6 Dinge, die Sie zur Baywa-Krise wissen müssen

Bei der Baywa überschlagen sich die Ereignisse. Am 12. Juli dieses Jahres hatte der Vorstand den bayerischen Agrarhandelskonzern zum Krisenfall erklärt und mitgeteilt, ein Sanierungsgutachten in Auftrag gegeben zu haben. Treibende Kraft dahinter waren die finanzierenden Banken des hoch verschuldeten SDax-Mitglieds. Sie erhoffen sich durch einen externen Gutachter mehr Sicherheit und Transparenz zum Ausmaß der Krise. Aufsichtsrechtlich ist es zudem notwendig, damit Banken Unternehmen in einer angespannten Lage bei einer positiven Fortführungsprognose weiterfinanzieren dürfen. Die laut Medienberichten beauftragten Sanierungsexperten von Roland Berger müssen sich jetzt gemäß IDW-S6-Standard zügig einen Überblick über die Lage und die Zukunftsfähigkeit des Mischkonzerns verschaffen sowie Wege zur Restrukturierung identifizieren, einschließlich finanzwirtschaftlicher Planung. Wie konnte so weit kommen? Wie düster ist die Finanzierungslage wirklich? Und wie kann es weitergehen? Wichtige Fragen und Antworten im Überblick. 1. Was hat zur Baywa-Krise geführt? Die finanzielle Schieflage der Baywa hat mehrere Gründe. Das Unternehmen, das vom bayerischen Agrarhandel zum international aktiven Mischkonzern (Agrar, Bau, Energie) mit einem Jahresumsatz von zuletzt 24 Milliarden Euro entwickelt worden war, droht nach der Zinswende über seine fremdfinanzierte Expansion früherer Jahre zu stolpern. „Die Baywa erzielte 2023 zwar ihr zweitbestes operatives Ergebnis aller Zeiten, musste aber ein negatives Nettoergebnis ausweisen, da sich die Zinszahlungen mehr als verdoppelt hatten“, analysierte Warburg-Analyst Oliver Schwarz, der mittlerweile seine Bewertung der Baywa ausgesetzt hat. Lag der durchschnittliche variable Zinssatz bei der Baywa 2022 noch bei 1,76 Prozent, gab es 2023 einen sprunghaften Anstieg auf 4,43 Prozent. Die stark gestiegenen variablen Zinszahlungen fressen also das Ergebnis des Agrarhändlers auf – und das in einer Zeit, in der es zuletzt auch operativ schlechter läuft. Das vergangene Geschäftsjahr 2023 haben die Münchener zum ersten Mal in der hundertjährigen Geschichte mit einem Jahresfehlbetrag von 93,4 Millionen Euro abgeschlossen. Im Vorjahr war es noch ein Überschuss von 239,5 Millionen Euro gewesen. Gleichzeitig schränkt die hohe Schuldenlast die Beweglichkeit ein: Ende März 2024 betrug der Schuldenberg mehr als 11 Milliarden Euro. Davon sind 5,6 Milliarden Euro kurz- und langfristige Finanzschulden. 2. Warum ist die Finanzierungslage jetzt kritisch geworden? In dem auf den 25. März 2024 datierten Geschäftsbericht für 2023 hieß es noch, „dass weder Einzelrisiken noch Risiken im Zusammenwirken bestehen, die den Fortbestand des Unternehmens gefährden“. Auch für die Zukunft seien „bestandsgefährdende Risiken gegenwärtig nicht erkennbar“. Einen Monat später bekam die Baywa dann allerdings Probleme mit der Refinanzierung. Die Nachfrage nach einer neuen Anleihe mit einem Volumen von 250 Millionen Euro war mau; die Baywa blies die Emission mit dem üblichen Verweis auf das Marktumfeld ab. Zweifel an der Baywa gab es in Finanzkreisen und bei Investoren schon länger. Seit Ende 2022 befindet sich der Aktienkurs im Sinkflug und büßte bis heute fast 68 Prozent ein. Der große Absturz kam allerdings erst im Juli, als die Krise offensichtlich wurde. Mehr zum Thema Baywa-Krise: Der Agrarhändler hat seine Finanzierung überreizt Baywas Expansion, die auf Fremdkapital gebaut war, zeigt Risse. Daran sind auch die Eigentümer schuld, die systematisch auf Fremdkapital gesetzt haben, den Agrarriesen zu erdrücken. Mehr lesen Die Emissionserlöse aus der neuen Anleihe hätten dem Konzern helfen können, einen in diesem Juni ausgelaufenen Green Bond zu refinanzieren. Dieser war 2019 mit einem Zinskupon von 3,125 Prozent jährlich begeben worden und hatte ein Volumen von 500 Millionen Euro, um Wind- und Solarenergieanlagen zu finanzieren. Für die Rückzahlung wurden am Ende vorhandene Finanzmittel genutzt. Unterm Strich stand so zwar ein Schuldenabbau von 200 Millionen Euro, allerdings wurde die Liquidität dadurch weiter verknappt. Insgesamt wurde der Liquiditätsabfluss – zusammen mit der Rückzahlung von Commercial Papers – auf etwa eine Milliarde Euro beziffert. Um gegenzusteuern, wurde das Commercial-Paper-Programm, das bislang eine Milliarde Euro umfasste, aufgestockt. 3. Welche weiteren Finanzierungsinstrumente sind im Einsatz? All das war keine gute Ausgangslage für die anstehenden Verhandlungen mit den Banken, denn CFO Andreas Helber muss sich auch um die Refinanzierung eines Konsortialkredits kümmern. Der war 2021 in Höhe von 1,7 Milliarden Euro abgeschlossen und 2022 auf 2 Milliarden Euro aufgestockt worden. Laut Geschäftsbericht für 2023 lag der Buchwert dieses Darlehens zum Jahresende bei 1,4 Milliarden Euro. Der Konsortialkredit läuft über drei Jahre, allerdings mit der Option, ihn zweimal um jeweils ein Jahr zu verlängern. Aktuelles Laufzeitende ist September 2025. Die Sanierer werden den Konsortialkredit, mit dem damals rund 90 Prozent der bilateralen Kredite abgelöst wurden, wohl mit in ihren Sanierungsplan einbeziehen. Neben dem Mutterkonzern zählen auch einige Tochterunternehmen zu den Kreditnehmern, darunter die deutsche Energietochter Baywa Re, die nur für eigene Verbindlichkeiten haftet, sowie einige europäische Gesellschaften. Auf Gläubigerseite stehen zehn internationale Banken, darunter DZ Bank, LBBW und Unicredit. Überdies hat die Baywa Ende 2023 Schuldscheine von insgesamt 831,5 Millionen Euro ausgewiesen. Zudem gibt es auch noch eine nachrangige, festverzinsliche Hybridanleihe, die im Mai 2023 emittiert und im September 2023 auf insgesamt 100 Millionen Euro aufgestockt wurde. Auch hier hat die Kurve mächtig nachgegeben – beginnend mit der Veröffentlichung der Jahreszahlen im März. Nächster Zinstermin ist hier im kommenden Mai, wenn die Baywa die Zinszahlung nicht aufschiebt, was gemäß den Anleihebedingungen möglich ist. FINANCE Köpfe Andreas Helber BayWa AG Mehr lesen 4. Welche Rolle spielt die Tochter Baywa Re? Probleme im operativen Geschäft bereitet Baywa vor allem die Energietochter Baywa Re. Das Unternehmen baut Solarkraftwerke und Windparks und ist auch im Energiehandel aktiv. Die Baywa hält 51 Prozent, die weiteren 49 Prozent gehören dem Infrastrukturinvestor Energy Infrastructure Partners (EIP). Gleichzeitig könnte es der Unternehmensteil sein, der zum „Gesundschrumpfen“ genutzt wird. Laut Medienberichten steht wohl ein Verkauf von 20 bis 30 Prozent an Baywa Re an den Partner EIP im Raum. Baywa könnte die Tochter dann nicht nur aus der Bilanzierung nehmen, sondern den Erlös auch zum Tilgen von Schulden nutzen. Allerdings konnte der Konzern die Solarsparte zuletzt schon nicht losschlagen. 5. Wie läuft das Geschäft der Baywa 2024? Die Veröffentlichung der Halbjahreszahlen, eigentlich für 8. August festgesetzt, hat die Baywa wegen der laufenden Impairment-Prüfungen auf Ende September verschoben. Allerdings wurden einige vorläufige Kennzahlen mitgeteilt. Demnach sank der Umsatz im ersten Halbjahr von 12,6 auf 10,7 Milliarden Euro, das operative Ergebnis (Ebitda) brach auf 149,5 Millionen Euro ein nach 322,1 Millionen im ersten Halbjahr 2023. Angesichts der aktuellen Krise kassierte der Vorstand überdies seine Gewinnprognose für 2024 ein. Bislang hatte er mit einem Ergebnis vor Steuern und Zinsen (Ebit) in Höhe von 365 bis 385 Millionen Euro gerechnet. 6. Wie geht es für die Baywa weiter? Der Konzern muss seine Kapitalstruktur und Liquidität neu aufstellen. Derzeit wird um neue Finanzierungszusagen gerungen. Die beiden Ankeraktionäre, die Bayerische Raiffeisen-Beteiligungs-Aktiengesellschaft sowie die österreichische Raiffeisen Agrar Invest, sollen zu einem Eigentümerdarlehen bereit sein. Die „Wirtschaftswoche“ kolportierte ein Volumen von 50 bis 60 Millionen Euro. Allerdings dürfte das nur ein Tropfen auf den heißen Stein sein: Wie die „Wirtschaftswoche“ aus Insiderkreisen erfahren haben will, soll sich der Finanzbedarf der Baywa für die kommenden 12 Monate auf satte 500 bis 600 Millionen Euro belaufen, die bis September sichergestellt werden müssen. Entsprechende Verhandlungen mit den Gläubigerbanken sind zum Wochenanfang gestartet, sollen sich laut „Börsen-Zeitung“ aber schwierig gestalten. Neben dem offenbar dringend notwendigen neuen Finanzierungspaket kommt auch das Portfolio auf den Prüfstand – ein Schritt, der bereits zuvor angekündigt worden war, um neue Mittel ins Unternehmen zu holen und die Eigenkapitalquote zu verbessern. Die jüngsten Entwicklungen dokumentiert FINANCE ab sofort in einem News-Ticker zur Baywa-Krise.

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