So müssen CFO und Aufsichtsrat in der Krise zusammenarbeiten

In Krisenzeiten sind alle Blicke auf den Vorstand gerichtet, er steht unter besonderem Handlungszwang. Zügig müssen diverse Optionen geprüft werden, um aus der Krise zu kommen. In dieser Situation lohnt sich eine enge Kooperation zwischen dem CFO und dem Aufsichtsrat. Doch: Die Aufgaben des Beirats, den Vorstand und seine Arbeit zu überwachen und zu beraten, werden von jedem Aufsichtsrat unterschiedlich arbeitsintensiv interpretiert – auch in Krisenzeiten. Die Zeit der passiven, abwartenden Aufsichtsräte neigt sich allerdings dem Ende zu. Zunehmend macht sich das Kontrollgremium frei von dem verstaubten Bild seiner Zunft. Eine Chance für den CFO. Denn die Zeit, in der der Aufsichtsratsvorsitzende primär die Zusammenarbeit mit dem CEO suche, sei mittlerweile vorbei, meint Alexander Eichner, selbst aktiv in diversen Aufsichtsratsmandaten und Gründer der Einheit Transition Manager. Besonders bei Restrukturierungen ist das ein fataler Fehler: Wer den CFO nur bei speziellen Themen einbinde, vernachlässige etwa dessen zentrale Rolle als Organisationsentwickler. „Eine Position des CFOs wird erwartet“ Der Job des Finanzentscheiders hat sich in den vergangenen Jahren verändert: Er ist nicht mehr ausschließlich der Finanzexperte. Ihm obliegen heutzutage oft gleich mehrere Verantwortungsfelder wie etwa ESG, Digitalisierung oder Transformation. „Auch bei Fragen zur Strategie wird eine Position des CFOs erwartet“, konstatiert Eichner, abseits des CEO. Alexander Eichner ist selbst in diversen Aufsichtsratsmandaten aktiv und Gründer der Einheit Transition Manager. Foto: Kirsten Breustedt Es ist davon auszugehen, dass der CFO in Bezug auf die Strategie mittlerweile auf gleicher Höhe wie der CEO ist. Der Finanzvorstand sollte daher stärker vom Aufsichtsrat in die Verantwortung genommen werden, rät Eichner, der seit mehr als 25 Jahren im Transition- und Aufsichtsratsmanagement tätig ist. Er ist derjenige, der den nackten Zahlen Leben einhauchen, zahlenbasiert Bedenken adressieren und damit Vertrauen schaffen kann, um strategische Entscheidungen treffen zu können. Das macht ihn zu einem unverzichtbaren Partner für den Aufsichtsrat – sowohl für die Informationsbeschaffung als auch für Prognosen und die Einschätzung neuer Strategieansätze. Der moderne Aufsichtsrat: aktiv und organisiert Wie gelingt nun eine fruchtbare Zusammenarbeit zwischen CFO und Aufsichtsrat? In erster Linie müsse der Aufsichtsrat seine eigene Rolle anders interpretieren, meint Eichner, hin zu einem aktiv agierenden Aufsichtsrat, der über die vier Pflichtsitzungen im Jahr mehr in seiner Arbeit sieht. Beispielsweise organisiere ein moderner Beirat seine Aufgaben und Zielsetzungen deutlich straffer. Er arbeite entlang einer festen Agenda, jedes Mitglied habe eine klare Aufgabe und die Mitglieder organisieren sich wie in einer eigenen Projektgruppe. Alles sei erlaubt, was dem Wohle des Unternehmens diene. Wer im Mandat nicht nur ‚Pflicht‘ ableisten wolle, sondern den Anspruch ‚Kür‘ habe, der stelle ein Aufsichtsratsteam zusammen, für das gezielt Personen ausgesucht worden sind, die Ziele haben und auch ein klares Konzept zur systematischen Entwicklung des Unternehmens. „Alles ist erlaubt, was dem Wohle des Unternehmens dient.“ Alexander Eichner, Transition Manager Finanzielle Schlüsselbereiche für den Aufsichtsrat Im Restrukturierungsfall stehen dem Aufsichtsrat mehrere Handlungsmöglichkeiten zur Verfügung, die finanzielle Lage tiefgreifender zu analysieren. Diese können besonders effektiv in enger Zusammenarbeit mit dem CFO gelingen. Eichner nennt drei wesentliche Möglichkeiten: Erstens kann sich der Aufsichtsrat mithilfe des Finanzchefs tiefer in die einzelnen Themenbereiche der Bilanz einarbeiten und gegebenenfalls wissenswerte Punkte von Spezialisten genauer untersuchen lassen, wenn er den Jahresabschluss in Auftrag gibt. „Zudem kann das Gremium selbst den Wirtschaftsprüfer ins Kreuzverhör nehmen“, ergänzt Eichner. Und als dritten Punkt führt der Aufsichtsratsexperte an, Investitionen zu diskutieren und Finanzmodelle aktiv zu hinterfragen. Das könne auch dazu führen, dass der Beirat mit Blick auf Kosteneinsparungen prüft, wo sich Einsparungen und Ausgaben rentieren, etwa bei Produktionsverlagerungen oder Vertriebswegen. Und Achtung: Das Gremium, das im Rahmen eines selbst auferlegten Aufsichtsratsmanagements aktiv ist, kann die Vorstände je nach Bedarf und zum Wohle des Unternehmens flexibel wechseln. Denn, so Eichner, nicht jede Managerpersönlichkeit passt zu jeder Unternehmenssituation. Umso wichtiger ist es, dass sich Vorstand und Aufsichtsrat im frühestmöglichen Stadium auf eine gemeinsame Linie verständigen. Recht: Wie weit reicht der Spielraum des Aufsichtsrats? Es zeigt sich: Der moderne Aufsichtsrat managt aktiv mit, tritt eigeninitiativ in den Dialog mit dem Vorstand und arbeitet tatkräftig mit dem CFO an Lösungswegen. Doch darf ein Aufsichtsrat in seiner Funktion all das? Den Rahmen setzt ein Paragraf im Aktiengesetz, der die Aufgaben klar regelt: überwachen, einsehen und prüfen. Info Aktiengesetz § 111 Aufgaben und Rechte des Aufsichtsrats(1) Der Aufsichtsrat hat die Geschäftsführung zu überwachen. (2) Der Aufsichtsrat kann die Bücher und Schriften der Gesellschaft sowie die Vermögensgegenstände, namentlich die Gesellschaftskasse und die Bestände an Wertpapieren und Waren, einsehen und prüfen. Doch ab wann überschreiten Aufsichtsräte ihre Aufgaben und Rechte im Unternehmen? Dieses neue Profil des modernen Aufsichtsrats hat Kerstin Schnabel, Aktienrechtlerin der Kanzlei DLA Piper für FINANCE geprüft. Auch ihrer Erfahrung nach passt die aktivere Rolle eines Aufsichtsrats viel besser in das heutige Bild und sei auch das, was man in Umbruchphasen oder einer Restrukturierung vom Aufsichtsrat erwarte. Kerstin Schnabel ist Gesellschaftsrechtlerin und Partnerin bei DLA Piper in Düsseldorf. Foto: DLA Piper Sie kommt zu dem Ergebnis: „Ein Aufsichtsrat ist nicht auf seine Pflichtsitzungen beschränkt.“ Gerade in Krisenzeiten sollte das Gremium seine Sitzungsfrequenz erhöhen. Dies sei auch Teil seiner Überwachungsfunktion. Es passe zur modernen Auffassung, dass der Aufsichtsrat mehrere Sitzungen abhält und klar kommuniziert, welche Berichte er erwartet. Anforderungen dürfen sowohl an den Vorstand als auch an die Berichterstattung gestellt werden, etwa Anforderungsberichte außerhalb der regulären Berichterstattung oder besondere To-Dos. Einzelne Mitglieder wie der CFO dürften stärker involviert werden, um etwa monatliche Liquiditätsberichte zu erstellen und regelmäßig den Liquiditätsstatus zu überwachen. Durch das FISG haften noch mehr Verantwortliche Doch Achtung: „Die gesetzliche Grenze ist erreicht, wenn sich der Aufsichtsrat ins Tagesgeschäft einmischt“, sagt Schnabel. Aber eine intensive Überwachung sei erlaubt und insbesondere in Krisenzeiten auch gefordert. Immerhin haften sowohl Vorstände als auch Aufsichtsräte für Pflichtverletzungen, wie etwa bei verspäteten Insolvenzanträgen. Früher war die Prüfung von Pflichtverletzungen durch den Aufsichtsrat weniger verbreitet, das werde aber zunehmend untersucht. Ein prominentes Beispiel dafür ist etwa der Fall Wirecard. Und gerade die Aufsichtspflicht von Aufsichtsräten wurde in den vergangenen Jahren noch einmal erweitert. Durch das Gesetz zur Stärkung der Finanzmarktintegrität, kurz FISG, hat der Prüfungsausschuss ergänzende Auskunftsansprüche erhalten. Erstmals wurde der Auskunftsanspruch auch gegenüber Leitern von Zentralbereichen geregelt. Damit hat sich in den vergangenen Jahren sowohl die Rolle des Aufsichtsrats als auch des CFO gewandelt, was beiden insbesondere in Krisenzeiten einen Korridor für eine enge strategische Zusammenarbeit für einen schnellen Weg aus der Krise, aber auch durch eine Transformation einräumt.

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