Die Commerzbank quält sich durch 2020

Die Commerzbank schlägt sich irgendwie durch. So lassen sich die am gestrigen Donnerstag vorgestellten Zahlen zum dritten Quartal – und eigentlich auch das komplette Geschäftsjahr – ganz gut beschreiben. In den Augen von Finanzchefin Bettina Orlopp sind die Quartalszahlen „ordentlich ausgefallen und frei von negativen Überraschungen“, wie sie während einer Telefonkonferenz sagte. Negative Überraschungen gab es für die Bank in diesem Jahr bislang jedoch zu Hauf. Seit Jahren leidet die stark vom Kreditgeschäft abhängige Commerzbank unter dem Niedrigzinsumfeld. Im Frühjahr kam dann der Corona-Schock, der sich inzwischen besonders stark im Firmenkundengeschäft niederschlägt. Machtkämpfe bei der Commerzbank Und wäre das nicht genug, brach im Sommer der Großaktionär Cerberus auch noch eine Strategie-Debatte vom Zaun, in der sowohl CEO Martin Zielke als auch sein Aufsichtsratschef Stefan Schmittmann entnervt das Handtuch warfen und die Strategiekrise zu einer Führungskrise machten – alles zu einer Zeit, in der die Bank im Rahmen ihrer Strategie 5.0 mal wieder restrukturiert wird. In diesem Chaos wirkt ein Vorsteuerverlust nach den ersten neun Monaten von 67 Millionen Euro tatsächlich fast schon wie ein Erfolg. Die bereinigten Erträge der Bank sanken nur leicht von 6,5 auf 6,4 Milliarden Euro. Weil sich aber das Risikoergebnis von minus 370 Millionen auf minus 1 Milliarde deutlich verschlechtert hat, die Verwaltungskosten hingegen nur leicht um 3,3 Prozent auf rund 4,5 Milliarden Euro gesunken sind, ist der operative Gewinn in den ersten neun Monaten von 1 Milliarde auf 94 Millionen Euro eingebrochen. So läuft das Firmenkundengeschäft der Commerzbank Das liegt vor allem an dem Geschäftssegment Firmenkunden, in dem die Bank ihr Firmenkunden- und Kapitalmarktgeschäft bündelt und das seit diesem Jahr von dem Niederländer Roland Boekhout geleitet wird. Mit einem operativen Verlust von 120 Millionen Euro in den ersten neun Monaten lieferte das Firmenkundensegment operativ das schlechteste Ergebnis aller operativen Geschäftseinheiten ab. Das Privatkundengeschäft verbuchte einen Gewinn von 336 Millionen Euro, und auch die polnische MBank steuerte 63 Millionen Euro bei, obwohl sie 71 Millionen Euro an Rückstellungen für Rechtsstreitigkeiten in Polen bilden musste. An den Erträgen liegt die Ergebniskrise aber nicht. Die bereinigten Erträge konnte die Commerzbank im Firmenkundensegment in den ersten neun Monaten gegenüber dem Vorjahreszeitrum immerhin konstant bei rund 2,5 Milliarden Euro halten. Der Zinsüberschuss sank leicht auf rund 1,4 Milliarden, dafür legte der Provisionsüberschuss marginal auf 908 Millionen Euro zu. FINANCE-Themenseite Firmenkundengeschäft Banker-Wechsel, Restrukturierungen, angriffslustige Auslandsbanken: Alles Wichtige zum harten Kampf im deutschen Firmenkundengeschäft. Mehr zum Thema Ertragsrückgänge im Kredit- und Trade-Finance-Geschäft konnte die Bank einem Sprecher zufolge durch höhere Erträge im Geschäft mit Anleihen und Konsortialkrediten (SynLoans) kompensieren. Allein im dritten Quartal begleitete die Commerzbank 24 Emittenten – darunter neun deutsche – bei der Emission von Anleihen im Gesamtvolumen von 38 Milliarden Euro. Im Geschäft mit Anleiheemissionen sei zuvor auch das zweite Quartal das stärkste Quartalsergebnis der vergangenen fünf Jahre gewesen, so die Bank. Bei den syndizierten Krediten hat die Commerzbank in Deutschland nach eigener Aussage im dritten Quartal 53 Transaktionen im Gesamtvolumen von rund 6 Milliarden Euro als Bookrunner begleitet. Im EMEA-Raum waren es insgesamt 71 Transaktionen mit einem Volumen von rund 12 Milliarden Euro. Was die Commerzbank von der Deutschen unterscheidet Um den durch den Margenverfall im Kreditgeschäft unter Druck stehenden Zinsüberschuss zu schützen, verlangt die Commerzbank von Firmenkunden schon länger Gebühren auf Einlagen. CFO Orlopp zufolge bezahlen inzwischen 95 Prozent aller Firmenkunden solche Strafzinsen, woraus der Bank auf das Jahr gerechnet 150 Millionen Euro an Erträgen zufließen werden. Aber das ist schon die einzige ungewöhnliche Einnahmenquelle, von der die Commerzbank profitieren kann, denn anders als viele andere Banken sorgen die Corona-bedingten stärkeren Handelsaktivitäten am Kapitalmarkt bei ihr für keinen Gebührenregen. Beispiel Deutsche Bank: Dass diese im dritten Quartal einen satten Gewinn verbuchen konnte, hatte sie vor allem ihren Anleihehändlern zu verdanken. Das Firmenkundengeschäft der Blauen schwächelt ebenso wie das der Commerzbank. Risikokosten belasten die Commerzbank Ein Problem für die Commerzbank im Firmenkundengeschäft sind die Risikokosten, die nach den ersten neun Monaten – in erster Linie Corona-bedingt – 575 Millionen Euro betrugen. Das entspricht der Hälfte der Risikokosten der gesamten Bank. Allein im dritten Quartal beliefen sich die Risikokosten bei den Firmenkunden auf 120 Millionen Euro, wovon die Bank 95 Millionen Euro mit Corona-Effekten begründet. Auf Gesamtbankebene unterteilt die Bank ihren rund 1 Milliarde Euro großen Risikokostenblock in drei Bereiche: 396 Millionen Euro wurden für Kredite zurückgestellt, die auch ohne Corona Probleme bekommen hätten. 175 Millionen Euro seien auf Einzelfälle zurückzuführen, vor allem auf Wirecard. 326 Millionen Euro begründet die Bank mit Corona-Effekten. Und weitere 170 Millionen Euro hat die Commerzbank zusätzlich zur Seite gelegt für Corona-bedingt noch zu erwartende Ausfälle. FINANCE-Köpfe Dr. Bettina Orlopp, Commerzbank AG Nach ihrem Studium beginnt Bettina Orlopp ihre berufliche Karriere 1995 als Beraterin bei McKinsey. Während dieser Zeit promoviert sie an der Universität Regensburg. 2002 steigt sie bei McKinsey zur Partnerin auf. Im Jahr 2014 wechselt sie als Bereichsvorständin Development und Strategy zur Commerzbank. Von Mai 2016 bis Oktober 2017 verantwortet sie als Generalbevollmächtigte die Bereiche Compliance, Human Resources und Legal. Im November 2017 wird sie Mitglied des Vorstands. Neben den drei bereits genannten Bereichen kümmert sie sich zusätzlich um die Themen Customer Process und Data Management. Im März 2020 wird sie zur CFO ernannt. Fortan gehören die Themen Finance, Investor Relations, Tax und Treasury zu ihrer Agenda. zum Profil Immerhin konnte die Bank im dritten Quartal ihre risikogewichteten Akiva (RWA) um 4 Milliarden Euro senken – vor allem, weil sich das Kreditvolumen nach einen starken Anstieg im ersten Halbjahr wieder normalisiert hat. Insbesondere große Firmenkunden hätten vorsorglich beschaffte Liquidität inzwischen wieder zurückgeführt, so Orlopp. Mit 89 Milliarden Euro liegt das ausstehende Kreditvolumen bei Firmenkunden nun wieder auf dem Niveau des ersten Quartals. Ende März war es auf 96 Milliarden Euro angeschwollen. Viele KfW-Kredite bleiben ungezogen Die KfW-Kredite verdeutlichen das Verhalten der CFOs: Stand September hatte die Commerzbank KfW-Kredite im Volumen von 5,3 Milliarden Euro genehmigt, gezogen waren aber nur 1,3 Milliarden Euro. Zudem lief ein Großteil der seit Anfang der Krise gewährten Kreditstundungen im dritten Quartal planmäßig aus. Mehr als 96 Prozent der Kunden haben der Bank zufolge ihre Zahlungen danach wieder aufgenommen. Bettina Orlopp zufolge hätten die meisten zudem lediglich ihre Tilgungszahlungen ausgesetzt, die Zinsen aber weiterhin bedient. Die Commerzbank achtet seit diesem Jahr zudem stärker auf die Profitabilität ihrer Firmenkundenbeziehungen. Gemessen wird diese an der sogenannten RWA-Effizienz. Diese lag Ende 2019 noch bei 3,2 Prozent. Die Kennzahl gibt an, wie viel Ertrag die Bank aus einem Euro risikogewichteter Aktiva (Risk Weighted Assets, kurz RWA) herausholen kann. Bettina Orlopp zufolge hat sich die Bank zuletzt auch von Kundenengagements getrennt, die die Mindestanforderungen an die Profitabilität nicht erfüllt haben. Die RWA-Effizienz im Firmenkundensegment sei dadurch im dritten Quartal des Geschäftsjahres auf 3,4 Prozent gestiegen – kein Riesensprung, aber immerhin. FINANCE-Themenseite Restrukturierung Sparprogramme, Verlagerungen, Bilanzsanierung: Kaum ein Unternehmen kommt über die Jahre ohne eine Restrukturierung aus. Für Sanierungsberater ist das ein gutes Geschäft. Mehr zum Thema Große Ertrags- und Gewinnsprünge sind von der Commerzbank im Firmenkundengeschäft im vierten Quartal ohnehin nicht zu erwarten. Von den Neukundenzielen und Wachstumsplänen in den europäischen Nachbarländern hat sich die Bank aufgrund der Coronakrise schon Anfang des Jahres verabschiedet. Der Fokus lag und liegt auf dem Bestandsgeschäft. Nach vorn blickend erwartet Orlopp für das vierte Quartal im bei den Firmenkunden „halbwegs stabiles Geschäft“. Positive Effekte verspricht sich die Commerzbank von einer Erholung des Trade-Finance-Geschäfts. Eine genaue Prognose fällt aber schwer, da der wirtschaftliche Schaden aus dem neuerlichen Lockdown noch schwer absehbar ist. Die Commerzbank rechnet ab Januar aber mit mehr Insolvenzen. Commerzbank-Restrukturierung geht weiter Alles in allem scheint Roland Boekhout das Firmenkundengeschäft in seinem ersten Jahr als Firmenkundenchef relativ stabil durch die Krise zu steuern. Offen aber bleibt, ab wann in der Bank nach Jahren der Restrukturierung wieder an Wachstum zu denken ist. Das durch den Rücktritt von Martin Zielke entstandene Machtvakuum ist inzwischen gefüllt. Im Januar übernimmt Manfred Knof das Ruder bei der Commerzbank. Er kommt von der Deutschen Bank, wo er zuletzt das Privatkundengeschäft in Deutschland geleitet hat. Im Aufsichtsrat ist Hans-Jörg-Vetter auf Stefan Schmittmann gefolgt. Vetter leitete von 2009 bis 2016 die Landesbank Baden-Württemberg. Anfang November löste zudem Andreas Schmitz Nicholas Teller als Aufsichtsratsmitglied ab. Schmitz stand zuletzt dem Aufsichtsrat der HSBC Deutschland vor. Bleibt Roland Boekhout bei der Commerzbank? An der neuen Führungsmannschaft liegt es nun, so schnell wie möglich Klarheit zu der neuen Strategie zu schaffen. Im ersten Quartal kommenden Jahres soll es so weit sein. Von der neuen Strategie dürfte letztendlich auch abhängen, ob Firmenkundenchef Roland Boekhout an Bord bleibt oder nicht. Dem Niederländer wurden nach dem Rücktritt von Martin Zielke Ambitionen auf den Chefposten nachgesagt. Entscheidender für seinen Verbleib als ein möglicher CEO-Posten dürfte aber sein, wie das Firmenkundensegment nach den Vorstellungen von Vetter und Knof künftig aussehen wird. Bleibt die Commerzbank eine Firmenkundenbank mit Kapitalmarktgeschäft und internationalen Ambitionen – oder bauen Vetter und Knof die Bank zu einer überregionalen Landesbank um? Für letzteres ist der von der ING gekommene Roland Boekhout vermutlich nicht angetreten. philipp.habdank[at]finance-magazin.de Info Noch mehr Hintergrundinformationen zum deutschen Corporate Banking finden Sie auf der FINANCE-Themenseite Firmenkundengeschäft.

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