Im Juni 2021 trat das Gesetz über elektronische Wertpapiere (eWpG) in Kraft – ein Gesetz, das das deutsche Wertpapierrecht reformiert hat. Zur weiteren Förderung des Finanzstandortes Deutschlands gilt seit Juni 2022 die Verordnung über Kryptofondsanteile (KryptoFAV), die die Möglichkeit eröffnet, Kryptofondsanteile zu begeben und zu verwahren.
Mit dem derzeit diskutierten Gesetz zur Finanzierung von zukunftssichernden Investitionen (Zukunftsfinanzierungsgesetz – ZuFinG) schließt sich der Kreis. Damit könnte in Deutschland erstmals ein umfassender Rechtsrahmen für Wertpapieremissionen mit Hilfe der Blockchain geschaffen werden. Doch was ist nun das revolutionäre Potential der Blockchain? Und welche Chancen erwachsen aus dieser Technologie für künftige Wertpapieremissionen?
Das revolutionäre Potential der Blockchain
Die Blockchain, die bekannteste Form der Distributed-Ledger-Technologie (DLT), gilt als eine der größten Innovationen seit der Jahrtausendwende. Im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses steht zurzeit vor allem der Aufstieg und Fall von Kryptowährungen. Dies greift jedoch zu kurz und vernachlässigt wichtige Aspekte der zugrundeliegenden Technologie und deren Auswirkung auf die Finanzwelt, zum Beispiel durch die Tokenisierung, also die digitale Abbildung physischer Vermögenswerte in digitalen Token unter Verwendung der DLT. So werden aus physischen Wertpapieren sogenannte Digital Assets. Diese werden auf einem kryptografisch verschlüsselten Netzwerk, einer Blockchain, mit Hilfe von digitalen Konten (Wallets) transferiert und verwahrt.
Die Nutzung der DLT hat das Potential, die Finanzwelt nachhaltig zu verändern. Bereits jetzt zeigt sich ein wachsendes Interesse des Marktes an Digital Assets. Zu diesem Schluss kommt auch der Bundesverband deutscher Banken in seinem Bericht „Tokenise Europe 2025“, der gemeinsam mit der Europäischen Kommission und Roland Berger Anfang 2023 veröffentlicht wurde. Wie wichtig die Tokenisierung für Europa sei, werde meist unterschätzt, so die Autoren. Die Tokenisierung der Finanzmärkte werde aufgrund der zugrundeliegenden Technologie langfristig zu mehr Effizienz, Sicherheit und Vertrauen führen und die Komplexität von Transaktionen verringern.
Vorteile der Digitalisierung der Finanz- und Kapitalmärkte
Auch aus Sicht der Europäischen Investitionsbank birgt die daraus resultierende Digitalisierung der Finanz- und Kapitalmärkte eine Reihe von Vorteilen für die Marktteilnehmer. Dazu zählen etwa ein geringerer Bedarf an Intermediären, niedrigere Fixkosten, eine bessere Markttransparenz in Form einer größeren Kapazität zur Erfassung der Handelsströme und der Anlegeridentität sowie eine wesentlich höhere Abwicklungsgeschwindigkeit.
Für Kreditinstitute sind all das gute Gründe, sich intensiv mit der gesamten Bandbreite der Digital Assets zu beschäftigen. In den Niederlanden wurde bereits ein erstes Pilotprojekt für eine tokenisierte Anleihe („tokenized bond“) eines mittelständischen Unternehmens erfolgreich realisiert. Diese Anleihe wurde an eine Gruppe ausgewählter Investoren ausgegeben, über die das Unternehmen Finanzierungskapital einsammeln konnte. Der gesamte Prozess von der Vorbereitung über die Platzierung bis zur Verwahrung der Anleihe in Wallets erfolgte digital. Europäische Regelungen wie das DLT Pilot Regime ermöglichen es, dabei auch grenzüberschreitend tätig zu werden.
Auch wenn die flächendeckende Einführung dieser neuen digitalen Produktkategorie vermutlich noch Zeit brauchen wird – erste Schritte in einen moderneren, digitalen Kapitalmarkt in Deutschland und Europa sind gemacht.
Autor
Christian Schmidt ist Firmenkundenbetreuer bei der ABN AMRO Bank N.V., Frankfurt Branch.
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