Gerne wird der Deutschen Bank vorgeworfen, nur noch dem Namen nach deutsch zu sein. Wer das behauptet, wird sich durch den neuesten Führungswechsel der Bank bestätigt fühlen: Neben Anshu Jain tritt auch Jürgen Fitschen ab. Den Chefposten übernimmt der Brite John Cryan.
Der 54-Jährige sitzt seit 2013 im Aufsichtsrat des Geldhauses. Sonst hat er mit Deutschland nichts am Hut. Laut Medienberichten wohnt er auch bisher nicht in Frankfurt, sondern in London. Zuletzt war er Europa-Chef des Singapurer Staatsfonds Temasek und davor CFO der Schweizer UBS.
Aufspaltung der Deutschen Bank wird wahrscheinlicher
Mit dem Chefwechsel tritt auch der zweite mächtige Mann bei der Deutschen Bank, Paul Achleitner, stärker in das Blickfeld der Öffentlichkeit. Der österreichische Aufsichtsratschef und ehemalige Goldman-Sachs-Investmentbanker, der den Rücktritt von Fitschen und Jain herbeigeführt haben dürfte, ist in seiner Denkweise stark angelsächsisch geprägt.
Für die Umsetzung der jüngst beschlossenen neuen Konzernstrategie, die das Privatkundengeschäft zu Lasten des internationalen Kapitalmarktgeschäfts schwächt, dürfte der Chefwechsel hilfreich sein. Ohne personelle Hypotheken sollte die Deutsche Bank künftig auf weniger Widerstände treffen als zuletzt. Die Berufung Cryans als vorläufiger Höhepunkt des Strategiewechsels heißt aber auch, dass in der Deutschen Bank die Entscheidungen künftig noch stärker in London getroffen werden dürften – nicht nur auf strategischer Ebene, sondern auch im Bezug auf Kundenprojekte.
Dies schmeckt nicht jedem deutschen CFO. Manche klagen jetzt schon hinter vorgehaltener Hand darüber, dass die deutschen Firmenkundenbetreuer der Deutschen Bank früher schneller und verbindlicher Zusagen machen konnten, als das inzwischen der Fall ist.
Deutsche Bank droht, an Profil zu verlieren
Die Stärkung des Machtzentrums London zu Lasten von Frankfurt bereitet – langfristig betrachtet – aber auch den Boden für eine noch stärkere Fokussierung der Deutschen Bank auf das Kapitalmarktgeschäft. Eine komplette Abspaltung des Privatkundengeschäfts in einigen Jahren ist mit dem Chefwechsel wahrscheinlicher geworden.
Cryan und Achleitner haben von den Investoren jedenfalls das Mandat bekommen, das Ruder bei der Deutschen Bank herumzureißen, wie der Kurssprung der Aktie um 8 Prozent am Montagvormittag zeigt. Hinzu kommt, dass Cryan unbelastet ist von den (juristischen) Skandalen der Vergangenheit und die Aufarbeitung der anhängigen Rechtsstreitigkeiten unbefangener angehen kann als Fitschen und Jain.
Investoren, Kunden und Geschäftspartner der Deutschen Bank können sich bei Deutschlands führender Bank auf einen entschiedeneren Reformkurs einstellen als bislang erwartet. Für Deutschlands CFOs ist das keine schlechte Nachricht: Eine international ausgerichtete Investmentbank hilft ihnen mehr als ein angeschlagener Zwitter aus Kapitalmarkt- und Retailbank.
Allerdings muss die Deutsche Bank ohne ihren Nimbus als in Deutschland verankerte Topbank ihren deutschen Firmenkunden dann auch eine Frage überzeugender beantworten, als sie das aktuell tut: Was macht sie als Geschäftspartner für deutsche Unternehmen interessanter als andere internationale Großbanken wie JP Morgan, Morgan Stanley, BNP Paribas oder HSBC?