Die Krisen der letzten Jahre haben eines deutlich gezeigt: Rohstoff- und Energiepreisschwankungen gefährden die Margen vieler Unternehmen. Die zentrale Herausforderung besteht darin, dass Preisentwicklungen entlang der gesamten Wertschöpfungskette wirken – vom Einkauf über das Bestandsmanagement bis zur Preisgestaltung im Vertrieb. Dabei beeinflusst nicht nur die Preisvolatilität das Risiko, sondern auch die Unsicherheit über die zugrunde liegenden Volumina.
Defizite im Risikomanagement
In den letzten Jahren war die Preisvolatilität an den Rohstoffmärkten außergewöhnlich hoch, getrieben durch geopolitische Krisen, regulatorische Eingriffe und strukturelle Nachfrageverschiebungen. Dennoch reagieren Unternehmen häufig mit punktuellen Maßnahmen, statt systematisch zu handeln. Eine typische Schwachstelle im Rohstoffpreisrisikomanagement ist mangelnde Transparenz über das Gesamtrisiko und über die konkreten Auswirkungen von Rohstoffpreisen auf die eigenen Absatzpreise.
Häufig herrscht zudem ein Silodenken in Einkauf, Vertrieb und Risikomanagement, was eine kohärente Steuerung erschwert. Die Sicherungsstrategie besteht oft aus isolierten finanziellen Einzelsicherungen statt einer integrierten Portfoliosteuerung. Eine zentrale Schwachstelle bleibt dabei die verbreitete Fixierung auf reine Risikominimierung. Mit zwei Folgen: hohe Sicherungskosten, die oft unbemerkt bleiben, und die Gefahr von Übersicherungen, die das Margenrisiko sogar erhöhen können.
Von der Risikoanalyse zur Absicherung
Eine effektive Sicherungsstrategie beginnt hingegen mit der Analyse der Rohstoffpreiseinflüsse entlang der eigenen Wertschöpfungskette: Mengenflüsse, Vertragsmodelle, Bestandsbewertung und Natural Hedges. Letztere umfassen die Weitergabe von Kostensteigerungen an Endkunden, was eine fundierte Einschätzung der Marktdynamik im jeweiligen Absatzmarkt erfordert. Nach der Quantifizierung der Exposures erfolgt eine Bewertung des resultierenden Risikos im Abgleich mit Risikoneigung und Risikotragfähigkeit.
Die verfügbaren Steuerungshebel reichen dabei weit über finanzielles Hedging hinaus, etwa durch die Anpassung von Preisbindungen im Ein- und Verkauf, die Optimierung der Lagerhaltung oder strukturelle Maßnahmen entlang der Supply Chain. So lassen sich auch Preisrisiken weniger liquider Rohstoffe effektiv steuern, um die Marge zu sichern. Best Practice ist eine dynamische Risiko-Ertrags-Optimierung, die Risiken auf ein sinnvolles Maß reduziert und Sicherungskosten sowie Chancen aktiv gegeneinander abwägt. Dabei sollte auch das Preisniveau berücksichtigt werden, da es maßgeblich das Chancen-Risiko-Profil bestimmt. Eine flexible Sicherungsquote in Abhängigkeit vom Preisniveau unter Beachtung der Risikoneigung kann daher sinnvoll sein.
Zentrale Commodity-Funktion
Um die Zukunftsfähigkeit zu sichern, empfiehlt sich die Einführung einer zentralen Commodity-Management-Funktion. Diese schafft Transparenz über rohstoffpreisgetriebene Wert-, Ergebnis- und Liquiditätsschwankungen entlang der Wertschöpfungskette und ermöglicht eine ganzheitliche Steuerung von Rohstoffpreisrisiken. Typischerweise im Einkauf verankert, bindet sie Vertrieb, Produktion, Logistik, Risikomanagement und Controlling aktiv ein. Neben der Risikosteuerung erschließt sie neue Wertpotentiale durch optimierte Preismodelle, die Kundenbindung und Margen verbessern und gleichzeitig das Rohstoffpreisrisiko reduzieren.
Autor
Sebastian Ritzmann
Sebastian Ritzmann ist Director bei Deloitte Deutschland in Hamburg.