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Was die Mini-Bondholder jetzt über Travel24 wissen müssen

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Das Touristikunternehmen Travel24 muss im September eine 25 Millionen Euro schwere Mittelstandsanleihe zurückzahlen. Alle Hoffnungen liegen auf einem Leipziger Hotel.
leeser87 / iStock / Thinkstock / GettyImages

Für das Touristikunternehmen Travel24 geht es bald um alles. Am 17. September wird eine nominell 25 Millionen Euro schwere und mit 7,5 Prozent verzinste Mittelstandsanleihe fällig. Der Kurs steht bei rund 70 Prozent und damit so hoch wie seit Jahren nicht mehr. Im Juli notierte der Bond noch bei rund 10 Prozent. Was stimmt die Bondholder ein halbes Jahr später so optimistisch?

Ein Blick in die vor wenigen Tagen – wieder einmal mit Verspätung und erst unter Androhung eines Bußgeldes durch die Bafin – veröffentlichten Zahlen für das Geschäftsjahr 2015 liefert auf den ersten Blick keine schlüssige Erklärung. Der Geschäftsbericht ist zwar für das Jahr 2015 erstellt, berücksichtigt allerdings auch Einflüsse aus dem Geschäftsjahr 2016, wie zum Beispiel die Insolvenz der Konzernmutter Unister im Juli 2016, aufgrund derer laut Travel24-CEO Armin Schauer „erhebliche Abwertungen von Forderungen“ gegenüber Unister-Gesellschaften bereits im Jahresabschluss 2015 vorgenommen wurden. Zwar ginge das Unternehmen davon aus, diese seien werthaltig, doch wegen der Insolvenz hätten alle Beteiligten lieber „eine klare Sicht der Dinge angenommen, um das Unternehmen grundlegend restrukturieren zu können“, so Schauer.

Das ist auch nötig. Die Seitenbesuche auf der Homepage haben sich von 88 Millionen im Jahr 2014 auf 45 Millionen Seitenbesuche im Jahr 2015 reduziert. Die Buchungen gingen von 278.000 auf 167.000 zurück. Die Folge: Die Umsatzerlöse sind im Geschäftsjahr 2015 gegenüber dem Vorjahr von 25,4 Millionen Euro auf 14,6 Millionen Euro eingebrochen und haben sich damit fast halbiert. Der Gewinn vor Zinsen und Steuern (Ebit) liegt bei minus 366.000 Euro. 2014 verbuchte Travel24 noch einen Gewinn von 1,3 Millionen Euro. Unter dem Strich steht für 2015 ein Jahresfehlbetrag von 560.000 Euro.

Travel24 sucht Alternativen für Unisterdienstleistungen

Travel24 begründet den Umsatzrückgang mit erheblich geringeren Marketingausgaben – statt 20,5 Millionen Euro waren es 2015 nur noch 10 Millionen Euro – und dem gestiegenen Wettbewerb. Das Frankreich-Geschäft hat Travel24 zum vierten Quartal 2016 eingestellt. Laut Geschäftsbericht, da „eine wirtschaftlich sinnvolle Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebs aus Sicht der Travel24 derzeit nicht länger möglich sei.“

Auch die Unister-Pleite stellt Travel24 vor eine Herausforderung: Mit der Konzernmutter hat Travel24 einen auch nach der Insolvenz gültigen Dienstleistungsvertrag: Unister betreibt die Travel24-Website und kümmert sich um Marketing, IT und Kundenservice bei Travel24. „Die Zusammenarbeit wird aufgrund der Insolvenz mit Unister neu geordnet. Einige Fachbereiche übernimmt die Travel24 selbst, andere wurden bereits an unabhängige Anbieter am Markt weitergegeben“, so Schauer. Unister betreibe lediglich noch einen kleinen Teil für den Travel24 ebenfalls Alternativen prüfe, denn Unister hat seinen Tochterunternehmen laut Schauer bei den Konditionen nichts geschenkt.

Check24 setzt Travel24 zu

Die Marketingaufwendungen sind im Onlineportalgeschäft ein entscheidender Wettbewerbsfaktor, um bei Suchmaschinen wie Google möglichst weit oben zu stehen. „Große Vergleichsportale wie Check24 sind sehr finanzstark und mit ein Grund, weshalb unser Reiseportalgeschäft auch rückläufig ist“, beklagt Armin Schauer.

Das Reiseportalgeschäft sei jedoch weiterhin profitabel, wenn auch auf deutlich niedrigerem Niveau als noch vor einigen Jahren. Für das Geschäftsjahr 2016 rechnet Travel24 mit einem weiteren „spürbaren Umsatzrückgang“. Im Geschäftssegment „Internet“ – das ist das Portalgeschäft – kalkuliert Travel24 nur noch mit 8,1 Millionen Euro Umsatz und zwischen 200.000 und 300.000 Euro Ebit. „Die Talsohle ist damit dann aber erreicht“, versucht Schauer Hoffnung zu verbreiten.

Travel24 und der Leipziger Hotelpoker

Wohl auch wegen der Umsatzrückgänge im Kerngeschäft bereitet der frühere Hotelier Schauer Travel 24 schon seit rund fünf Jahren darauf vor, das Unternehmen auf ein zweites Standbein zu stellen: Budget-Design-Hotels. Dieses Segment liefert allerdings noch keine Umsätze. Eine Projektimmobilie in Köln wurde verkauft, um den Bau des Hotels in Leipzig zu finanzieren, das wiederum als Sicherheit für die Mittelstandsanleihe dient. Mit dem Verkaufserlös soll die Anleihe zurückgezahlt werden. 

Problem: Das Bauprojekt ist noch nicht beendet und befindet sich im Verzug – laut Geschäftsbericht wegen „erschwerten Bodenverhältnissen“, „komplexen Abbrucharbeiten“ und „Planungslücken“. Die Mehrkosten: 600.000 Euro, was 4 Prozent der Investitionssumme ausmacht. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass die ursprünglich geplanten Herstellkosten bei rund 15 Millionen Euro gelegen haben müssen.

Weiter heißt es im Geschäftsbericht, dass Travel24 als Verkaufserlös für die Immobilie einen „zweistelligen Millionenbetrag“ anstrebt, der mindestens den Herstellkosten entsprechen soll. Ein gutes Geschäft sieht anders aus, aber für die Rückzahlung der Anleihe könnte dies nahezu ausreichen, denn im Geschäftsbericht wird die Anleiheverbindlichkeit mit 20 Millionen Euro ausgewiesen. An einer anderen Stelle im Bericht heißt es, „die im Umlauf befindlichen“ Anleihen hätten noch ein Volumen von rund 16 Millionen Euro. 

Travel24 hat angeblich schon einen Hotelkäufer zur Hand

Momentan läuft zudem ein Rückkaufprogramm. Bis September will CEO Schauer den von Travel24 gehaltenen Anleihebestand auf 10 Millionen Euro aufstocken. Da die seinerzeit voll platzierte Anleihe 25 Millionen Euro schwer war, müsste Travel24 im September dann noch 15 Millionen Euro refinanzieren. Das Leipziger Hotel – so kündigt Schauer an – soll jetzt im April eröffnet werden. „Die Außenarbeiten sind nahezu abgeschlossen. Es fehlen lediglich noch die Dachziegel auf der Vorderseite des Hauses und Arbeiten an der Haustechnik. Derzeit erfolgt bereits die Innenausstattung“, sagt der CEO.

Laut Geschäftsbericht haben bereits Verhandlungen über eine Sale-and-Lease-Back-Lösung des Hotels mit mehreren Investoren stattgefunden. Mit einem Investor seien die Verhandlungen weit fortgeschritten. Es gäbe sogar schon einen „Letter of Intent“, also eine unterzeichnete Absichtserklärung. „Da wir den Jahresabschluss 2015 veröffentlicht haben und eine positive Fortführungsprognose erhalten haben, haben sich weitere Investoren bezüglich der Leipziger Hotelimmobilie gemeldet und ihr starkes Interesse bekundet“, behauptet Schauer.

Wirtschaftsprüfer Mazars gibt Travel24 wenig Handlungsspielraum

Der Bestätigungsvermerk war für Travel24 sehr wichtig, denn die Berichtserstellung bei Travel24 ist schon seit längerem eine heikle Angelegenheit. Die Wirtschaftsprüfer von BDO hatten Travel24 für den Abschluss 2014 den Bestätigungsmerk wegen "wesentlicher Prüfungshemnisse" verweigert. Mazars hat diesen für den Bericht 2015 zwar erteilt, allerdings nicht ohne Mahnung: Es bestehe „keine hinreichende Sicherheit über den Bestand der Forderungen“ gegenüber Unister und deren Tochtergesellschaften Unister Travel Betriebsgesellschaft, Unister Travel Retail, die Unister Holding und Versicherungen.de. Es könne somit „nicht ausgeschlossen werden, dass der Jahresabschluss fehlerhaft ist.“

Mazars muss sich auf die Buchhaltung und die Angabe von Travel24 verlassen, da sowohl der Insolvenzverwalter von Unister als auch das Management von Unister „keinerlei Bestätigungen abgegeben haben.“ Laut einem Bericht der „Süddeutschen Zeitung“ vom 5. Oktober 2016, in dem sich die Zeitung auf ein Gutachten des Unister-Insolvenzverwalters beruft, hat Unister „seit Anfang 2016 die Geschäfte innerhalb des Konzerns gar nicht mehr verbucht“.

Travel24 steht mit dem Rücken zur Wand

Zudem verweisen die Wirtschaftsprüfer ausdrücklich auf das „bestandsgefährdende Liquiditätsrisiko aus der Tilgungsverpflichtung“ der Anleihe. Schauer versucht das zu entschärfen: „Nach der Vorgeschichte mit BDO hat Mazars verständlicherweise sehr genau hingesehen und den Risikobericht sehr scharf formuliert. Wir haben sehr viele Vorfälle aus dem Geschäftsjahr 2016 vorgezogen, was sich auch in den Ergebniszahlen niederschlägt.“

Doch Mazars ergänzt im Bestätigungsvermerk: „Wenn die in 2017 geplanten Anleiherückkäufe nicht getätigt werden, werden Ergebnisabweichungen größer als 500.000 Euro als bestandsgefährdend beurteilt. Erfolgt der Rückkauf wie geplant, liegt der Spielraum nur noch bei 100.000 Euro“, so Mazars. Das deutet darauf hin, dass die Kassen von Travel24 ziemlich leer sind. Die Angaben zum Stand Ende 2015 sind für die Beurteilung der aktuellen Lage wenig hilfreich. Aktuellere Daten lieferte das Unternehmen nicht.

Lage bei Travel24 bleibt unübersichtlich

Und damit schließt sich der Kreis: Die Refinanzierung der Anleihe steht und fällt wohl mit der rechtzeitigen Fertigstellung und dem Verkauf des Leipziger Hotels. 

Gelingt die Rückzahlung, will Schauer zusammen mit Finanzinvestoren das Hotelgeschäft weiter ausbauen. „Der Finanzinvestor finanziert das Bauprojekt und wird Eigentümer der Immobilie. Travel24 konzeptioniert und betreibt das Hotel“, erklärt Schauer sein neues Standbein. Bei den Hotels handelt es sich um sogenannte Budget-Design-Hotels, die optimal auf das heutige Kundenbedürfnis in Großstädten abgestimmt seien. Gespräche mit Interessenten laufen schon, behauptet Schauer.

Parallel muss der Travel24-Chef die Folgen der Unister-Insolvenz aufarbeiten. Wegen der schlechten Buchführung bei Unister könne derzeit beispielsweise nicht bestätigt werden, wie viele Travel24-Anteile tatsächlich noch im Besitz von Unister und damit in der Insolvenzmasse sind, sagt Schauer.

philipp.habdank[at]finance-magazin.de

Info

Travel24 ist nicht der einzige Mini-Bond-Emittent mit Problemen. Lesen Sie mehr über das schwer angeschlagene Marktsegment auf der FINANCE-Themenseite zu Mittelstandsanleihen