Dr. Malte Köster, Autor bei FINANCE https://www.finance-magazin.de/ueber-uns/gastautor/dr-malte-koster/?mab_v3=120265 für kluge Finanzentscheidungen Wed, 21 Sep 2022 16:47:56 +0000 de hourly 1 https://wordpress.org/?v=6.8.3 Dieses Potential bieten Steuern bei der Sanierung https://www.finance-magazin.de/expertenbeitraege/dieses-potential-bieten-steuern-bei-der-sanierung-120265/ Wed, 18 May 2022 06:00:00 +0000 https://www.finance-magazin.de/?p=120265 Für Unternehmen in der Sanierung können Steuererstattungsansprüche echte Vermögenswerte sein. Foto: photocrew – stock.adobe.com

Für Unternehmen, die sich in Schieflage befinden, können Steuererstattungsansprüche echte Vermögenswerte sein. Bei der Sanierungsplanung wird dieser Baustein jedoch allzu oft vernachlässigt. Darauf sollten CFOs und Geschäftsführer achten.

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Für Unternehmen in der Sanierung können Steuererstattungsansprüche echte Vermögenswerte sein. Foto: photocrew – stock.adobe.com

Für Unternehmen, die sich in Schieflage befinden, können Steuererstattungsansprüche echte Vermögenswerte sein. Bei der Sanierungsplanung wird dieser Baustein jedoch allzu oft vernachlässigt. Darauf sollten CFOs und Geschäftsführer achten.

Die Folgen der Corona-Pandemie sind dramatisch: Bei Unternehmen entstehen Liquiditätslücken und der Sanierungsdruck steigt. Durch den Krieg in der Ukraine kommen gleichzeitig enorme – und zum Teil kaum kalkulierbare – Belastungen hinzu. Da ist es schwer, konkrete Prognosen für das Geschäftsjahr aufzustellen, zumal ein Ende der geopolitischen Unsicherheiten derzeit nicht absehbar ist. Gestörte oder sogar unterbrochene Lieferketten kennzeichnen den operativen Alltag in den produzierenden Unternehmen.

Zudem gibt es mit Blick auf die Versorgungssicherheit mit Gütern und Rohstoffen viele offene Fragen. Nicht zuletzt sahen sich einige Industrieunternehmen gezwungen, ihr Osteuropageschäft komplett abzuschreiben. Was dies allein bei einem Umsatzanteil von 10 bis 20 Prozent bei gleichzeitig rapide gestiegenen Energiepreisen für die Deckungsbeiträge bedeutet, lässt sich leicht ausmalen. So rücken branchenübergreifend pragmatische Sanierungsoptionen – innerhalb und außerhalb einer Insolvenz – verstärkt auf die Agenda der Führungsebene.

Steuerrecht bietet Sanierungspotential

Neben finanz- und leistungswirtschaftlichen Instrumenten gibt es dabei auch steuerrechtliche Optionen, die für eine Sanierung relevant sein können. Oft steht die Vermeidung steuerlicher Nachteile im Fokus: So sollen beispielsweise durch zusätzliche Liquidität über Einlagen oder Darlehen oder bei einer Entschuldung durch Forderungsverzicht keine nachteiligen steuerlichen Effekte entstehen. Vor allem der Umgang mit Steuern bei möglichen Sanierungsgewinnen steht regelmäßig im Vordergrund.

Nur darauf zu achten, steuerliche Nachteile zu vermeiden, greift jedoch zu kurz. Vielmehr ist eine umfassende steuerliche Due Diligence des eigenen Unternehmens wichtig. Mit ihr können Unternehmen sämtliche Sanierungspotentiale des Steuerrechts identifizieren.

Auch Steuererstattungen sind Vermögenswerte

Was bedeutet das konkret? Im Vordergrund einer Sanierungsplanung steht zumeist die Verwertung klassischer Vermögenswerte wie Debitorenforderungen, Betriebs- und Geschäftsausstattung oder Immobilien. Im Gegensatz dazu werden bestehende Steuererstattungsansprüche oftmals nicht konsequent ermittelt und gegenüber dem Finanzamt durchgesetzt. Gründe hierfür dürften das komplexe Insolvenz- und Sanierungsrecht sowie das ähnlich komplexe Steuerrecht sein. Fragestellungen aus diesen Rechtsgebieten sind in der Praxis allein schon äußerst kompliziert, das Zusammenwirken mehrerer Bereiche erschwert die Bearbeitung zusätzlich.  

Allerdings wäre es mit Blick auf den Sanierungserfolg fahrlässig, Steuererstattungsansprüche bei einer Sanierung zu vernachlässigen. Steuererstattungsansprüche können nennenswert dazu beitragen, steuerliche Verbindlichkeiten zu reduzieren und damit die Passivseite abzubauen. Zudem kann die Aktivseite durch Liquiditätszuflüsse wachsen, soweit sich steuerliche Erstattungsansprüche gegenüber dem Finanzamt realisieren lassen. Bildlich gesprochen sind damit beide Seiten einer Bilanz betroffen und relevant.

„In der Praxis können sich Erstattungsansprüche auf erhebliche Summen belaufen.“

In der Praxis können sich Erstattungsansprüche auf erhebliche Summen belaufen, abhängig von den jeweils offenen Veranlagungszeiträumen. Im Ergebnis stellen sie bei der notwendigen wirtschaftlichen Betrachtung reale, allerdings oftmals vernachlässigte Vermögenswerte dar.

Praxistipp: Wo entstehen Erstattungsansprüche?

Steuerliche Erstattungsansprüche können sich insbesondere aus der körperschaftlichen oder einkommensteuerlichen Veranlagung ergeben. In diesem Rahmen können Unternehmen auch steuerliche Verlustabzüge geltend machen, um das zu versteuernde Einkommen und damit letztendlich die Steuerlast zu verringern. Das Finanzamt könnte zwar in Einzelfällen etwaige ältere Steuerverbindlichkeiten aufrechnen und keine Zahlungen leisten. Aber auch in solchen Fällen ist eine weitergehende steuerliche Aufarbeitung keinesfalls zwecklos, denn schließlich führt die Aufrechnung durch das Finanzamt unmittelbar zu einer Verringerung der bestehenden Verbindlichkeiten. Wichtig ist: Zusätzliche positive Effekte können sich im Rahmen eines Insolvenzverfahrens ergeben, da in diesem Fall die Aufrechnungsmöglichkeiten des Finanzamts gesetzlich beschränkt sind.

Steuerliche Entlastungseffekte können sich zudem im Bereich der Umsatzsteuer ergeben. Dies betrifft insbesondere Konstellationen, in denen vorher unberechtigt oder unrichtig Umsatzsteuer ausgewiesen wurde. Ein unberechtigter Steuerausweis ist etwa anzunehmen, wenn ein Unternehmer Leistungen abrechnet, die er nicht erbracht hat. Demgegenüber liegt ein unrichtiger Steuerausweis vor, wenn zum Beispiel der ausgewiesene Steuersatz zu hoch ist. Bis zur Rechnungskorrektur haftet der Rechnungsaussteller für die von ihm unzutreffend ausgewiesene Umsatzsteuer, die er dem Finanzamt schuldet.

Diese Folgen können gegebenenfalls durch eine Rechnungskorrektur beseitigt werden, so dass sich in Einzelfällen Steuererstattungen realisieren lassen. Auch hier gilt: Etwaige Aufrechnungsmöglichkeiten des Finanzamts können im Rahmen eines Insolvenzverfahrens beschränkt sein.

Mittelständler sollten genau hinschauen

Erstattungsansprüche können sich darüber hinaus im Zusammenhang mit einer umsatzsteuerlichen Organschaft ergeben. Das passiert oft, wenn sich ein mittelständisches Unternehmen aufspaltet. Ein Unternehmen, häufig eine Personengesellschaft oder ein Einzelunternehmen, ist Eigentümer der wesentlichen Betriebsgrundlagen, die dann an die operative Betriebseinheit, etwa an eine Kapitalgesellschaft verpachtet oder vermietet werden. Die Besitzgesellschaft muss dabei die Betriebsgesellschaft beherrschen.

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Dabei gibt es zwei Besonderheiten. Einmal wird nur das Besitzunternehmen als umsatzsteuerlicher Unternehmer angesehen (Organträger), so dass dieses dem Finanzamt auch die Umsatzsteuer für die Betriebsgesellschaft (Organgesellschaft) schuldet. Eine solche Organschaft entsteht jedoch auch – möglicherweise sogar ohne den konkreten Willen der Beteiligten – bereits in dem Moment, in dem die rechtlichen Voraussetzungen dafür erfüllt sind. Das kann dazu führen, dass eine Organschaft entweder irrtümlich angenommen oder tatsächlich unentdeckt geblieben ist.

In beiden Konstellationen sind grundsätzlich steuerliche Erstattungsansprüche zugunsten desjenigen denkbar, der in der Vergangenheit die Umsatzsteuer geleistet hat. Auch können sich hier im Rahmen eines Insolvenzverfahrens Aufrechnungsbeschränkungen des Finanzamts ergeben.

Steuerliche Due Diligence ist wichtig

Das Fazit ist eindeutig: Im Rahmen einer umfassenden Sanierungsplanung – sowohl innerhalb als auch außerhalb einer Insolvenz – ist eine steuerliche Due Diligence enorm wichtig, um steuerliche Erstattungsansprüche zu identifizieren. Unternehmen sollten sämtliche offenen Veranlagungsjahre prüfen. Dies kann zu erheblichen Erstattungsansprüchen führen.

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Unternehmenserwerb aus der Insolvenz: Nur Mut! https://www.finance-magazin.de/expertenbeitraege/unternehmenserwerb-aus-der-insolvenz-nur-mut-108887/ Tue, 01 Feb 2022 08:50:51 +0000 https://www.finance-magazin.de/?p=108887 Nach einer Übernahme aus der Insolvenz kann ein Unternehmen wieder zu alter Stärke zurückfinden.

Die Übernahme eines Unternehmens aus der Insolvenz schreckt viele Kaufinteressenten ab. Dabei bietet die Situation Chancen: Die Altlasten sind schließlich beseitigt. Allerdings sollten Käufer reaktionsschnell sein.

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Nach einer Übernahme aus der Insolvenz kann ein Unternehmen wieder zu alter Stärke zurückfinden.

Die Übernahme eines Unternehmens aus der Insolvenz schreckt viele Kaufinteressenten ab. Dabei bietet die Situation Chancen: Die Altlasten sind schließlich beseitigt. Allerdings sollten Käufer reaktionsschnell sein.

Nach zwei Jahren Pandemie prognostizieren viele Institute und Marktteilnehmer eine steigende Zahl an Insolvenzen. Das lässt erwarten, dass sich in den kommenden Monaten auch das M&A-Geschäft mit insolventen Unternehmen deutlich beleben wird.

Die Übernahme eines Unternehmens aus der Insolvenz bietet viele Chancen: Das Target ist weitestgehend von Altlasten befreit, und „Glücksritter“, die keine solide Finanzierung vorweisen können, dürfen vom Insolvenzverwalter in ein Bieterverfahren gar nicht erst einbezogen werden. Es geht in der Regel auch nicht allein um den höchsten Kaufpreis, vielmehr lassen sich strategische Potentiale aufzeigen und nutzbar machen. Der Weg der „sanierenden Übertragung“ sorgt dafür, dass ein Erwerber den Geschäftsbetrieb nahtlos fortführen kann – ohne die Risiken der Vergangenheit tragen zu müssen.

Allerdings gibt es bei Distressed M&A einige Besonderheiten. So stehen die M&A-Prozesse in Insolvenzverfahren unter hohem Zeitdruck und laufen gewissermaßen „im Zeitraffer“ ab. Daher sollten sich Kaufinteressenten vor Einstieg in den Prozess eine Frage beantworten: Ist das M&A-Team in der Lage, dieses Tempo zu halten? Heißt die Antwort nein, dann lautet der pragmatische Tipp: Sparen Sie sich Aufwand und Frust und verwerfen Sie den Gedanken an eine Übernahme aus der Insolvenz. Allein daran sind in der Praxis schon viele Transaktionen gescheitert.

Das Insolvenzgeld nimmt Druck – für drei Monate

Die Herausforderung, ein insolventes Unternehmen sehr zügig zu veräußern, resultiert unter anderem aus den gesetzlichen Vorgaben zum Insolvenzgeld. Durch einen Insolvenzantrag kann das Unternehmen in der Phase des vorläufigen Insolvenzverfahrens die Entlastung durch das Insolvenzgeld in Anspruch nehmen. Für drei Monate werden dann die Löhne und Gehälter der Belegschaft von der Bundesagentur für Arbeit übernommen.

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Im eröffneten Verfahren muss das Unternehmen die Löhne und Gehälter dann wieder selbst bezahlen, es arbeitet dann wieder „unter Volllast“ – was betriebswirtschaftlich nur sinnvoll ist, wenn sich der Betrieb selbst trägt oder ein Investor gefunden ist.

Kauf aus der Insolvenz schneidet Verbindlichkeiten ab

Bei einem Erwerb von Unternehmen aus der Insolvenz ist der Kaufvertrag nahezu immer als Asset Deal ausgestaltet. Der Käufer übernimmt sämtliche Gegenstände des Aktivvermögens einschließlich der immateriellen Werte. Die Verbindlichkeiten bleiben dagegen in der „leeren Hülle“ des insolventen Unternehmensträgers zurück, diese Hülle wird dann später abgewickelt.

Anders als bei Akquisitionen außerhalb der Insolvenz haftet der Käufer bei der Fortführung daher auch nicht für rückständige Steuern.

Distressed M&A: Bei Verträgen genau hinsehen

Einen genauen Blick sollten Kaufinteressenten bei Distressed-Transaktionen auf das Vertragswerk werfen. Denn die Verträge des insolventen Unternehmens verbleiben (genau wie die Verbindlichkeiten) beim Insolvenzverwalter. Der Käufer muss sie daher mit den jeweiligen Vertragspartnern neu verhandeln. Das hat den Vorteil, dass der Käufer keine vertraglichen Haftungsrisiken mit übernimmt.

Im Einzelfall müssen Verträge weitergeführt werden, damit der Erwerber den Geschäftsbetrieb aufrechterhalten kann – dies gilt insbesondere für Dauerschuldverhältnisse wie die Weiternutzung von gemieteten Betriebsräumen. In solchen Fällen kann der Insolvenzverwalter das Nutzungsrecht etwa über einen Untermietvertrag an den Erwerber weiterreichen. Häufig enthalten Kaufverträge zudem eine Verpflichtung des Insolvenzverwalters, dass er sich bei den Vertragspartnern bestmöglich für eine Überleitung der Verträge auf den Käufer einsetzt.

„Das Insolvenzplanverfahren ist komplexer und zeitaufwändiger als eine übertragende Sanierung. Es bietet aber gleichzeitig außergewöhnliche Gestaltungsmöglichkeiten.“

Hängt die gesamte Fortführung des Unternehmens an der Fortführung bestimmter Verträge – etwa bei der Listung eines Sortiments im Einzelhandel – oder ist sie von bestimmten behördlichen Genehmigungen abhängig, müssen Kaufinteressenten möglicherweise eine Alternative zur sanierenden Übertragung in Betracht ziehen. Dies kann eine Entschuldung über den Insolvenzplan sein, bei der das insolvente Unternehmen als Rechtsträger erhalten bleibt. Das Insolvenzplanverfahren ist komplexer und zeitaufwändiger als eine übertragende Sanierung. Es bietet aber gleichzeitig außergewöhnliche Gestaltungsmöglichkeiten, etwa im gesellschaftsrechtlichen Bereich.

Due Diligence mit Fokus auf operative Chancen

Da ein Insolvenzverwalter in der Praxis kaum Garantien für eine Transaktion abgeben wird, liegt es in der Regel beim Käufer, sich ein möglichst umfassendes Bild von dem Unternehmen zu verschaffen. Für eine umfangreiche Due Diligence scheint ein Zeitraum von drei Monaten, wie er durch das Insolvenzgeld skizziert wird, auf den ersten Blick sehr eng gefasst.

Dabei sollten Kaufinteressenten jedoch bedenken, dass wesentliche Eckdaten bereits feststehen: Die Gesellschafter müssen nicht beteiligt werden, die Übernahme erfolgt ohne Verbindlichkeiten und ohne vertragliche Haftungsrisiken. Der Erwerber kann sich also darauf konzentrieren, die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Geschäftsbetriebes möglichst realistisch einzuschätzen.

Ein Praxistipp: Mitunter bietet ein Blick auf die Performance des Unternehmens während der Fortführung im Insolvenzantragsverfahren mehr Erkenntnisse als eine Betrachtung der leistungswirtschaftlichen Vergangenheitsdaten.

Arbeitsrechtliche Möglichkeiten bei Übernahme

Häufig kämpfen insolvente Unternehmen mit hohen Personalkosten. Stellenstreichungen sind daher in Verhandlungen mit Kaufinteressenten regelmäßig Thema. Dabei gibt es zweierlei zu bedenken: Zum einen führt auch der Unternehmenserwerb aus der Insolvenz heraus dazu, dass alle Arbeitsverhältnisse auf den Erwerber übergehen („Betriebsübergang“). Zum anderen verfügt der Insolvenzverwalter – entgegen einem weit verbreiteten Missverständnis – nicht über ein Sonderkündigungsrecht für Arbeitsverhältnisse. Dennoch erleichtert das Insolvenzrecht notwendige Personalmaßnahmen; etwa bei der Kündigung von Betriebsvereinbarungen. Zudem stehen diverse rechtliche Instrumente zur Verfügung, um Anpassungen beim Personal sozialverträglich zu gestalten.

„Beschäftigte, Betriebsräte und Gewerkschaften arbeiten in aller Regel konstruktiv und kompromissbereit daran mit, eine Zukunftsperspektive zu entwickeln.“

Die Erfahrung zeigt: Bei der Wahl eines partnerschaftlichen Ansatzes arbeiten Beschäftigte, Betriebsräte und Gewerkschaften in aller Regel konstruktiv und kompromissbereit daran mit, eine Zukunftsperspektive zu entwickeln – auch, wenn dies mit einem Stellenabbau verbunden sein kann. Die Voraussetzung dafür ist, dass der Übergang in neue Beschäftigungsverhältnisse fair und transparent geregelt wird.

Kaufpreisfindung: Nicht nur die Höhe zählt

Ein wesentlicher Punkt des M&A-Prozesses ist im Insolvenzverfahren weniger komplex als bei Transaktionen außerhalb des Verfahrens: die Kaufpreisfindung. Sie basiert in aller Regel auf dem Substanzwert des Betriebes. Ein Abzug von Verbindlichkeiten, die ja nicht übernommen werden, erfolgt nicht. Maßgeblich ist der Marktwert der veräußerten Vermögensgegenstände. Dabei kann auf eine Inventarliste des Sachanlagevermögens zurückgegriffen werden, die der (vorläufige) Insolvenzverwalter ohnehin bei einem unabhängigen Bewertungssachverständigen einholen lässt. Eine weitere Grundlage zur Bewertung des Umlaufvermögens kann das Warenwirtschaftssystem des Unternehmens sein.

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Der Kaufpreis für die Assets des Anlage- und Umlaufvermögens allein zeigt jedoch noch nicht auf, welche Chancen und Risiken eine Weiterführung des Geschäftsbetriebs bieten. Dafür müssen die übertragenen immateriellen Vermögenswerte wie Kundenstamm, Lieferbeziehungen, Know-how oder auch die Website mit einbezogen werden. Deren Wert bestimmt sich über das Bieterverfahren, da unterschiedliche Interessenten diese Assets strategisch unterschiedlich stark gewichten und damit auch bepreisen.

Letztlich spielen bei der Kaufpreisfindung auch arbeitsrechtliche Aspekte eine Rolle: Angebote, bei denen beispielsweise der Insolvenzverwalter die Kosten für die vom Käufer vorgegebenen Personalmaßnahme tragen soll, sind für diesen nicht attraktiv.

Das heißt umgekehrt aber auch: Der Erwerber kann ein niedrigeres Kaufpreisangebot dadurch ausgleichen, dass er die Belegschaft des Unternehmens umfassend übernimmt. Der Kaufpreis ist für die Insolvenzverwaltung kein alleiniges Kriterium. Denn neben der Befriedigung der Gläubiger gehört auch der Erhalt von Arbeitsplätzen zum Pflichtenheft des Insolvenzverwalters.

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Diese Risiken bergen Gesellschafterdarlehen bei M&A-Deals https://www.finance-magazin.de/expertenbeitraege/diese-risiken-bergen-gesellschafterdarlehen-bei-ma-deals-99503/ Thu, 04 Nov 2021 07:35:00 +0000 https://www.finance-magazin.de/?p=99503 Gesellschafterdarlehen sind in Unternehmen an der Tagesordnung. Doch bei Distressed-M&A-Transaktionen drohen Rückzahlungsforderungen.

In vielen Unternehmen stellen Gesellschafter Liquidität als Darlehen bereit. Doch das birgt Risiken, wenn der Verkauf des Unternehmens auf die Agenda rückt. Darlehensgeber sollten diese Risiken kennen – sonst droht ein böses Erwachen.

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Gesellschafterdarlehen sind in Unternehmen an der Tagesordnung. Doch bei Distressed-M&A-Transaktionen drohen Rückzahlungsforderungen.

In vielen Unternehmen stellen Gesellschafter Liquidität als Darlehen bereit. Doch das birgt Risiken, wenn der Verkauf des Unternehmens auf die Agenda rückt. Darlehensgeber sollten diese Risiken kennen – sonst droht ein böses Erwachen.

Ob zur Sicherung von Liquidität oder um ohne größere Bürokratie den finanziellen Handlungsspielraum zu erweitern – Gesellschafterdarlehen an Beteiligungsunternehmen sind bei Finanzierungen gängige Praxis. Doch so hoch die Bedeutung von Gesellschafterdarlehen in der Praxis ist: Das Wissen um die damit verbundenen Anfechtungs- und Haftungsrisiken auf der Gesellschafterseite ist erstaunlich gering. Dies wird bei Distressed-M&A-Transaktionen immer wieder deutlich.

Ein Thema, das viele Gesellschafter übersehen: Ihre Darlehen werden im Falle einer Insolvenz der Gesellschaft als nachrangig gegenüber anderen Verbindlichkeiten behandelt. Vielen Gesellschaftern, die sich mit den Sanierungschancen im Insolvenzrecht befassen, ist das aber nicht bewusst. Zudem gelten für die Rückführung von Gesellschafterdarlehen  besondere Regelungen: Rückzahlungen, die ein Gesellschafter innerhalb eines Jahres vor einem Insolvenzantrag erhalten hat, sind anfechtbar – und müssen zurückerstattet werden.

Kein Gesellschafter mehr, aber immer noch im Risiko

Besonders komplex wird es, wenn der Darlehensgeber seinen Anteil an der Gesellschaft verkauft. Denn die Übertragung der Anteile hat auf das Darlehen grundsätzlich keinen Einfluss. Das bedeutet: Obwohl der Darlehensgeber gar nicht mehr Gesellschafter ist, können Rückzahlungen, die kurz vor einem Insolvenzantrag an ihn fließen, angefochten werden.

Wie dies ablaufen kann, zeigt dieses Beispiel: Gesellschafter A verkauft seinen Gesellschaftsanteil an der B-GmbH, der er ein Darlehen gegeben hat. Nach Veräußerung seiner Anteile erhält A von der B-GmbH Tilgungszahlungen für sein Darlehen. Die B-GmbH gerät kurz darauf aber in wirtschaftliche Schieflage – nicht ohne Grund hatte sich A von den Anteilen getrennt – und muss binnen Jahresfrist einen Insolvenzantrag stellen. Kurz darauf wird das Insolvenzverfahren eröffnet. In dieser Konstellation sind die an A geleisteten Zahlungen anfechtbar. A muss diese an den Insolvenzverwalter erstatten. Das ist für A sicherlich ärgerlich – und sofern A die Gelder bereits anderweitig eingesetzt hat, wohl auch problematisch.

„Der Veräußerer trägt ein erhebliches Risiko, obwohl er gar keinen Einfluss mehr auf das Schicksal der Gesellschaft nehmen kann.“

Wer seinen Gesellschaftsanteil veräußert, läuft also Gefahr, bei einer Insolvenz der Gesellschaft auch solche Darlehensrückzahlungen erstatten zu müssen, die er erst nach seinem Ausscheiden aus der Gesellschaft erhalten hat. Damit trägt der Veräußerer ein erhebliches Risiko, obwohl er – anders als der Käufer – gar keinen Einfluss mehr auf das Schicksal der Gesellschaft nehmen kann.

Verkauf des Darlehens schützt nicht umfassend vor Haftung

Ein Gesellschafter kann sich im Übrigen nicht dadurch schützen, dass er das Darlehen beim Verkauf seiner Anteile einfach mitveräußert. Zwar würde dann der Käufer fortan die Rückzahlungen erhalten und müsste im Insolvenzfall für die Erstattung aufkommen. Nach einer bedeutenden Entscheidung des Bundesgerichtshofs besteht aber das Risiko, dass neben dem Käufer auch der Verkäufer für diese Erstattung haften muss, wenn innerhalb eines Jahres nach der Abtretung des Darlehens ein Insolvenzantrag gestellt wird.

In einer solchen Konstellation könnten die Beteiligten zunächst versuchen, das Anfechtungsrisiko durch eine vertragliche Vereinbarung im Rahmen des Verkaufs auszuschließen. Sie könnten etwa vereinbaren, dass der Erwerber alleine die Haftung für eine Erstattung übernehmen soll. Dies hilft dem Verkäufer aber nur, wenn der Käufer die erhaltenen Zahlungen auch tatsächlich rückerstatten kann, also selbst zahlungsfähig ist. Andernfalls müsste der vormalige Gesellschafter selbst einspringen.

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Gleiches gilt, wenn die Parteien vereinbaren, dass Rückzahlungen innerhalb der anfechtungsrelevanten Frist nicht erfolgen dürfen. Halten sich Gesellschaft und Käufer des Darlehens nicht an diese Vereinbarung, entsteht nur ein Schadensersatzanspruch gegen den Erwerber, der im Fall von dessen Insolvenz aber nicht mehr durchsetzbar ist. Um die Risiken tatsächlich auszuschließen, müsste die vertragliche Vereinbarung also zusätzlich besichert werden, etwa durch Bankbürgschaften oder Treuhandkonten. Da solche Sicherheiten Kosten verursachen oder wichtige Liquidität binden, wird der Käufer sie allerdings gern vermeiden wollen.

So lassen sich Anfechtungsrisiken vermeiden

Die gute Nachricht: Wenn man sich der Risiken im Umgang mit Gesellschafterdarlehen bewusst ist, gibt es Wege, sie zu minimieren. Eine Möglichkeit besteht darin, das Gesellschafterdarlehen vor dem Verkauf der Gesellschaftsanteile aufzulösen. Dazu muss der scheidende Gesellschafter den Rückzahlungsanspruch an die Gesellschaft abtreten und in die Rücklage der Gesellschaft einlegen. Dadurch sind Schuldner und Gläubiger der Rückzahlungsforderung identisch – und die Forderung erlischt.

Da im Ergebnis eine Verbindlichkeit der Gesellschaft wegfällt, erhöht sich sogar der Wert des Gesellschaftsanteils, was sich positiv auf den Kaufpreis auswirken kann. Rechtlich noch nicht abschließend geklärt ist jedoch, ob ein Anfechtungsrisiko besteht, wenn später Auszahlungen aus dieser Kapitalreserve vorgenommen werden. Außerdem existiert ein steuerliches Risiko, wenn der Rückzahlungsanspruch nicht voll werthaltig sein sollte. Denn die Gesellschaft würde ja mit der Einlage einen Gewinn realisieren.

Kapitalrücklage als Ausweg

Eine andere Lösung macht es sich zunutze, dass Auszahlungen nur anfechtbar sind, wenn sie die Gläubiger der Gesellschaft benachteiligen. Dies ist eine allgemeine Voraussetzung des Insolvenzanfechtungsrechts. Ein möglicher Ausweg: Der Käufer zahlt den Restbetrag der Forderung in eine freie Kapitalrücklage der Gesellschaft ein, die zweckgebunden ist und nur der Rückzahlung des Darlehens dient. Aus dieser Rücklage erhält der Veräußerer dann die Rückzahlungen. Da die Rücklage ohnehin nur für die Darlehensrückzahlung verwendet werden darf, benachteiligen die entsprechenden Auszahlungen die übrigen Gläubiger nicht. Eine Anfechtung ist damit ausgeschlossen.

„Anfechtungs- und Haftungsrisiken im Zusammenhang mit Gesellschafterdarlehen lassen sich erheblich mindern.“

Durch entsprechende Gestaltungen lassen sich die Anfechtungs- und Haftungsrisiken im Zusammenhang mit Gesellschafterdarlehen erheblich mindern. Voraussetzung dafür ist jedoch, dass die Problematik erstens einmal erkannt wurde und zweitens die Lösungsmöglichkeiten für die individuelle Konstellation analysiert werden. Auch andere Forderungen eines Gesellschafters, wie etwa stehengelassene Ansprüche aus Austauschgeschäften, werden wie Gesellschafterdarlehen behandelt. Das Thema springt häufig nicht sofort ins Auge. Umso wichtiger ist es, gerade bei den Gesellschafterdarlehen ganz genau hinzusehen – Anfechtungsspezialisten tun das allemal.

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Kriminalinsolvenzen: Ausnahme oder Alltagsphänomen? https://www.finance-magazin.de/expertenbeitraege/kriminalinsolvenzen-ausnahme-oder-alltagsphaenomen-84188/ Tue, 06 Jul 2021 04:15:00 +0000 https://stage01.finance-magazin.de/allgemein/kriminalinsolvenzen-ausnahme-oder-alltagsphaenomen-84188/ Ob Vorsatz oder Fahrlässigkeit – nicht selten kommt es im Zuge einer Insolvenz zu strafbaren Delikten. Der Schaden bei Kriminalinsolvenzen ist oft beträchtlich.

Ob Wirecard, S&K Immobilien oder die Aktivitäten des Windkraftunternehmers Hendrik Holt: Kriminalinsolvenzen sorgen für Schlagzeilen. Doch auch in weniger prominenten Insolvenzfällen ist oft kriminalistischer Spürsinn gefragt.

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Ob Vorsatz oder Fahrlässigkeit – nicht selten kommt es im Zuge einer Insolvenz zu strafbaren Delikten. Der Schaden bei Kriminalinsolvenzen ist oft beträchtlich.

Ob Wirecard, S&K Immobilien oder die Aktivitäten des Windkraftunternehmers Hendrik Holt: Kriminalinsolvenzen sorgen für Schlagzeilen. Doch auch in weniger prominenten Insolvenzfällen ist oft kriminalistischer Spürsinn gefragt.

Wenn große Unternehmen in die Insolvenz rutschen, dann ist die öffentliche Anteilnahme groß. Nicht nur die Wirtschaftsmedien berichten darüber. Häufig gibt es Sondersendungen im Abendprogramm oder – wie etwa bei Wirecard – sogar Verfilmungen. Das ist verständlich, denn alle Zutaten für eine spannende Geschichte sind bei großen Kriminalinsolvenzen vorhanden. Es geht in der Regel um sehr viel Geld, um Status und Macht, um Aufstieg und Fall. Finanzströme in internationale Steueroasen spielen häufig eine Rolle, ebenso wie Kontakte in dubiose Kreise – und natürlich detektivische Ermittlungsarbeit.

Malte Köster

Willmerkoester

Malte Köster

Aber auch jenseits der ganz großen Insolvenzfälle spielen Kriminalität und ihre Aufklärung in der täglichen Praxis von Insolvenzverfahren eine Rolle. Nicht selten hängt die Quote zur Befriedigung der Gläubigeransprüche unmittelbar mit solchen Ermittlungserfolgen zusammen. Softwarelösungen und der Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) gewinnen vor diesem Hintergrund in der praktischen Aufklärungsarbeit und speziell bei der Auswertung von digitalen Unterlagen und Korrespondenzen zunehmend an Bedeutung.

Wirtschaftskriminalfälle führen oft zu Insolvenzen

Hans-Joachim Berner

Willmerkoester

Hans-Joachim Berner

Wirtschaftskriminalität mündet häufig in Insolvenzverfahren, insbesondere wenn ein Geschäftsmodell von vornherein auf einem kriminellen Fundament aufgebaut war. Anlegerbetrug durch Schneeballsysteme oder sogenannte Umsatzkarusselle für Steuerbetrug sind bekannte Beispiele. Mit solchen betrügerischen Systemen werden beträchtliche Schäden verursacht, die im Nachhinein nahezu nie ausgeglichen werden können – beispielsweise weil viel Geld für einen aufwändigen Lebensstil verschwendet wurde oder Unternehmensanteile durch die Aufdeckung des kriminellen Geschäftsmodells drastisch im Wert eingebrochen sind.

Ein Insolvenzverfahren ist dann die natürliche Folge. Von der Insolvenz betroffen sind einerseits die jeweiligen Gesellschaften, andererseits haften auch die Täter unmittelbar mit ihrem Vermögen. Eine Besonderheit dabei: Für Verbindlichkeiten, die auf einem Delikt begründet sind, greift die Restschuldbefreiung, mit der Schuldner sich sonst unter bestimmten Voraussetzungen nach einigen Jahren von verbleibenden Schulden befreien können, nicht.

Kriminalinsolvenzen ziehen oft Folgefälle nach

In der Praxis ziehen Kriminalinsolvenzen regelmäßig weitere Verfahren nach – Kriminalität ist also „insolvenzrechtlich ansteckend“. Besondere Bedeutung kommt an dieser Stelle dem 2017 neu gefassten Recht der „strafrechtlichen Vermögensabschöpfung“ zu, das deutsche Strafverfolgungsbehörden erfolgreich im Kampf gegen Bandenkriminalität einsetzen.

Findet die Staatsanwaltschaft bei mutmaßlichen Tätern oder tatbegünstigten Dritten Vermögen, so muss sie den Ausgang des Strafverfahrens nicht erst abwarten, sondern kann die aufgefundenen Vermögensgegenstände bis auf Weiteres sofort sicherstellen. So wurde etwa einigen Clans aus Berlin auf Grundlage des neuen Vermögensabschöpfungsrechts bereits das Vermögen entzogen.

„Kriminalität ist ‚insolvenzrechtlich ansteckend‘.“

Auch für an der Tat unbeteiligte Dritte kann dies gravierende Folgen haben, denn auch sie können für den Wert der erlangten Beute mit ihrem Vermögen haften. Auf diese Weise können kriminelle Handlungen weitere Insolvenzverfahren von Personen und Gesellschaften nach sich ziehen – selbst von solchen, die an den kriminellen Handlungen selbst gar nicht beteiligt waren.

Strafrechtliche Risiken sind gestiegen

Bemerkenswert ist, dass auch die Staatsanwaltschaften seit 2017 Insolvenzanträge stellen können: Reichen die vorläufig gesicherten Vermögenswerte nicht aus, um angemeldete Ansprüche zu befriedigen, stellt die Staatsanwaltschaft einen eigenen Insolvenzantrag. Die Regelung ist konsequent. Umso erstaunlicher ist es, dass die Staatsanwaltschaften von ihrem Insolvenzantragsrecht scheinbar bislang kaum Gebrauch gemacht haben: Die 2020 angestoßenen Insolvenzverfahren um den mutmaßlichen Windkraftbetrüger Hendrik Holt gehören zu den ersten deutschlandweit bekanntgewordenen Fällen.

Letztlich zeigt die Erfahrung aus vielen Insolvenzverfahren: Viele der Verantwortlichen in den Unternehmen sind sich der besonderen strafrechtlichen Risiken einer Unternehmenskrise nicht bewusst. Die Palette reicht dabei von nicht gezahlten Sozialversicherungsbeiträgen bis hin zu absichtlicher oder unabsichtlicher Insolvenzverschleppung.

„Viele sind sich der strafrechtlichen Risiken einer Unternehmenskrise nicht bewusst.“

Der letztgenannte Aspekt dürfte während der Corona-Pandemie noch einmal an Relevanz gewonnen haben. Denn die Insolvenzantragspflicht war von März 2020 bis April 2021 keineswegs pauschal ausgesetzt, sondern nur unter ganz besonderen Bedingungen. Diese Differenzierung wird nicht in jedem Fall angekommen sein. Es wird daher voraussichtlich bei der Aufarbeitung der Pandemie auch in alltäglicheren Fällen vermehrt zu strafrechtlichen Ermittlungen im Zusammenhang mit Insolvenzen kommen.

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Wie man Markenrechte für erfolgreiche Distressed-Deals zurückholt https://www.finance-magazin.de/expertenbeitraege/wie-man-markenrechte-fuer-erfolgreiche-distressed-deals-zurueckholt-43464/ Thu, 08 Apr 2021 04:15:00 +0000 https://stage01.finance-magazin.de/allgemein/wie-man-markenrechte-fuer-erfolgreiche-distressed-deals-zurueckholt-43464/ Im Handel reiht sich im Regal Marke an Marke. Doch was tut man bei Distressed M&A-Deals, wenn die Markenrechte an Eigenmarken nicht mehr frei verkäuflich sind?

Markenrechte stehen bei Distressed M&A häufig als zentraler Werttreiber im Fokus. Doch was tun, wenn die Rechte gar nicht mehr beim Unternehmen liegen? Ein Praxisfall aus dem Handel zeigt, wie man sie zurückholen kann.

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Im Handel reiht sich im Regal Marke an Marke. Doch was tut man bei Distressed M&A-Deals, wenn die Markenrechte an Eigenmarken nicht mehr frei verkäuflich sind?

Markenrechte stehen bei Distressed M&A häufig als zentraler Werttreiber im Fokus. Doch was tun, wenn die Rechte gar nicht mehr beim Unternehmen liegen? Ein Praxisfall aus dem Handel zeigt, wie man sie zurückholen kann.

Eigenmarke und Handelsunternehmen, das gehört zusammen, wenn über den Verkauf eines Unternehmens nachgedacht wird oder – im Fall von Distressed M&A – nachgedacht werden muss. Schließlich ist eine starke Marke ein wesentlicher Bestandteil des Kaufpreises. Bei Due-Diligence-Prozessen rückt dieser Punkt daher regelmäßig in den Fokus.

Wenn Handelsunternehmen aber gar nicht mehr über die Rechte an ihren Marken verfügen, liegen die Probleme auf der Hand. Erwerbsinteressenten haben vor allem die „Strahlkraft“ der Marke und damit verbundene Marktchancen im Blick. Dafür braucht es zudem eine funktionsfähige Einkaufs- und Vertriebsstruktur sowie entsprechendes Umsatzpotential. Auf den Punkt gebracht: Entfällt die Marke, entwertet dies das Unternehmen. Hakt es bei Einkauf und Vertrieb, entwertet dies die Marke.

In der Praxis fragen potentielle Investoren bei Distressed M&A vor allem in Insolvenzverfahren häufig sogar nach einem Kaufpreis „nur für die Marke“. Das Kaufangebot bleibt dann aber oft deutlich unter den Vorstellungen des Verkäufers, da der Kaufinteressent den teuren Wiederaufbau der Marke einkalkuliert. Daher kommen solche Transaktionen selten zum Abschluss.

Markenrechte und Unternehmenswert

Letztlich sind Markenrechte und Unternehmenswert voneinander abhängig. Wie kann es da sein, dass Handelsunternehmen vielfach gar nicht über alle Markenrechte verfügen? Die Gründe hierfür vielfältig. Teils sind Schutzrechte für eine Marke ausgelaufen oder wurden nicht eingetragen. Manchmal hält auch nicht das Unternehmen die Markenrechte, sondern diese liegen unmittelbar beim Gesellschafter.

Nicht zuletzt können immaterielle Vermögenswerte wie Markenrechte auch als Kreditsicherheit dienen, speziell wenn klassische Sicherheiten wie beispielsweise Immobilien nicht mehr zur Verfügung stehen. Auch eine „eingetragene Marke“ ist ein Vermögensgegenstand, der übertragen und belastet werden kann – allerdings kann der Schuldner dann nicht mehr frei über seine Marke verfügen.

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Unklarheiten gefährden Sanierungen

Ist die Zuordnung der Markenrechte unklar, verzögert dies in aller Regel den laufenden Investorenprozess. Besonders bei Distressed-M&A-Transaktionen ist dies ein kritischer Punkt.

Speziell in einer Insolvenz sind die Fortführungsmöglichkeiten zumeist zeitlich eng begrenzt, denn nach spätestens drei Monaten läuft das Insolvenzgeld aus. Bis dahin sollte ein angestrebter Verkauf „in trockenen Tüchern“ sein. Es ist daher eine vordringliche Aufgabe des vorläufigen Insolvenzverwalters, noch vor Einleitung des Investorenprozesses die Frage zu klären, ob die Markenrechte veräußert werden können. Verzögerungen führen häufig dazu, dass Sanierungen scheitern und schlimmstenfalls der Betrieb schließen muss.

Aufwändige und zeitintensive Recherche

Doch die Klärung ist oft gar nicht so einfach. Bereits die Recherche zu den Markenrechten gestaltet sich in der Regel aufwendig. Es genügt nicht, beim Deutschen Patent- und Markenamt um einen Auszug aus dem Markenregister zu bitten. Vielmehr müssen auch Gemeinschaftsmarken, im Ausland eingetragene Einzelmarken, zugehörige Urheber- und Designrechte sowie etwaige nicht im Markenregister erfasste Sicherungsrechte am Markenrecht zuverlässig erfasst werden.

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Ein Tipp aus dem „Nähkästchen“, um böse Überraschungen zu vermeiden: Auch wenn die Recherche zum Ergebnis kommt, dass die Markenrechte allein beim Unternehmen liegen, kann es trotzdem sinnvoll sein, sich von Kreditgebern und Gesellschaftern zusätzlich bestätigen zu lassen, dass sie keine eigenen Rechte am Markenrecht geltend machen. So lässt sich ausschließen, dass Markenrechte als Sicherheit abgetreten wurden – denn aus offiziellen Verzeichnissen gehen solche Sicherungsrechte nicht zwingend hervor.

Wie man Markenrechte zurückholt

Doch was tun, wenn der Verkäufer über die Markenrechte tatsächlich nicht verfügen kann? Ein allgemeingültiges Patentrezept zur Rückholung gibt es nicht. Liegen die Rechte als Sicherheiten bei Kreditinstituten, lassen sich in der Regel wirtschaftlich sinnvolle Lösungen zu einer gemeinsamen Veräußerung von Marke und Unternehmen abstimmen. Deutlich schwieriger gestaltet sich die Rückholung, wenn die Marke als Sicherheit für Gesellschafterdarlehen dient, wenn die Markenrechte schon immer beim Gesellschafter lagen oder komplett in fremden Händen liegen.

„Ein allgemeingültiges Patentrezept zur Rückholung gibt es nicht.“

Ein konkretes Praxisbeispiel zeigt die Herausforderungen: Bei einem Handelsunternehmen lagen die Markenrechte in einer in Asien angesiedelten Tochtergesellschaft, die als „Einkaufsgesellschaft“ fungierte. Die asiatische Tochter hatte eigene Geschäftsführer, beide Gesellschaften hatten unterschiedliche Verbindlichkeiten.

Diese Ausgangslage bot erhebliches Konfliktpotential: Insbesondere die Geschäftsführer der Einkaufsgesellschaft widersprachen einer Veräußerung der Marke vehement und fürchteten einen Verkauf „unter Wert“.

Treuhandkonto für den Markenkaufpreis

In einem solchen Fall haben der Markeninhaber und der Insolvenzverwalter als Verkäufer des Betriebes eigentlich eine ähnliche Interessenlage: Da die Marke allein sich erfahrungsgemäß nur mit deutlichen Wertabschlägen verkaufen lässt, sollten sie auf eine gemeinsame Veräußerung von Unternehmen und Marke setzen.

Eine Möglichkeit ist es, dass der Markeninhaber sich mit dem vorläufigen Insolvenzverwalter frühzeitig auf einen abgestimmten Kaufvertrag über die Marke einigt. Damit ist sichergestellt, dass der Insolvenzverwalter bei einem Verkauf des Unternehmens auch über die Marke verfügen kann. Zugleich erhält der (ehemalige) Markeninhaber dann den im Markenkaufvertrag vereinbarten Preis. Wichtig dabei: Der Kaufpreis muss im Insolvenzverfahren als bevorrechtigte Masseverbindlichkeit erfüllt werden.

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Allerdings können Anfechtungsrechte des Insolvenzverwalters gegenüber dem Markeninhaber einer solchen Lösung entgegenstehen. In einem solchen Fall bietet es sich an, den Markenkaufpreis zunächst auf ein Treuhandkonto einzuzahlen. Diese Gestaltung ermöglicht es, Marke und Unternehmen zunächst zum größtmöglichen Wert gemeinsam zu veräußern und Meinungsverschiedenheiten über die Zuordnung des Kaufpreises im Nachgang mit weniger Zeitdruck zu klären. In jedem Fall sollte der vorläufige Insolvenzverwalter bei diesem Vorgehen den Gläubigerausschuss einbinden. Eine solche Gestaltung hat letztlich auch im hier skizzierten Beispiel zum Erfolg geführt.

Dokumentation von Markenrechten zahlt sich aus

Und noch einmal „aus dem Nähkästchen geplaudert“: Die Markenrecherche sowie eine Einigung von Markeninhaber und Unternehmensverkäufer über eine kombinierte Veräußerung sollten nicht erst kurz vor dem Investorenprozess Gegenstand der Überlegungen werden.

„Die Vorbereitungen sind aktives Risikomanagement.“

Vielmehr sollten Geschäftsführer von Unternehmen mit Eigenmarken frühzeitig eine exakte Dokumentation über die Markenrechte erstellen und mit einem etwaigen Markeninhaber das Gespräch über die Modalitäten einer gemeinsamen Veräußerung von Marke und Unternehmen suchen. Diese Vorbereitungen sind aktives Risikomanagement und machen sich nicht nur im Zuge eines Investorenprozesses bezahlt.

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Wie man sich bei Distressed M&A vor Anfechtungsrisiken schützt https://www.finance-magazin.de/expertenbeitraege/wie-man-sich-bei-distressed-ma-vor-anfechtungsrisiken-schuetzt-42885/ Mon, 11 Jan 2021 06:15:00 +0000 https://stage01.finance-magazin.de/allgemein/wie-man-sich-bei-distressed-ma-vor-anfechtungsrisiken-schuetzt-42885/ Bei Distressed M&A sind viele Details zu beachten. Andernfalls drohen für Käufer und Verkäufer Haftungs- und Anfechtungsrisiken.

Distressed M&A gewinnt in vielen Branchen an Bedeutung. Die Corona-Pandemie beschleunigt den Trend und lässt zugleich mehr Insolvenzen erwarten. Käufer und Verkäufer sollten sich daher vor Anfechtungs- und Haftungsrisiken schützen.

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Bei Distressed M&A sind viele Details zu beachten. Andernfalls drohen für Käufer und Verkäufer Haftungs- und Anfechtungsrisiken.

Distressed M&A gewinnt in vielen Branchen an Bedeutung. Die Corona-Pandemie beschleunigt den Trend und lässt zugleich mehr Insolvenzen erwarten. Käufer und Verkäufer sollten sich daher vor Anfechtungs- und Haftungsrisiken schützen.

Die Corona-Pandemie hat in den zurückliegenden Monaten in vielen Unternehmen zu wirtschaftlichen Problemen geführt oder bestehende Schwierigkeiten noch verschärft. In vielen Branchen führt zudem der anhaltende Digitalisierungsdruck zu kostenintensiven Transformationsprozessen. Besonders betroffen ist etwa die Automobilbranche, die die Transformation zu elektrischen Antriebstechniken zu bewältigen hat.

Die Herauslösung von Konzerngesellschaften im Rahmen einer Desinvestition („Carve-out“) stellt dabei einen pragmatischen Weg dar, um neue Liquidität zu generieren. Immer häufiger finden solche Transaktionen als Distressed M&A in Sondersituationen statt. Die Zunahme von Notverkäufen („Fire Sales“) spricht eine deutliche Sprache.

Im Insolvenzfall steigen die Anfechtungsrisiken

Unabhängig von der Branche bringen M&A-Deals in Sondersituationen einige Besonderheiten mit sich: Distressed-Transaktionen verlaufen in engen zeitlichen Fristen. Das erhöht die Gefahr, dass Käufer und Verkäufer die Haftungsrisiken nicht vollständig berücksichtigen. Rutscht eine der beiden Parteien kurz nach der Transaktion in eine Insolvenz, rücken Anfechtungsrisiken ganz besonders in den Fokus.

Im schlimmsten Fall kann das für den Verkäufer oder den Erwerber zu einem Totalverlust ihres Assets führen. Gerät beispielsweise der Verkäufer nach der Transaktion in die Insolvenz, kann eine erfolgreiche Anfechtung des Deals dazu führen, dass der Käufer das gesamte Unternehmen wieder zurückgeben muss.

Hieran schließt sich eine weitere Frage an: Wie geht man mit zwischenzeitlichen Werterhöhungen oder Wertminderungen um? In solchen Konstellationen bleibt dem Käufer am Ende regelmäßig nur eine relativ wertlose Insolvenzforderung. Schlimmstenfalls droht ihm dann aufgrund der finanziellen Verluste nach dem geplatzten Deal sogar die eigene Insolvenz.

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Anfechtungen: War der Kaufpreis berechtigt?

Besonders relevant ist die Bemessung des Kaufpreises. In Distressed-Transaktionen drängt der Käufer häufig auf einen besonders günstigen Kaufpreis, schließlich hat der Verkäufer einen gesteigerten Liquiditätsbedarf und damit eine eher schwache Verhandlungsposition.

„Die Käuferseite sollte den Kaufpreis durch eine unabhängige Stelle bestätigen lassen.“

Doch Käufer sollten bei diesen Verhandlungen im eigenen Interesse zurückhaltend agieren. Es versteht sich von selbst, dass ein Kaufpreis, der den Verkehrswert des Assets unterschreitet, später von einem Insolvenzverwalter kritisch unter die Lupe genommen wird, wenn es um die Einschätzung der Insolvenzmasse geht. Ein auffallend niedriger Kaufpreis wäre damit ein möglicher Aufhänger für eine Anfechtung.

Und selbst bei der Bemessung eines angemessenen Kaufpreises ist der Käufer nicht frei von Anfechtungsrisiken: Eine anfechtungsrelevante Gläubigerbenachteiligung liegt auch vor, wenn der angemessene Kaufpreis vom Verkäufer bereits verwendet wurde, um einzelne Verbindlichkeiten auszugleichen. Die Käuferseite sollte daher bei Distressed M&A Deals den Kaufpreis durch eine unabhängige Stelle, etwa eine Investmentbank oder eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, mit einer sogenannten „Fairness Opinion“ bestätigen lassen.

Problemfeld Due Dilligence

Ebenfalls relevant ist ein struktureller Nachteil, der sich für den Käufer bei der Due Diligence ergibt: Dabei erlangt er Informationen über die wirtschaftlichen Verhältnisse des Verkäufers. Und diese könnten dem Käufer die Kenntnis von einer (zumindest drohenden) Zahlungsunfähigkeit vermitteln. Schon dadurch lägen die subjektiven Voraussetzungen für eine Anfechtung vor.

Natürlich können Käufer auf eine Due Diligence nicht verzichten. Um Anfechtungsrisiken zu reduzieren, ist jedoch Vorsorge geboten. Dies kann etwa in Form von Gutachten geschehen, die eine vorhandene Zahlungsfähigkeit beim Käufer oder ein erfolgversprechendes Sanierungskonzept attestieren.

Darüber hinaus ist es zur Minimierung von Anfechtungsrisiken sinnvoll, die Transaktion als sogenanntes „anfechtungsprivilegiertes Bargeschäft“ zu gestalten. Das bedeutet konkret: Dem Verkäufer des Assets fließt zeitnah (oft innerhalb von 30 Tagen) eine gleichwertige Gegenleistung zu. Mit einer solchen Zug-um-Zug-Vereinbarung ist der Käufer in der Regel auf der sicheren Seite. Nachgelagerte Kaufpreiszahlungen, Kreditierungen oder Gewährleistungseinbehalte bergen dagegen große Risiken.

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Vorsicht bei Gesellschafterdarlehen

Ein Anfechtungsrisiko, das für Verkäufer und Käufer gleichermaßen relevant ist, entsteht aus der Rückführung von Gesellschafterdarlehen. Diese sind im Insolvenzfall grundsätzlich nachrangig zu allen anderen Verbindlichkeiten. Wurde ein Gesellschafterdarlehen binnen eines Jahres vor Stellung des Insolvenzantrags zurückgeführt, ist dies anfechtbar. Eine Besonderheit: Auch wenn der Käufer neben den Anteilen am Zielunternehmen zugleich bestehende Gesellschafterdarlehen übernimmt, befreit dies den Verkäufer nicht von Anfechtungsrisiken.

„Gesellschafterdarlehen sind im Insolvenzfall grundsätzlich nachrangig.“

Vorbeugend können die Parteien aber im Kaufvertrag schuldrechtlich ausschließen, dass Rückführungen innerhalb der anfechtungsrelevanten Frist erfolgen. Zu beachten ist dabei: Ein Verstoß gegen diese Verpflichtung führt zu einem Schadensersatzanspruch und schließt eine Anfechtung nicht grundsätzlich aus.

Eine andere Möglichkeit besteht darin, eine freie Kapitalrücklage zu bilden. Dabei legt der Käufer und Neugesellschafter Barmittel in Höhe der Darlehensvaluta in eine freie Kapitalrücklage ein, die zweckgebunden ausschließlich zur Rückführung der Darlehensverbindlichkeit verwandt wird. Damit ist eine Gläubigerbenachteiligung als allgemeine Anfechtungsvoraussetzung ausgeschlossen.

Kooperation senkt Anfechtungsrisiken

Im Endeffekt zeigt sich: Für die Beteiligten einer Distressed-M&A-Transaktion gibt es kein Patentrezept zur Reduzierung oder Vermeidung von Anfechtungsrisiken. Vielmehr müssen beide Parteien und auch ihre Berater im Einzelfall professionell zusammenarbeiten. Dies gilt auch mit Blick auf eine zurzeit heiß diskutierte Frage: Sind die anfechtungsrechtlichen Erleichterungen, die sich aus dem Covid-19-Insolvenzaussetzungsgesetz zur Verschiebung der Insolvenzantragspflicht ergeben, auch auf Unternehmenskaufverträge anwendbar? Das Anfechtungsrisiko würde damit signifikant reduziert, doch noch sind die Auslegung und Anwendung der gesetzlichen Regelung nicht final geklärt. Vieles spricht aber dafür.

Entscheidend ist, dass Käufer und Verkäufer das Thema Anfechtungsrisiken bei Distressed M&A gemeinsam adressieren. Je besser sie kooperieren, umso stärker lassen sich die Risiken senken.

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Restrukturierungsdruck im Gesundheitssektor nimmt zu https://www.finance-magazin.de/expertenbeitraege/restrukturierungsdruck-im-gesundheitssektor-nimmt-zu-42240/ Mon, 05 Oct 2020 04:15:00 +0000 https://stage01.finance-magazin.de/allgemein/restrukturierungsdruck-im-gesundheitssektor-nimmt-zu-42240/ Die Zahl der Insolvenzen im Gesundheitssektor wird steigen. Für eine erfolgreiche Restrukturierung spielt auch der politische Wille der Gremien vor Ort eine Rolle.

Das „New Normal“ nach der Coronakrise stellt die Zukunft vieler Krankenhäuser in Frage, oft ist eine Rekommunalisierung die Folge. Die erfolgreiche Sanierung des Klinikums Peine zeigt, wie sich Fallstricke dabei vermeiden lassen.

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Die Zahl der Insolvenzen im Gesundheitssektor wird steigen. Für eine erfolgreiche Restrukturierung spielt auch der politische Wille der Gremien vor Ort eine Rolle.

Das „New Normal“ nach der Coronakrise stellt die Zukunft vieler Krankenhäuser in Frage, oft ist eine Rekommunalisierung die Folge. Die erfolgreiche Sanierung des Klinikums Peine zeigt, wie sich Fallstricke dabei vermeiden lassen.

Auf den ersten Blick scheint die Situation nicht so schlecht: Das Jahr 2020 wird für viele deutsche Krankenhäuser trotz der außergewöhnlichen Belastungen durch die Coronavirus-Pandemie ein wirtschaftlich erfolgreiches Jahr werden. Die „Freihaltepauschale“, die Kliniken über das Covid-19-Krankenhausentlastungsgesetz für jedes leerstehende Bett erhalten, kompensiert Ausfälle, die mit dem Corona-bedingten Rückgang der stationären Fälle einhergehen.

Soweit also alles gut im Gesundheitssektor? Leider nicht. Das „New Normal“ nach der Hochphase der Pandemie stellt die Zukunftsfähigkeit vieler Krankenhäuser, Kliniken und Reha-Einrichtungen und damit die Sicherheit zahlreicher Arbeitsplätze in der Branche in Frage. Die Aussetzung der Insolvenzantragspflichten  hat dazu beigetragen, dass die Zahl der Insolvenzen von Krankenhäusern und Reha-Einrichtungen bislang überschaubar blieb. Doch der „Krankenhaus Rating Report 2020“ erwartet spätestens 2022 eine „Rückkehr zum Status 2019“ bei Insolvenzen sowie bis 2025 einen signifikanten Rückgang der Krankenhäuser im grünen Rating-Bereich auf nur noch 54 Prozent.

Im Klartext: Die Krankenhausbranche steht vor einer Verschärfung der schon länger andauernden Krise. Ein Anstieg der Insolvenzfälle in der Branche ist mehr als wahrscheinlich.

Zwei Wege zur Restrukturierung

Doch wie sehen Restrukturierungsmöglichkeiten aus? Schließungen von Gesundheitseinrichtungen sind den Bürgern vor dem aktuellen Hintergrund der gesellschaftlichen Debatte rund um Corona kaum zu vermitteln. Grundsätzlich stehen daher zwei Optionen bei der Sanierung von Krankenhäusern im Fokus: Die vorinsolvenzliche Sanierung oder die Sanierung im Insolvenzverfahren. Dabei wird eine Sanierung im Insolvenzverfahren aufgrund der speziellen Aufstellung von Krankenhäusern in der Praxis regelmäßig als Eigenverwaltungsverfahren ausgestaltet.

Die Grundlage für eine vorinsolvenzliche Sanierung liefert üblicherweise ein Sanierungskonzept nach IDW S6. Für die Neuausrichtung müssen die beteiligten Kreditinstitute sowie die Gesellschafter häufig Darlehen verlängern oder neue Liquidität ins Unternehmen geben. Die Stakeholder können dann, etwa im Rahmen einer doppelnützigen Treuhand, an einem Sanierungserfolg partizipieren und etwa über eine entsprechende Gestaltung im Treuhandvertrag sicherstellen, dass der Fortschritt der Restrukturierung durch einen CRO überwacht wird.

Eigenverwaltung bietet Vorteile

Für Krankenhäuser und Kliniken bietet sich allerdings insbesondere die Eigenverwaltung in Kombination mit einer Sanierung im Insolvenzplanverfahren an. Ein Vorteil liegt darin, dass bei diesem Vorgehen der Krankenhausträger erhalten bleiben kann. Damit bleiben auch die bereits geschlossenen Budgetvereinbarung mit den Krankenkassen sowie die Aufnahme in den Landeskrankenhausplan bestehen.

„Für Krankenhäuser und Kliniken bietet sich die Eigenverwaltung an.“

Bei einer Insolvenz in Eigenverwaltung geht es dann zunächst darum, den Klinikbetrieb fortzuführen und das Fachpersonal an Bord zu halten. Daneben ist die Suche nach Investoren ein wesentlicher erster Schritt. Bei der Übernahme eines Krankenhauses aus der Insolvenzmasse sollten neben insolvenzrechtlichen Besonderheiten auch die politischen Hintergründe genau bedacht werden: Neben einem tragfähigen Sanierungskonzept spielt der politische Wille von Stadt oder Landkreis zum Erhalt der medizinischen Versorgung vor Ort – im Zuge einer Rekommunalisierung – eine entscheidende Rolle.

Best-Practice-Beispiel: Klinikum Peine

Wie eine Sanierung über eine erfolgreiche Rekommunalisierung aussehen kann, zeigt das Beispiel des Klinikums Peine. Dieses hatte im März einen Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens in Eigenverwaltung gestellt. Mit der Rekommunalisierung zum 1. Oktober wurde die Sanierung abgeschlossen.

Eine solche erfolgreiche Rekommunalisierung bietet Chancen, ist aber gleichzeitig mit Hürden verbunden. Ist der politische Wille zum Erhalt dokumentiert, etwa durch Beschluss des Kreistages oder des Stadtrates, gilt es zunächst, eine Vielzahl von Vorbereitungen zu treffen, die eben nicht in das „politische Alltagsgeschäft“ fallen – und das birgt Risiken

Zunächst einmal müssen sich die Sanierer mit den Gläubigern des Krankenhausträgers auf den Umgang mit besicherten und unbesicherten Verbindlichkeiten verständigen. Für die kommenden Jahre müssen zudem Liquiditätsbedarf und Erträge sorgfältig geplant werden. Die erforderlichen Mittel, die das Krankenhaus künftig voraussichtlich benötigt, müssen von den Trägern im Haushalt genehmigt und bereitgestellt werden.

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Restrukturierung

Sparprogramme, Verlagerungen, Bilanzsanierung: Kaum ein Unternehmen kommt über die Jahre ohne eine Restrukturierung aus. Für Sanierungsberater ist das ein gutes Geschäft.

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Bei Sanierungen in dieser Branche muss zudem ein Medizinkonzept erarbeitet werden. Für den Zeitraum nach der Übernahme muss sichergestellt sein, dass die Leitungspositionen dauerhaft besetzt werden können.

Abstimmungen erfordern Zeit

In all diese Entscheidungen müssen bei Restrukturierungen im Zuge einer Rekommunalisierung immer auch die jeweiligen politischen Gremien eingebunden werden. Dieser Prozess ist zeitintensiv. Im Einzelfall kann auch eine Verlustausgleichsvereinbarung helfen, um Zeit zu gewinnen und den Fortbetrieb des Klinikums zu sichern, bis die Übertragung abgeschlossen ist.

„In Entscheidungen müssen auch die politischen Gremien eingebunden werden.“

Die Übertragung selbst erfolgt schließlich im Rahmen eines Insolvenzplans, dem die Gläubigerversammlung zustimmen muss. Nach der Übertragung der Gesellschaftsanteile des Krankenhauses an den neuen öffentlichen Eigentümer hat das Klinikum dann die Chance, sich mit einem neuen und tragfähigen Fundament sowie einem starken medizinischen Konzept erfolgreich unter den Rahmenbedingungen des „New Normal“ zu etablieren und erfolgreich zu wirtschaften.

Die Sanierung des Klinikums in Peine – mit einer zielorientierten und erfolgreichen Arbeit in der Eigenverwaltung – liefert ein Beispiel, das wegweisend für viele noch folgende Restrukturierungen im Gesundheitssektor sein kann.

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