Wusste die Bundesregierung von dem Interesse der Unicredit an der Commerzbank sowie dem bestehenden Anteil, den sich die italienische Großbank bereits im Sommer gesichert hatte? Diese Fragen kochen immer wieder hoch, seitdem die Unicredit ein großes Aktienpaket an der Commerzbank erworben hat. Nun ist etwas Licht ins Dunkel gekommen.
Klar ist jetzt: Hochrangige Vertreter der deutschen Bundesregierung standen vor dem Verkauf des Commerzbank-Aktienpakets in Kontakt mit Führungskräften der Unicredit. Und das nicht nur in den Monaten zuvor, sondern unmittelbar vor dem Coup der Unicredit. Das geht aus einem Schreiben des Finanzministeriums an den Bundestagsabgeordneten Matthias Hauer (CDU) vor, das der Nachrichtenagentur Reuters vorliegt.
Kukies sprach vor Monaten mit Unicredit
Darin wird deutlich, dass es bereits Mitte Mai ein Gespräch zwischen dem Staatssekretär im Bundeskanzleramt Jörg Kukies und dem Unicredit-Verwaltungsratspräsidenten Pier Carlo Padoan bei einer Konferenz in Paris gab. Ende Juni sprach er bei einer anderen Veranstaltung zudem mit Unicredit-Chef Andrea Orcel. Worum es in den Gesprächen ging und ob ein Übernahmeinteresse an der Commerzbank bekundet wurde, ist allerdings nicht bekannt.
Am 3. September kündigte die Finanzagentur, welche die Commerzbank-Beteiligung des Bundes verwaltet, den Verkauf eines Aktienpakets an. Bereits einen Tag später gab es erneut eine Kontaktaufnahme: Dieses Mal telefonierten die Unicredit-Deutschlandchefin Marion Höllinger und Finanzstaatssekretär Florian Toncar.
Unicredit fragt Toncar zu Verkaufsprozedere
Wie FINANCE aus Kreisen des Bundesfinanzministeriums (BMF) erfahren hat, habe die Unicredit dabei nach der Pressemitteilung und dem weiteren Prozedere gefragt. Toncar habe die Bank an die Finanzagentur verwiesen, im Einklang mit der Maßgabe, alle Bieter gleich zu behandeln. Anschließend meldete sich die Unicredit bei der Finanzagentur.
„Konkretere Ankündigungen zur Abgabe eines Gebots wurden aber nicht gemacht, erst recht wurden keine Ankündigungen gemacht hinsichtlich weiterführender Pläne in Bezug auf die Commerzbank. Zudem wurden keine bereits bestehenden Beteiligungen oder derivate Instrumente in Bezug auf Aktien der Commerzbank erwähnt oder offengelegt“, wie es aus BMF-Kreisen heißt.
Insgesamt hätten zahlreiche Investoren Interesse an der Transaktion bekundet, darunter auch, aber eben bei Weitem nicht nur die Unicredit.
Am 10. September wird gegen 17.30 Uhr das Bookbuilding-Verfahren „unumkehrbar“ gestartet – dem BMF sei bis dahin immer noch nicht bekannt gewesen, dass die Unicredit einen Anteil von 4,5 Prozent an der Commerzbank hält, betonen BMF-Kreise gegenüber FINANCE. „Erst nachdem bereits feststand, dass Unicredit das deutlich höchste Gebot abgegeben hatte und daher das gesamte Aktienpaket zugeteilt bekommen würde, wurde Florian Toncar um 20.15 Uhr telefonisch mitgeteilt, dass der Anteil von Unicredit damit auf 9 Prozent ansteigt“, heißt es weiter. Das Telefonat zwischen Unicredit und Toncar habe sich auf diese Mitteilung beschränkt.
Die Unicredit lehnte auf FINANCE-Anfrage hin eine Stellungnahme ab, ebenso das BMF.
Bundesregierung überrascht von Anteilen der Unicredit
Am 11. September wurde offiziell bekannt, dass die Unicredit 4,49 Prozent der Anteile an der Commerzbank erworben hatte, die bis dahin der Bund gehalten hatte. Dadurch besaß sie insgesamt 9 Prozent der Anteile.
Im Anschluss an den Verkauf zeigte sich die Bundesregierung überrascht über den großen Anteil der Unicredit und erteilte dem möglichen Verkauf weiterer Anteile der Commerzbank eine Absage.
Ende September erhöhte die Unicredit ihre Anteile auf rund 21 Prozent. Die Commerzbank stellte sich auf eine mögliche Übernahme durch die Italiener ein.
Der Bundestagsabgeordnete Hauer erklärte gegenüber Reuters: „Dass die Bundesregierung die Commerzbank trotz jahrelanger Vorbereitungen des Verkaufs der Bundesanteile und im Wissen über ein Interesse der Unicredit leichtfertig einer möglichen feindlichen Übernahme ausgeliefert hat, wirft viele weitere Fragen auf und kein gutes Licht auf das Agieren der Bundesregierung.“
Erika von Bassewitz ist Redakteurin bei FINANCE. Sie hat Philosophie und Französisch an der Humboldt-Universität in Berlin sowie an der Université de Genève studiert und mit einem Magister Artium abgeschlossen. Vor FINANCE war sie mehr als acht Jahre Redakteurin in der Multimediaredaktion des Medienhauses der EKHN. Davor war sie unter anderem Redakteurin beim HR-Magazin von monster, freie Autorin bei Deutsche Welle TV und freie Mitarbeiterin bei der Westdeutschen Zeitung.
