwiesen hatte, will der Insolvenzverwalter jetzt auf Nummer sicher gehen. Dies würde auch die Wiedereröffnung des Bieterverfahrens erklären: Schließlich könne der Deal immer noch an der fehlenden Zustimmung der Gläubiger oder aufgrund von Widerstand seitens des Bundes scheitern.

Dass nun mit der türkischen YDA ein dritter Spieler hinzukommt, dürfte ebenfalls mit der Transaktionssicherheit zusammenhängen. Ein Marktbeobachter vermutet, dass YDA bereits länger Teil des M&A-Prozesses gewesen sein könnte, bislang aber noch keine Finanzierungsbestätigung präsentiert hatte. Laut dem Fachmagazin „LTO“ soll die Gruppe nun aber einen Bankauszug über 130 Millionen Euro vorgelegt haben.

Auch Richter „prüft rechtliche Schritte“ im Fall Hahn

Dennoch könnte auf den Insolvenzverwalter noch mehr Ärger zukommen. Denn laut „LTO“ prüfe auch die Richter-Gruppe rechtliche Schritte. „Wir waren überrascht. Es gibt immer wieder neue Ideen vom Insolvenzverwalter“, sagt Geschäftsführerin Julia Richter. Erst habe er den Investorenprozess geschlossen, „und jetzt kann ganz locker wieder jeder kommen“.

Während Marktbeobachter die Vorgehensweise des Insolvenzverwalters gutheißen, wird indes die Art der Kommunikation kritisiert. „Den Bieterprozess hätte man transparenter spielen können“, findet ein weiterer Insolvenzexperte. Womöglich hätte eine offenere Kommunikation für friedlichere Fronten sorgen können.

So oder so spitzt sich das Verkaufsdrama um den Flughafen Frankfurt-Hahn immer weiter zu. Sollte es zum Gerichtsprozess kommen, wäre das der vorläufige Tiefpunkt. Die Hängeparte zieht sich mittlerweile schon über ein Jahr – und produziert seitdem Kosten über Kosten.

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Mittlerweile pokern drei Investoren um Frankfurt-Hahn, während ein vierter Prozess noch kein offizielles Ende gefunden haben soll. Das wollen sich zwei potentielle Käufer nicht bieten lassen. Foto: Markus Mainka - stock.adobe.com

Aller guten Dinge sind… vier? Der insolvente Flughafen Hahn verhandelt mittlerweile mit dem vierten Interessenten. Das ärgert Käufer Nummer 2. Er prüft gerichtliche Schritte, Marktbeobachter verwundert das nicht.

Dicke Luft in Frankfurt-Hahn: Im Verkaufspoker um den insolventen Flughafen soll sich ein neuer Interessent eingeschaltet haben. Das sorgt für Unmut bei einem der ursprünglichen zwei Käufer, die beide schon den Kaufpreis überwiesen haben. Die NR Holding um den russischen Unternehmer Viktor Charitonin will nun rechtliche Schritte prüfen – und sie ist damit nicht alleine. Wie geht es weiter?

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NR Holding prüft Verfahren gegen Frankfurt-Hahn

„Wir prüfen die neue Situation aus zivilrechtlicher, insolvenzrechtlicher und EU-rechtlicher Sicht“, so die NR Holding. Die NR Holding hat mit dem Flughafenbetreiber, der seit Herbst 2021 insolvent ist, bereits Anfang Februar einen Kaufvertrag geschlossen und sogar den Kaufpreis auf ein Treuhandkonto überwiesen. Es soll um 20 Millionen Euro gehen.

Jedoch konnte der Deal mit Insolvenzverwalter Jan Markus Plathner von Brinkmann & Partner noch nicht zum Abschluss kommen, weil es ein Veto seitens des hessischen Finanzministers Michael Boddenberg gab. Sein Plädoyer: Es sollen keine Geschäfte mit russischen Oligarchen gemacht werden. Mittlerweile hat die NR Holding den anvisierten Verkaufsanteil auf unter 25 Prozent gesenkt, um die Regierung doch noch zu überzeugen. Der Flughafen gehört zu 17,5 Prozent dem Land Hessen, die restlichen Anteile hält der chinesische Logistikriese HNA.

Investor Richter wollte Frankfurt-Hahn kaufen

Während dieses Prozesses sorgte Insolvenzverwalter Plathner für einen Plan B und schloss einen zweiten Kaufvertrag mit dem Immobilieninvestor Richter ab. Auch die Mainzer sollen den Kaufpreis – der laut Finanzkreisen geringer sein soll als die Offerte der Russen – auf ein Treuhandkonto überwiesen haben.

Obwohl der Insolvenzverwalter damit sogar einen Back-up-Käufer in der Tasche hatte, eröffnete er dann plötzlich Mitte Februar wieder den Verkaufsprozess, um weitere Bieter einzuladen. Daraufhin kam noch ein dritter Investor ins Spiel – der türkische Flughafenbetreiber YDA.

Randnotiz: Die YDA-Gruppe soll mit Swift Conjoy, dem allerersten Kaufinteressenten des Flughafens Frankfurt-Hahn, in Kontakt stehen. Swift Conjoy soll den Kaufpreis für den Ende vergangenen Jahres angekündigten Deal allerdings nie gezahlt haben. Dennoch soll der Vertrag mit diesem Unternehmen nach Dpa-Informationen nicht gekündigt worden sein. Stimmt dies, gäbe es strenggenommen sogar insgesamt vier mehr oder weniger ernsthafte Bieter für den Flughafen.

NR Holding: „Neues Verfahren hat überrascht“

Nun scheint es bei der Kommunikation zwischen dem Flughafen und der NR Holding Probleme gegeben zu haben. Laut dem russischen Unternehmen wurde es nie formell über die neue Öffnung des Verkaufsprozesses informiert. „Der Start eines vollständig neuen Bieterverfahrens vom Insolvenzverwalter hat uns überrascht“, heißt es seitens der NR Holding. „Es gibt ja längst zwei unterschriebene und notariell beurkundete Kaufverträge“, so die Holding weiter. Allerdings sei der Gesprächsfaden zum Insolvenzverwalter Plathner nicht abgerissen.

Die Vorgehensweise des Hahn-Insolvenzverwalters ist nicht ungewöhnlich, bei Käufen aus der Insolvenz heraus verhandeln Insolvenzverwalter in der Regel parallele Kaufverträge – zum Teil auch bis kurz vor Vertragsabschluss. Das belebt den Wettbewerb und erhöht die Wahrscheinlichkeit auf eine möglichst hohe Insolvenzquote. „Wie Plathner handelt, ist gut und richtig. Er handelt zum Wohle aller Gläubiger“, sagt ein Insolvenzexperte, mit dem FINANCE gesprochen hat.

YDA soll Finanzierungsplan vorgelegt haben

Den Fachmann wundert es allerdings, dass die Bieter den Kaufpreis bereits auf ein Treuhandkonto überwiesen haben. „In der Regel reichen Bankgarantien oder -bürgschaften, um die Zahlungsfähigkeit des Bieters zu validieren“, so der Experte, der anonym bleiben möchte. Seine Vermutung: Weil bereits einmal ein Kaufinteressent den Kaufpreis nicht überwiesen hatte, will der Insolvenzverwalter jetzt auf Nummer sicher gehen. Dies würde auch die Wiedereröffnung des Bieterverfahrens erklären: Schließlich könne der Deal immer noch an der fehlenden Zustimmung der Gläubiger oder aufgrund von Widerstand seitens des Bundes scheitern.

Dass nun mit der türkischen YDA ein dritter Spieler hinzukommt, dürfte ebenfalls mit der Transaktionssicherheit zusammenhängen. Ein Marktbeobachter vermutet, dass YDA bereits länger Teil des M&A-Prozesses gewesen sein könnte, bislang aber noch keine Finanzierungsbestätigung präsentiert hatte. Laut dem Fachmagazin „LTO“ soll die Gruppe nun aber einen Bankauszug über 130 Millionen Euro vorgelegt haben.

Auch Richter „prüft rechtliche Schritte“ im Fall Hahn

Dennoch könnte auf den Insolvenzverwalter noch mehr Ärger zukommen. Denn laut „LTO“ prüfe auch die Richter-Gruppe rechtliche Schritte. „Wir waren überrascht. Es gibt immer wieder neue Ideen vom Insolvenzverwalter“, sagt Geschäftsführerin Julia Richter. Erst habe er den Investorenprozess geschlossen, „und jetzt kann ganz locker wieder jeder kommen“.

Während Marktbeobachter die Vorgehensweise des Insolvenzverwalters gutheißen, wird indes die Art der Kommunikation kritisiert. „Den Bieterprozess hätte man transparenter spielen können“, findet ein weiterer Insolvenzexperte. Womöglich hätte eine offenere Kommunikation für friedlichere Fronten sorgen können.

So oder so spitzt sich das Verkaufsdrama um den Flughafen Frankfurt-Hahn immer weiter zu. Sollte es zum Gerichtsprozess kommen, wäre das der vorläufige Tiefpunkt. Die Hängeparte zieht sich mittlerweile schon über ein Jahr – und produziert seitdem Kosten über Kosten.

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So nutzt Maschinenbauer Engel Pay per Use https://www.finance-magazin.de/finanzierungen/digitalisierung/so-nutzt-maschinenbauer-engel-pay-per-use-145573/ Tue, 28 Feb 2023 07:00:00 +0000 https://www.finance-magazin.de/?p=145573 Der Spritzgussmaschinenhersteller Engel will ein alternatives Finanzierungsmodell anbieten. Foto: www.jh-photo.de - stock.adobe.com

Der österreichische Maschinenbauer Engel bietet Pay per Use an. CFO Simon Zeilberger entscheidet sich dabei gegen die Banken.

Der Spritzgussmaschinenhersteller Engel bietet seinen Kunden seit Ende 2022 Pay per Use (PPU) an. Simon Zeilberger, Geschäftsführer und CFO von Engel, sagt im Interview mit unserer Schwesterpublikation DerTreasurer: „Pay per Use ist ein interessantes Finanzierungsmodell. Unsere Kunden haben besonders seit der Energiekrise den Mehrwert nach dieser auslastungsorientierten Finanzierungsform aufgegriffen und nachgefragt.“

Im Detail funktioniert das Modell bei Engel nun so: „Der Kunde bezahlt in Abhängigkeit der Maschinenauslastung. Vorher vereinbaren wir einen Fixpreis, entweder pro produzierte Einheit oder pro Maschinenlaufzeit“, erklärt CFO Zeilberger, der seit April 2022 bei den Österreichern ist.

Dazu ist das Unternehmen eine Kooperation mit dem Fintech Linx4 eingegangen. Linx4 agiert in diesem Modell quasi als Bank. Das Fintech gründete dafür eine Zweckgesellschaft und kauft Engel die Maschinen ab, für die eine Pay-per-Use-Option angeboten wird. Linx4 least die Maschinen dann an die Engel-Kunden weiter und finanziert den Kauf unter anderem über den eigenen Maschinenfonds.

Engel arbeitet mit Linx4 zusammen

Einige deutsche Banken wollen den PPU-Kredit auch in Deutschland etablieren. So sind zum Beispiel die Commerzbank, Deutsche Bank und DZ Bank in dem Bereich aktiv. Bisher wird die alternative Finanzierungsvariante in der Breite noch nicht genutzt.

CFO Zeilberger hat sich auch das Angebot einiger Banken angeschaut, davon konnte ihn aber keine in diesem Bereich wirklich überzeugen, „da die Banken das wirtschaftliche Risiko nicht abbilden und somit der bilanzielle Vorteil für den Kunden oft nicht schlagend wird“. Das Fintech Linx4 übernehme bei Engel neben dem Risiko eines Kreditausfalls auch das wirtschaftliche Risiko einer Unterauslastung.

Weitere Hintergründe zu dem Pay-per-Use-Modell von Engel lesen Sie bei DerTreasurer.

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Der Spritzgussmaschinenhersteller Engel will ein alternatives Finanzierungsmodell anbieten. Foto: www.jh-photo.de - stock.adobe.com

Der österreichische Maschinenbauer Engel bietet Pay per Use an. CFO Simon Zeilberger entscheidet sich dabei gegen die Banken.

Der Spritzgussmaschinenhersteller Engel bietet seinen Kunden seit Ende 2022 Pay per Use (PPU) an. Simon Zeilberger, Geschäftsführer und CFO von Engel, sagt im Interview mit unserer Schwesterpublikation DerTreasurer: „Pay per Use ist ein interessantes Finanzierungsmodell. Unsere Kunden haben besonders seit der Energiekrise den Mehrwert nach dieser auslastungsorientierten Finanzierungsform aufgegriffen und nachgefragt.“

Im Detail funktioniert das Modell bei Engel nun so: „Der Kunde bezahlt in Abhängigkeit der Maschinenauslastung. Vorher vereinbaren wir einen Fixpreis, entweder pro produzierte Einheit oder pro Maschinenlaufzeit“, erklärt CFO Zeilberger, der seit April 2022 bei den Österreichern ist.

Dazu ist das Unternehmen eine Kooperation mit dem Fintech Linx4 eingegangen. Linx4 agiert in diesem Modell quasi als Bank. Das Fintech gründete dafür eine Zweckgesellschaft und kauft Engel die Maschinen ab, für die eine Pay-per-Use-Option angeboten wird. Linx4 least die Maschinen dann an die Engel-Kunden weiter und finanziert den Kauf unter anderem über den eigenen Maschinenfonds.

Engel arbeitet mit Linx4 zusammen

Einige deutsche Banken wollen den PPU-Kredit auch in Deutschland etablieren. So sind zum Beispiel die Commerzbank, Deutsche Bank und DZ Bank in dem Bereich aktiv. Bisher wird die alternative Finanzierungsvariante in der Breite noch nicht genutzt.

CFO Zeilberger hat sich auch das Angebot einiger Banken angeschaut, davon konnte ihn aber keine in diesem Bereich wirklich überzeugen, „da die Banken das wirtschaftliche Risiko nicht abbilden und somit der bilanzielle Vorteil für den Kunden oft nicht schlagend wird“. Das Fintech Linx4 übernehme bei Engel neben dem Risiko eines Kreditausfalls auch das wirtschaftliche Risiko einer Unterauslastung.

Weitere Hintergründe zu dem Pay-per-Use-Modell von Engel lesen Sie bei DerTreasurer.

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Insolvenz: Immer weniger Unternehmen können danach neu starten https://www.finance-magazin.de/transformation/insolvenz/insolvenz-immer-weniger-unternehmen-koennen-danach-neu-starten-145275/ Mon, 27 Feb 2023 07:00:00 +0000 https://www.finance-magazin.de/?p=145275 Immer mehr insolvente Unternehmen finden keine Lösung und können nicht mit neuem Anstrich starten. Foto: Henrik Dolle - stock.adobe.com

2022 gab es deutlich mehr Insolvenzen als im Vorjahr. Das Bittere ist, dass immer mehr Unternehmen danach keine Lösung finden.

Wie sich bereits in den ersten neun Monaten des vergangenen Jahres abzeichnete, gab es 2022 deutlich mehr Insolvenzen als im Vorjahr. Im vierten Quartal stellten 39 Großunternehmen einen Insolvenzantrag. Das sind 70 Prozent mehr als im Vorjahr.

Das geht aus dem aktuellen FINANCE-Insolvenz-Report hervor, für den die Restrukturierungsberatung Falkensteg exklusiv für FINANCE die Großinsolvenzen von Unternehmen mit einer Umsatzgröße ab 20 Millionen Euro auswertet.

Insgesamt stellten 2022 125 Unternehmen einen Insolvenzantrag, im Vorjahr waren es 76 Unternehmen. Wobei sich die Insolvenzen damit wieder auf dem Niveau von 2019 einpendeln – damals gab es 123 Insolvenzen. Im Coronajahr 2020 zählte der Report 181 Anträge.

Galeria Karstadt Kaufhof größte Insolvenz 2022

Vor allem Unternehmen aus der höchsten Umsatzklasse ab 100 Millionen Euro stellten 2022 vermehrt einen Insolvenzantrag. Die Amtsgerichte registrierten 22 Anträge in dieser Umsatzklasse, darunter die prominenten Fälle Galeria Kaufhof Karstadt und Borgers.

Auffällig ist auch, dass immer weniger Unternehmen nach der Insolvenz ein Neustart gelingt. Nur 15 Insolvenzen konnten zwischen Oktober und Dezember einer Lösung zugeführt werden. Im Vergleich zu den beiden Vorjahren liegen die Verfahrensausgänge damit auf dem niedrigsten Dreimonatsstand.

Grund dafür sind vor allem verteuerte Finanzierungen. Diese sind ein Bremsklotz für eine erfolgreiche Umsetzung der Sanierung oder des Verkaufs innerhalb eines Insolvenzverfahrens. Erst 28 Unternehmen (22 Prozent) aus den Insolvenzen aus 2022 konnten bisher erfolgreich fortgeführt werden. Als häufigste Lösung wird ein Asset Deal eingesetzt.

Lars P. Feld, Direktor des Walter-Eucken-Instituts und Berater von Finanzminister Christian Lindner (FDP), sagt im Interview mit den Autoren des Insolvenzreports, dass es künftig vor allem in der Immobilienbranche trüb aussehen werde. Welche Branchen verzeichneten 2022 die meisten Insolvenzen? Und wie blicken die Experten auf das laufende Jahr? Das und mehr lesen Sie im aktuellen Insolvenzreport.

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Immer mehr insolvente Unternehmen finden keine Lösung und können nicht mit neuem Anstrich starten. Foto: Henrik Dolle - stock.adobe.com

2022 gab es deutlich mehr Insolvenzen als im Vorjahr. Das Bittere ist, dass immer mehr Unternehmen danach keine Lösung finden.

Wie sich bereits in den ersten neun Monaten des vergangenen Jahres abzeichnete, gab es 2022 deutlich mehr Insolvenzen als im Vorjahr. Im vierten Quartal stellten 39 Großunternehmen einen Insolvenzantrag. Das sind 70 Prozent mehr als im Vorjahr.

Das geht aus dem aktuellen FINANCE-Insolvenz-Report hervor, für den die Restrukturierungsberatung Falkensteg exklusiv für FINANCE die Großinsolvenzen von Unternehmen mit einer Umsatzgröße ab 20 Millionen Euro auswertet.

Insgesamt stellten 2022 125 Unternehmen einen Insolvenzantrag, im Vorjahr waren es 76 Unternehmen. Wobei sich die Insolvenzen damit wieder auf dem Niveau von 2019 einpendeln – damals gab es 123 Insolvenzen. Im Coronajahr 2020 zählte der Report 181 Anträge.

Galeria Karstadt Kaufhof größte Insolvenz 2022

Vor allem Unternehmen aus der höchsten Umsatzklasse ab 100 Millionen Euro stellten 2022 vermehrt einen Insolvenzantrag. Die Amtsgerichte registrierten 22 Anträge in dieser Umsatzklasse, darunter die prominenten Fälle Galeria Kaufhof Karstadt und Borgers.

Auffällig ist auch, dass immer weniger Unternehmen nach der Insolvenz ein Neustart gelingt. Nur 15 Insolvenzen konnten zwischen Oktober und Dezember einer Lösung zugeführt werden. Im Vergleich zu den beiden Vorjahren liegen die Verfahrensausgänge damit auf dem niedrigsten Dreimonatsstand.

Grund dafür sind vor allem verteuerte Finanzierungen. Diese sind ein Bremsklotz für eine erfolgreiche Umsetzung der Sanierung oder des Verkaufs innerhalb eines Insolvenzverfahrens. Erst 28 Unternehmen (22 Prozent) aus den Insolvenzen aus 2022 konnten bisher erfolgreich fortgeführt werden. Als häufigste Lösung wird ein Asset Deal eingesetzt.

Lars P. Feld, Direktor des Walter-Eucken-Instituts und Berater von Finanzminister Christian Lindner (FDP), sagt im Interview mit den Autoren des Insolvenzreports, dass es künftig vor allem in der Immobilienbranche trüb aussehen werde. Welche Branchen verzeichneten 2022 die meisten Insolvenzen? Und wie blicken die Experten auf das laufende Jahr? Das und mehr lesen Sie im aktuellen Insolvenzreport.

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Distressed-Assets-Konferenz: Das Programm ist live https://www.finance-magazin.de/transformation/restrukturierung/distressed-assets-konferenz-das-programm-ist-live-145478/ Mon, 27 Feb 2023 07:00:00 +0000 https://www.finance-magazin.de/?p=145478 Am 29. März findet die Distressed-Assets-Konferenz wieder statt. Foto: F.A.Z. Business Media/A. Varnhorn

Das Programm der 17. Distressed-Assets-Konferenz ist online! Wie Restrukturierungs-Experten die nächsten Monate einschätzen, Insights zu Sefe und Uniper und vieles mehr erwartet Sie dort.

Am 29. März ist es wieder soweit: Zum 17. Mal findet die Deutsche Distressed-Assets-Konferenz statt. Auch dieses Jahr sind wir wieder im Westhafen Pier in Frankfurt am Main. Teilnehmer können sich auf spannende Vorträge, kritische Diskussionsrunden und jede Menge Netzwerken freuen.

Den Auftakt der Veranstaltung macht Josef Schultheis, CRO und CFO von Adapa (ehemals Schur Flexibles). Er erzählt, wie sich der mittelständische Verpackungshersteller durch die Restrukturierung der Verbindlichkeiten und der Übernahme des Eigenkapitals durch die Finanzierer wie Apollo retten konnte.

So gelingt die Restrukturierung der Gasimporteure

Darüber hinaus erfahren Sie von Maximilian Pluta, dem Geschäftsführer der Kanzlei Pluta, was Unternehmen aktuell in eine Insolvenz treibt. Dabei greift der Experte mehrere Beispiele aus den Bereichen Automotive, Healthcare und Hotellerie auf.

Alexandra Schluck-Amend, Partnerin bei der Kanzlei CMS Deutschland, hat das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) bei den komplexen Verfahren von Uniper und Sefe beraten und berichtet darüber, wie sich die Gasimporteure restrukturieren.

In einer Expertenrunde um Martin Hoeller, Managing Partner bei Octane Capital Advisory, Oliver Kehren, Managing Director bei Morgan Stanley und Vorstandsvorsitzender bei dem TMA Deutschland, und Claus Radünz, Executive Director bei der LBBW, diskutieren über die Themen Energiekrise, NPL, Distressed-Markt und ESG.

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Am 29. März findet die Distressed-Assets-Konferenz wieder statt. Foto: F.A.Z. Business Media/A. Varnhorn

Das Programm der 17. Distressed-Assets-Konferenz ist online! Wie Restrukturierungs-Experten die nächsten Monate einschätzen, Insights zu Sefe und Uniper und vieles mehr erwartet Sie dort.

Am 29. März ist es wieder soweit: Zum 17. Mal findet die Deutsche Distressed-Assets-Konferenz statt. Auch dieses Jahr sind wir wieder im Westhafen Pier in Frankfurt am Main. Teilnehmer können sich auf spannende Vorträge, kritische Diskussionsrunden und jede Menge Netzwerken freuen.

Den Auftakt der Veranstaltung macht Josef Schultheis, CRO und CFO von Adapa (ehemals Schur Flexibles). Er erzählt, wie sich der mittelständische Verpackungshersteller durch die Restrukturierung der Verbindlichkeiten und der Übernahme des Eigenkapitals durch die Finanzierer wie Apollo retten konnte.

So gelingt die Restrukturierung der Gasimporteure

Darüber hinaus erfahren Sie von Maximilian Pluta, dem Geschäftsführer der Kanzlei Pluta, was Unternehmen aktuell in eine Insolvenz treibt. Dabei greift der Experte mehrere Beispiele aus den Bereichen Automotive, Healthcare und Hotellerie auf.

Alexandra Schluck-Amend, Partnerin bei der Kanzlei CMS Deutschland, hat das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) bei den komplexen Verfahren von Uniper und Sefe beraten und berichtet darüber, wie sich die Gasimporteure restrukturieren.

In einer Expertenrunde um Martin Hoeller, Managing Partner bei Octane Capital Advisory, Oliver Kehren, Managing Director bei Morgan Stanley und Vorstandsvorsitzender bei dem TMA Deutschland, und Claus Radünz, Executive Director bei der LBBW, diskutieren über die Themen Energiekrise, NPL, Distressed-Markt und ESG.

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