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ESG als Chance in der Transformation

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ESG-Faktoren spielen bei der Transformation eine große Rolle. Foto: Deemerwha studio - stock.adobe.com
ESG-Faktoren spielen bei der Transformation eine große Rolle. Foto: Deemerwha studio - stock.adobe.com

In Zeiten des unternehmerischen Wandels und der Neuausrichtung spielen Nachhaltigkeitsaspekte eine immer größere Rolle. Die zunehmende Bedeutung von ESG-Kriterien ist dabei nicht nur eine Reaktion auf gesellschaftliche und regulatorische Anforderungen, sondern auch eine Notwendigkeit für die Unternehmen, um ihre Wettbewerbsfähigkeit nachhaltig zu sichern.

ESG-Aspekte rücken demnach auch immer stärker in den Fokus bei der Durchführung von Restrukturierungsprozessen – spätestens seit das Thema ESG in der aktuellen Fassung des IDW-Standards für die Erstellung von Sanierungsgutachten vom 22. Juni 2023 als zu betrachtende Dimension für die Wettbewerbsfähigkeit eines Unternehmens benannt ist.

Die Integration von ESG-Aspekten in Restrukturierungsprozesse darf aber nicht ausschließlich als Kostenfaktor bei sowieso schon knappen finanziellen Mitteln gesehen werden, sondern kann dabei helfen, zukünftigen Krisen vorzubeugen oder bestehende Krisensituationen zu entschärfen. Dieser Beitrag beleuchtet, warum ESG-Strategien essentiell für mittelständische Unternehmen in Umbruchsituationen sind und wie sie erfolgreich implementiert werden können.

Der regulatorische Rahmen

Mit der Einführung der europäischen Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) stehen mittelständische Unternehmen vor der Herausforderung, ihre Nachhaltigkeitsleistungen transparent zu machen. Die Anforderungen der Richtlinie betreffen ab dem Geschäftsjahr 2024 Unternehmen, die bereits zur Nachhaltigkeitsberichterstattung verpflichtet sind, und sehen dann eine Erweiterung auf einen deutlich größeren Anwenderkreis vor.

So sind ab dem Geschäftsjahr 2025 Firmen mit mindestens 250 Mitarbeitenden und einem Umsatz von 40 Millionen Euro oder einer Bilanzsumme von 20 Millionen Euro zur Berichterstattung im Rahmen ihres Jahresabschlusses verpflichtet. Die Berichte müssen umfassende Informationen zu ESG-Aktivitäten und deren Auswirkungen enthalten. Diese Erweiterung der Offenlegungspflichten stellt eine Zunahme der Belastung dar, die insbesondere für den Mittelstand in herausfordernden Zeiten schwer zu tragen ist. Die Kernkompetenz des Mittelstands, die Flexibilität und der Pragmatismus, drohen unter dem Druck der neuen Regulierungen zu leiden.

Neben den vorangegangen beschrieben Offenlegungspflichten werden die Unternehmen aber auch mit Handlungspflichten im Rahmen des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes (LKSG) konfrontiert. Ab dem Jahr 2024 wird die Mindestunternehmensgröße zur Anwendung des Gesetzes von 3.000 auf 1.000 Mitarbeiter gesenkt. Mit der Verabschiedung der Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD) – der EU-Lieferkettenrichtlinie – am 15. März 2024 ist von einer Verschärfung des LKSG in Zukunft auszugehen. Zwar wurde der Anwenderkreis nicht wie ursprünglich geplant auf Unternehmen ab 500 Mitarbeitern reduziert, sondern bleibt bei einer Schwelle von 1.000 Mitarbeitern, aber zentrale Punkte wie insbesondere die zivil- und strafrechtliche Haftung für die betroffenen Unternehmen sind weiterhin Bestandteil der Richtlinie.

Mehr als nur Compliance

Für Unternehmen in der Restrukturierung oder in Umbruchphasen ist die Berücksichtigung von ESG-Faktoren weit mehr als nur eine Frage der Compliance. Im Kontext der Restrukturierung ist eine proaktive Auseinandersetzung mit ESG-Kriterien entscheidend. Eine detaillierte Analyse der eigenen Lieferkette, die Identifikation von Risiken und Chancen im Bereich Nachhaltigkeit sowie die Entwicklung von adaptiven Strategien sind unerlässlich, um den neuen Anforderungen gerecht zu werden.

Dabei kann eine umfassende Bestandsaufnahme mit speziell entwickelten ESG-Tools als erster Schritt dienen, um den Status quo und damit relevante Risikobereiche und Handlungsfelder zu identifizieren sowie Prioritäten für tiefgreifendere Analysen und strategische Maßnahmen zu setzen. Restrukturierungen müssen demnach auch bei begrenzten Ressourcen ESG-Kriterien berücksichtigen. Darüber hinaus bietet das Momentum einer Restrukturierung die Chance, ESG-Kriterien fest in der Unternehmensstrategie zu verankern und so die Weichen für eine nachhaltige Unternehmensentwicklung zu stellen.

Für eine erfolgreiche Integration von ESG in die Unternehmensstrategie müssen klare Ziele definiert und in den Geschäftsalltag integriert werden. Dabei ist es entscheidend, dass ESG nicht als isolierte Aufgabe gesehen wird, sondern als integraler Bestandteil der Unternehmensführung. Die Ernennung einer verantwortlichen Person oder Abteilung für ESG-Themen kann dabei helfen.

Relevante Wettbewerbsvorteile

Entgegen der Annahme, dass ESG-Kriterien primär zusätzliche Kosten verursachen, können sich aus einer frühzeitigen Berücksichtigung relevanter ESG-Faktoren Wettbewerbsvorteile ergeben. Ein strategischer Umgang mit ESG-Themen kann Risiken minimieren und gleichzeitig neue Geschäftschancen eröffnen, beispielsweise durch den Zugang zu speziellen Finanzierungsquellen, die Verbesserung der Marktpositionierung und die Steigerung der Attraktivität als Arbeitgeber. Langfristig können Unternehmen, die ESG-Aspekte erfolgreich in ihre Strategie integrieren, ihre Resilienz, ihre Wettbewerbsfähigkeit und ihr Innovationspotential stärken.

Die aktuelle regulatorische Entwicklung im Bereich Nachhaltigkeit und Lieferkettenmanagement zwingt mittelständische Unternehmen, ESG-Kriterien in ihre strategischen Überlegungen mit einzubeziehen. Während die Herausforderungen beträchtlich sind, bieten sich ebenso Chancen für Unternehmen, die bereit sind, ESG-Themen als Chance für eine zukunftsorientierte Restrukturierung und Neuausrichtung zu begreifen. Durch die Integration von ESG-Aspekten in ihre Unternehmensstrategie können mittelständische Betriebe nicht nur regulatorische Anforderungen erfüllen, sondern auch ihre Marktposition langfristig sichern und ausbauen. Die Investition in ESG-Bereiche zahlt sich aus – durch bessere Finanzierungsmöglichkeiten, geringere Kosten und Risiken sowie einer Stärkung der Marke und Unternehmenskultur.

Tim Bauer

Tim Bauer ist Partner bei Enomyc und Standortleiter in Stuttgart.
bauer@enomyc.com

Jennifer Höpfner

Jennifer Höpfner ist Senior Consultant bei Enomyc.
hoepfner@enomyc.com